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Nach der Ausnahme kommt die Normalität

Ausgangsbeschränkungen können wirken

Die getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der weiteren schnellen Ausbreitung des Coronavirus sind grundsätzlich sinnvoll. Entscheidend ist: Zunächst müssen wir die verfügten Verhaltensregeln konsequent einhalten und die Einschränkungen geduldig hinnehmen. Nur so kann eine Wirkung erzielt werden (s. a. Coronavirus – Schluss mit lustig). Offenbar sieht das die Mehrzahl der Menschen gleichfalls so. Noch ist das so richtig, muss man einschränken, doch darf der Übergang in die Normalität nicht beliebig in die Zukunft verschoben werden (s. a. Sehnsucht nach Normalität).

Nur um die Zahlen in die richtige Relation zu bringen: Derzeit sind in Deutschland ca. 0,1% der Bevölkerung mit dem Coronavirus infiziert. Von der Dunkelziffer wissen wir natürlich nichts genaues. Dennoch gibt es (noch) keinen Grund zur Panik! Das befürchtete schnelle exponentielle Wachstum der Infektionszahlen kann durch die verfügten Ausgangsbeschränkungen wirksam bekämpft werden (s. Coronavirus – Schluss mit lustig). Im besten Falle gelingt es so, die Zahl der Neuinfektionen in einem unkritischen Bereich zu halten (s. Das Coronavirus – So schnell breitet es sich aus).

Auswirkungen auf die Wirtschaft

Allerdings haben die Ausgangsbeschränkungen auch eine Kehrseite. Das öffentliche Leben kommt zum Stillstand. Die Wirtschaft leidet schon jetzt erheblich. Bei einer längeren Dauer würde sie schwer in Mitleidenschaft gezogen. Der Schaden wäre immens. Es geht dabei nicht nur um schnöden Mammon, etwa die ausbleibenden Gewinne von Konzernen. Weit gefehlt, es ist viel dramatischer. Die nackte Existenz von kleinen und größeren Unternehmen, Gewerbetreibenden und Selbständigen steht auf dem Spiel. Und schon bald wären die Beschäftigten mit ihren Familien unmittelbar davon betroffen, mit allen Konsequenzen für ihre Lebensgestaltung. Bereits binnen weniger Monate wäre der Niedergang für Hunderttausende, wenn nicht Millionen mit schwerwiegenden Einbußen bis hin zu Existenzverlusten verbunden.

Der Stillstand darf nur von kurzer Dauer sein

Die aus den jetzigen Maßnahmen resultierenden unmittelbaren Folgenwirkungen sind daher nur für eine eng begrenzte Zeitspanne von vielleicht maximal 4 – 6 Wochen akzeptabel. Spätestens ab Mai muss man zu einer gewissen Normalität mit verkraftbaren Einschränkungen zurückkehren und (je nach Stand der Dinge) andere Maßnahmen ergreifen, sonst ist der Schaden größer als der Nutzen und es droht langfristig die Erkenntnis: „Operation Gesundheitswesen gelungen, Patient Wirtschaft tot“. Oder so:

Leben temporär gerettet, Existenzen dauerhaft vernichtet.

Mit anderen Worten: Ausnahmen sind nur ausnahmsweise akzeptabel. Freies und selbstbstimmtes Leben und Wirtschaften ist nur in der Normalität möglich.

Es geht ums Ganze, nicht nur um das Gesundheitswesen

Die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems ist ein wichtiges Ziel. Es darf aber nicht getrennt von den gravierenden Nebenwirkungen verfolgt werden. Trotz der Gefährlichkeit des Coronavirus ist die Bekämpfung der Pandemie letztlich keine wissenschaftliche Frage, die Virologen beantworten können. Es ist vielmehr eine Herausforderung an die politische Bewertung. Wissenschaftler, auch Virologen, haben hierbei eine Stimme, mehr aber auch nicht. Letzten Endes müssen die verantwortlichen Politiker entscheiden und dabei alle relevanten Aspekte ins Auge fassen.

Auch im Hinblick auf die ethischen Fragen ist eine differenziertere Betrachtung vonnöten, als dies im ersten Impuls naheliegend erschien. Ist es wirklich human, jetzt Alte und Todgeweihte im Altersheim oder auf der Intensivstation zu isolieren? Bei Abwägung aller Bedenken könnte es am Ende menschlicher sein, von seinen engsten Angehörigen Abschied nehmen zu dürfen, als einige Wochen später vereinsamt dahinzuscheiden.

Die Freiheitsrechte sind ein sehr hohes Gut

Unabhängig davon sind auch die Eingriffe in die Grundrechte der Menschen nicht für einen längeren Zeitraum hinnehmbar. Die Hürden dafür müssen hoch, sehr hoch gelegt werden. In einer freiheitlichen Demokratie darf sich der Staat nicht dauerhaft derart tief in die Lebensgestaltung der Menschen einmischen.

Das Wesen der Freiheit liegt in der Selbstbestimmung des Individuums.

Es ist nicht Aufgabe des Staates, den mündigen Bürger durch Zwangsmaßnahmen vor sich selbst zu schützen. Genauso wenig darf er Ältere von der Teilhabe am öffentlichen Leben ausschließen, nur weil sie – rein statistisch gesehen – tendenziell stärker vom Coronavirus bedroht sind.

Der Weg in die fürsorgliche Diktatur ist kürzer, als man denkt

Was der Staat tun kann und tun muss ist, die Allgemeinheit vor dem Einzelnen zu schützen, sofern eine Gefahr von ihm ausgeht. Letzten Endes bleibt es aber eine schwierige Grenzziehung.

Dabei droht das Abgleiten in einen wohlmeinenden Totalitarismus, der sanfte Weg in die Diktatur. Indes, auch eine fürsorgliche Diktatur bleibt eine Diktatur. Totalitäre Staaten sind ja nicht per se böse. Auch sie wollen das Gute, aber eben mit den Zielen und auf die Weise, die die jeweils Herrschenden für richtig halten. Es ist die Normalität von Diktaturen, in das Leben der Bürger einzugreifen. Die Freiheit und Selbstbestimmung des Individuums bleiben dabei regelmäßig auf der Strecke. Das kann nicht unser Weg sein.

Nur in extremen Ausnahmesituationen und zeitlich streng limitiert, darf sich der Staat anmaßen, das Aufenthaltsbestimmungsrecht seiner Bürger einzuschränken.

Social Distancing – steile Karriere eines falschen Begriffs

Hat das Coronavirus nun auch die Sprache infiziert?

Um die Antwort vorwegzunehmen: Die Sprache war natürlich schon lange vor dem Auftreten des Virus wahrscheinlich unrettbar infiziert. Social Distancing ist nur ein weiterer Anglizismus. Wie so viele andere, auch dieser entbehrlich. Nicht nur unnötig und missverständlich, nein, sogar falsch.

Vorsicht Ansteckungsgefahr!

Wir kennen das ja z.B. vom Handy, ein Wort, das es im Englischen gar nicht gibt. Oder vom Public Viewing, was im Englischen etwa „Leichenschau“ bedeutet, bei uns aber bekanntlich der schönsten Nebensache der Welt, dem öffentlichen Fußballschauen gewidmet ist. Übrigens auch etwas, das im Zuge von Social Distancing nun gar nicht mehr stattfindet.

Alle öffentlichen Veranstaltungen sind abgesagt. Sportstätten, Theater, Museen sind dicht, Fußballspiele und andere Sportveranstaltungen finden nicht mehr statt. Clubs sind geschlossen, Kneipen und Restaurants ebenfalls. Konferenzen und Messen sind verschoben oder ganz abgesagt. Der Grund: Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus durch Social Distancing (s. a. Schluss mit lustig).

Der Befund

Warum ist das Wort Social Distancing so grundfalsch? Ganz einfach, weil es eigentlich etwas ganz anderes meint, als dies in dem Begriffspaar zum Ausdruck kommt. Sich sozial von einer Gruppe oder von Einzelpersonen zu distanzieren heißt, keinen Kontakt zu pflegen, nicht miteinander zu kommunizieren, nicht miteinander zu verkehren. Mit Social Distancing will man aber gerade nicht diese Art von sozialer Distanz zum Ausdruck bringen. Schlimmer noch: Social Distancing meint eigentlich genau das Gegenteil dessen, was es wörtlich genommen aussagt.

Distanz bedeutet einfach nur Abstand

Worum geht es wirklich? Es geht darum, Abstand zu halten zu (fremden) Mitmenschen und gefährdeten Personen, 1,5m, besser 2 m. Damit erschwert man es dem Coronavirus, sich ungehemmt weiterzuverbreiten. Man schützt sich selbst und andere vor Ansteckung. Die Rede ist also schlicht und ganz banal von Abstand, von Distanz. Und zwar von der räumlichen Distanz zwischen Menschen. Räumliche Distanz, das ist etwas, was man in Metern messen kann. Solcher Abstand hat nichts, aber auch gar nichts zu tun mit sozialer Distanz. Der richtige Begriff lautet daher Physical Distancing, wenn man ihn schon wichtigtuerisch als Anglizismus unter die Leute bringen will. Im Deutschen sagt man dazu physische Distanz, oder eben einfach Abstand, Distanz.

Hat das Coronavirus nun auch die Sprache infiziert? - Warum ist das Wort Social Distancing so grundfalsch? Ganz einfach, weil es wortwörtlich das Gegenteil dessen meint, was im Begriffspaar zum Ausdruck kommt. Der richtige Begriff lautet
Physical Distancing in der Praxis

Solidarität und soziale Nähe

Was bringt man also zum Ausdruck, wenn man sich entsprechend verhält? Genau, man zeigt Mitmenschlichkeit und Solidarität. Man verhält sich im wahrsten Sinne des Wortes sozial. Zur eigenen Sicherheit und zum Schutze Fremder. Anders gesagt, man zeigt soziale Nähe. Wortwörtlich das genaue Gegenteil von sozialer Distanz oder eben Social Distancing.

Ja, das passiert eben, wenn man meint, man müsse jede Verästelung des Lebens mit Anglizismen verzieren, damit sie wichtig und großartig klingt.

Wie verhält es sich denn in sozialen Netzwerken? Wenn mich nicht alles täuscht, leben soziale Netze wie Facebook, LinkedIn, Xing, Twitter, Instagramm, Pinterest usw. genau davon, dass die Menschen trotz einer fast immer bestehenden räumlichen Distanz, auf der sozialen Ebene dennoch miteinander in Kontakt kommen und sich austauschen. Sie beweisen soziale Nähe bei gleichzeitig bestehender physischer Distanz. Niemand würde sagen, das Geschäftsmodell der sozialen Netzwerke beruhe auf Social Distancing.

Banale Wahrheiten sind offenbar nur schwer zu ertragen

Zurück zum Physical Distancing. Halten Sie die Distanzregeln ein, aus Rücksicht und Solidarität! Das wäre doch eine Aufforderung, die jeder unmittelbar versteht und die genau das ausdrückt, worum es geht. Zugegeben, das klingt nicht ganz so hipp.

Irgendwie wäre die Aufforderung zum Abstandhalten wohl einfach zu banal und unmittelbar klar gewesen. Ganz ohne Geheimnisse. Deswegen musste man die Sache anders etikettieren. Die Menschen müssen Dinge, die sie aus Vernunftgründen tun oder tun sollen immer künstlich überhöhen. Was einfach nur rational und unmittelbar einsichtig ist, das erreicht niemals den Status „Angesagt“.

Nun ja, „Schein regiert die Welt“, das weiß man nicht erst seit Schiller.

Coronavirus – Schluss mit lustig!

Nach den neuesten Zahlen gibt es mittlerweile in Deutschland schon weit mehr als 10.000 Corona-Fälle. Im Artikel „Das Coronavirus – So schnell breitet es sich aus. Aber wir können etwas tun! (>LinkedIn 2020-03-18)“ wird ein Modell für die Ausbreitung des Coronavirus entwickelt und dargelegt, wie schnell die Anzahl der Infizierten schon in wenigen Wochen ansteigen wird, wenn wir nicht SOFORT wirksame Gegenmaßnahmen ergreifen.

Rigide Maßnahmen sind unabwendbar

Die gegenwärtig in allen Bundesländern verfügten Maßnahmen sind hilfreich. Es ist aber zu befürchten, dass sie nicht ausreichend sind, die Ausbreitung des Virus effektiv zu bekämpfen. Zudem ist es fraglich, ob der ausschließliche Fokus der Politik auf die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems nicht zu eng gesetzt ist.

Wenn wir jetzt zu zögerlich sind, werden wir nur den Anstieg der Neuinfektionen weiter nach hinten verschieben und etwas flacher gestalten. Momentan scheint genau dies noch das – etwas fatalistisch anmutende – Ziel der verantwortlichen Politiker zu sein (s. z.B. https://www.welt.de/politik/deutschland/article206578991/Coronavirus-Spahn-Das-wird-eher-viele-Monate-so-gehen-als-viele-Wochen.html). Das reicht aber nicht! Es reicht vielleicht zum Überleben, es reicht aber nicht dafür, die Krise in all ihren Aspekten tatsächlich und nachhaltig wirksam zu überwinden.

Was bringen halbherzige Maßnahmen?

Mit einer moderaten Eindämmung der Anzahl der Neuinfektionen im Sinne einer Kurvenverflachung und Verschiebung des Peaks der Virusinfektionen in die weitere Zukunft wird es uns gelingen, die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems aufrechtzuerhalten. Wir können so sicherstellen, dass die Anzahl der Corona-spezifischen Todesfälle niedrig bleibt. Das ist ein großartiges Ziel. Es ist aber nicht das Einzige, worum es geht und worum es gehen muss. Im oben zitierten Artikel „Das Coronavirus – So schnell breitet es sich aus. Aber wir können etwas tun! (>sumymus blog 2020-03-20)“ wird gezeigt, dass es bei Zweitinfektionsraten von maximal 1,2 bis 1,3 (d.h., 10 Erkrankte infizieren 12 bis 13 Gesunde) voraussichtlich viele Monate dauern wird (wahrscheinlich mehr als 12), den Peak bei der Anzahl der Neuinfektionen auf ein vom Gesundheitssystem beherrschbares Niveau abzusenken.

Es geht nicht nur um das Gesundheitssystem

Der Schaden eines solch langen Stillstands wäre immens. Die Wirtschaft würde dadurch schwer in Mitleidenschaft gezogen. Für alle wäre der Niedergang schon in wenigen Monaten spürbar. Und viele Existenzen wären ernstlich bedroht. So kann nur verfahren, wer sehenden Auges “Das Kinde mit dem Bade ausschütten“ will. Langfristig wäre das ein viel, viel größeres Unglück, als jetzt für einige Wochen auf billigen Spaß und Zerstreuung verzichten zu müssen. Ein bisschen Gegensteuern kann also nicht die Lösung sein.

Mit den gegenwärtig verfügten moderaten Maßnahmen sind vermutlich keine kleineren Zweitinfektionsraten als die genannten erreichbar. Das bedeutet: ein halbes, vielleicht ein ganzes Jahr mit merklichen und von vielen bereits als schmerzhaft empfundene Beeinträchtigungen des öffentlichen Lebens. Für nicht wenige existenzbedrohend. Und was erreicht man damit? – Die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems. Das kostet einen hohen Preis und greift dennoch zu kurz.

Klare Entscheidungen, vernünftiges und konsequentes Handeln

Die Politik muss jetzt wirklich drastische Maßnahmen ergreifen bis hin zu Ausgangssperren. Das gilt zumindest für die großen Städte. Wer immer noch nicht verstanden hat, dass die Lage ernst ist, der muss erforderlichenfalls mit Zwangsmaßnahmen zu einem sozialverträglichen Verhalten genötigt werden. Es sollte jedermann klar sein: Die Freiheit des einzelnen endet da, wo die Unversehrtheit und Freiheit aller ernsthaft gefährdet ist. Deshalb gilt: Vernünftige Menschen bleiben zuhause und reduzieren ihre sozialen Kontakte auf das absolut notwendige Mindestmaß. Wem diese Einsicht fehlt, dem muss man klare Anweisungen erteilen.

Das Ziel muss es sein, der Ausbreitung des Virus die Basis zu entziehen. Das geht nur durch entschlossenes und schnelles Handeln.

Mit halbherzigen Maßnahmen droht eine Hängepartie, ein viele Monate andauernder Stillstand in Wirtschaft und Gesellschaft mit unabsehbaren Konsequenzen.

Was wäre die Alternative?

Für den Fall, dass wir jetzt nicht wirksam handeln und es nicht gelingt, die Anzahl der Neuinfektionen dramatisch zu reduzieren, droht am Ende die Erkenntnis:

Operation Gesundheitswesen gelungen,
Patient Wirtschaft tot.

Das kann nicht das Ziel sein! Das darf nicht das Ziel sein! Es ist keine Option, die Krise auf viele Monate hinzuziehen. Deswegen müssen wir jetzt den beschwerlichen Weg einschlagen und kurzfristig schmerzhafte Beeinträchtigungen für jeden einzelnen hinnehmen. Die Alternative wäre ein wirtschaftlicher Zusammenbruch, wie man ihn nur aus Kriegszeiten kennt.

Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende

Nochmal: Vernünftige Menschen haben in den nächsten Wochen keine vermeidbaren (d.h., nicht lebensnotwendigen) persönlichen Kontakte außerhalb ihrer vier Wände. Alle anderen müssen bei Strafandrohung zuhause bleiben. So jedenfalls sollte die klare Ansage der verantwortlichen Politiker lauten.

Zusammenfassung

Wir haben drei Alternativen:

  1. Alles laufen lassen, wie gehabt.
    Haltung: Wird schon nicht so schlimm kommen.
    Gesundheitssystem: Die Anzahl der Infizierten steigt bereits jetzt rasant und wird an noch Geschwindigkeit zulegen. Der Peak der Infektionszahlen wird schon in einigen Wochen erreicht. Millionen werden davon betroffen sein. Viele Infizierte haben nur mäßige Symptome, wie das auch bei den jährlichen Grippewellen der Fall ist. Personen mit Vorerkrankungen sind besonders von ernsten Verläufen betroffen. Schon in wenigen Wochen, spätestens 2 – 3 Monaten ist das Gesundheitssystem völlig überlastet, es gibt viele Tote.
    Wirtschaft und Gesellschaft: Die Wirtschaft floriert zunächst munter weiter. Aber das dicke Ende kommt mit Sicherheit. Wahrscheinlich steuern wir auf eine massive Rezession zu. Dazu ernten wir eine gesellschaftliche und eine politische Krise.

  2. Moderate Maßnahmen ergreifen (so wie wir das aktuell sehen).
    Ziel: das Gesundheitssystem am Laufen halten.
    Gesundheitssystem: Die Anzahl der Infizierten steigt zunächst noch ungebremst exponentiell. Nach wenigen Wochen wird sich der Anstieg etwas verlangsamen. Der Peak der Infektionszahlen wird erst nach vielen Monaten erreicht. Aufgrund der geringeren Neuinfektionszahlen pro Zeiteinheit im Vergleich zur Alternative 1 bleibt das Gesundheitssystem funktionsfähig. Es gibt nur wenige Tote.
    Wirtschaft und Gesellschaft: Die Maßnahmen ziehen sich lange hin. Gesellschaft und Wirtschaft werden über viele Monate hinweg stark beeinträchtigt. Die Wirtschaft stagniert und bricht dann wahrscheinlich dramatisch ein. Es gibt viele Insolvenzen. Alle werden darunter leiden, am Ende sogar der Staat.

  3. Drastische Maßnahmen ergreifen (inkl. Ausgangssperren).
    Mehrere Ziele: das Gesundheitssystem am Laufen halten, der Ausbreitung des Virus den Boden entziehen. Wirtschaft und Gesellschaft so schnell wie möglich wieder in einen Normalmodus bringen.
    Gesundheitssystem: Die Anzahl der Infizierten steigt jetzt noch schnell, wird aber nach Inkrafttreten der scharfen Maßnahmen bald an Dynamik verlieren. Der Peak der Neuinfektionen wird schon in wenigen Wochen erreicht. Wir reden dann wahrscheinlich von „nur“ einigen zehntausend Menschen. Insgesamt wird eine höchstens 6-stellige Anzahl von Personen betroffen sein. Das Gesundheitssystem bleibt funktionsfähig. Es gibt nur wenige Tote. Infizierte werden konsequent in Quarantäne genommen. Die Ausbreitung des Virus ist eingedämmt.
    Gesellschaft und Wirtschaft kommen jetzt sofort zum fast vollständigen Stillstand. Aber: Schon in wenigen Wochen kann man schrittweise wieder in einen normal zu nennenden Modus mit nur leichten Einschränkungen zurückkehren. Die Wirtschaft erholt sich sehr schnell. Es gibt Beeinträchtigungen, sie sind aber zu verkraften. Der Kollaps wird abgewendet.

Etwas anderes als Alternative 3, kann doch wohl niemand ernsthaft in Erwägung ziehen.

Das Coronavirus – So schnell breitet es sich aus.

Aber wir können etwas dagegen tun!

Zusammenfassung

Es wird ein Modell für die Ausbreitung des Coronavirus entwickelt. Darauf fußend werden die resultierenden Zahlen der Infektionsverläufe prognostiziert (Diagramme) und die Sinnhaftigkeit der Maßnahmen abgeleitet.

Sofern wir die jetzt verfügten Maßnahmen umsetzen und uns alle daran halten, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit sichergestellt, dass es nicht wieder zu einem exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen und damit zu neuen Ausbreitungswellen kommt. In einer etwas moderateren Form ist das erforderlich bis zur Zulassung und allgemeinen Verfügbarkeit eines Impfstoffs. Erst danach können wir wieder in „alte Verhaltensmuster“ zurückfallen.

Entscheidend ist: Zunächst müssen wir die akut anstehenden drastischen Verhaltensregeln konsequent einhalten und die Einschränkungen geduldig hinnehmen. Dabei wird die Wirtschaft kurzfristig leiden, aber schon nach Überwindung des jetzt noch vor uns liegenden hohen Anstiegs an Neuinfektionen wird in 4 bis 6 Wochen ein durchaus normales Wirtschaftsleben mit einigen kleineren Einschränkungen wieder möglich sein. Die Alternative einer halbherzigen Umsetzung wäre ein dauerhaftes Stagnieren der Wirtschaft, weil immer wieder neue Ansteckungswellen drohen.

Hinweis für den eiligen Leser: Die Abschnitte „ABER: Wirtschaft und Gesellschaft ebenfalls im Auge behalten„, „Validierung der Lösungsstrategie“ und „Schluss und Ausblick“ weiter unten enthalten alles Wesentliche für die erfolgreiche Bewältigung im Hinblick auf die weitere Ausbreitung des Virus.

Einleitung

Am Corona-Virus kommt man in diesen Tagen nicht vorbei. Nahezu alle öffentlichen Veranstaltungen sind abgesagt. Sportstätten, Theater, Museen sind dicht, Fußballspiele finden nicht mehr statt. Clubs geschlossen, Kneipen und Restaurants im reduzierten Abstandsbetrieb. Konferenzen und Messen abgesagt. Mittlerweile sind auch die Grenzen geschlossen. Können wir so die weiter Ausbreitung der Epidemie stoppen oder zumindest den Verlauf und Anstieg der Neuinfektionen verlangsamen? Zumindest kann man diesen Maßnahmen, auch ohne Experte  zu sein, die Vernünftigkeit nicht absprechen. Die Idee dahinter: Wenn die Menschen weniger in Kontakt zueinander treten, dann sollte doch zumindest das Ansteckungsrisiko für die Nichtinfizierten sinken. Das ist einleuchten!

Im Folgenden soll zunächst ein einfaches Modell für die Verbreitung des Virus entwickelt werden. Auf Basis des Modells können wir dann abschätzen, wie die Zahl der Infizierten weiter wachsen wird. Ferner können wir durch Variation der Modellparameter unterschiedliche Szenarien durchspielen und so die Verhaltensmaßregeln der Mediziner (Hygiene, soziale Kontakte, …) im Modell spiegeln. Wir gewinnen so Erkenntnisse über die mutmaßliche Wirksamkeit der Maßnahmen im Hinblick auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Corona-Epidemie und können auf dieser Basis unser eigenes Verhalten daraufhin abstimmen.

Ausgangsbasis für die Modellbildung

Die Inkubationszeit des „COVID-19“ genannten Virus beträgt zwischen 2 und 14 Tagen. Meist werden 7 – 14 Tage angegeben. Das Virus wird vornehmlich durch Tröpfcheninfektion übertragen. Diese kann von direkt von Mensch zu Mensch erfolgen, wenn Virus-haltige Tröpfchen an die Schleimhäute der Atemwege gelangen. Auch eine Übertragung durch Schmierinfektion über die Hände, die mit der Mund- oder Nasenschleimhaut sowie mit der Augenbindehaut in Kontakt gebracht werden, ist prinzipiell nicht ausgeschlossen, spielt aber vermutlich nur eine untergeordnete Rolle. Das Virus ist hoch ansteckend und kann schon innerhalb der Inkubationszeit auf andere übertragen werden. Oft ist es sogar so, dass ein Infizierter noch gar keine Beschwerden verspürt) (s. https://www.infektionsschutz.de/coronavirus-sars-cov-2.html).

Das Robert-Koch-Institut gibt für die  Dauer der Infektiosität einen Zeitraum von bis zu 8 Tagen an. (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText5). Das ist die Zeitspanne, innerhalb derer Patienten, die mit COVID-19 infiziert sind und Symptome aufweisen, das Virus an andere übertragen können. Diese Zahl ist indes unsicher, sie beruht tatsächlich nur auf einer kleinen Studie mit 9 Patienten. Ebenfalls bekannt ist, dass auch Patienten ohne Symptome andere infizieren können, offenbar auch schon innerhalb der Inkubationszeit. Für die Modellbildung entscheidend ist weniger die genaue Größe der Infektiosität, als vielmehr die definitive zeitliche Begrenztheit. Wenn jeder Infizierte dauerhaft Überträger des Virus sein würde, wäre es unausweichlich, dass über kurz oder lang alle Menschen erkrankten. Völlig gleich, welche (realistischen) Schutzmaßnahmen man auch immer ergreifen würde.

Mathematisches Modell für die Beschreibung der Ausbreitung

Sei  \(N\) die Größe der Population. Der Wert \(q\) steht für die Wahrscheinlichkeit, dass beim Kontakt mit einem Virusträger eine Übertragung stattfindet (was nach den obigen Ausführungen nur innerhalb der begrenzten Infektionszeit möglich ist). Ferner sei \(k\) die durchschnittliche Anzahl der Kontaktpersonen und \(k_{n}\) die durchschnittliche Anzahl der nicht infizierten Kontaktpersonen eines Erkrankten. Die Anzahl der Neuinfizierten im Intervall  bezeichnen wir mit \(a_{n}\). Die Gesamtanzahl aller bis zum Intervall \(n\) bereits Erkrankten in der Population nennen wir \(s_{n} \). Offensichtlich gilt \(s_{n} = \sum_{i=0}^{n} a_{i} \).

Für die Anzahl der Neuinfizierten im Intervall \(n+1\)  erhalten wir nun:

\begin{equation} a_{n+1} = q \cdot k_{n} \cdot a_{n} \end{equation}

Wie kommen wir hierin zum Wert von \(k_{n}\)? Ganz einfach: Die Wahrscheinlich dafür, dass eine zufällig aus der Gesamtpopulation gewählte Kontaktperson noch nicht infiziert ist, können wir leicht bestimmen. Es ist der Quotient \(\frac{N-s_{n}}{N} \). Demnach gilt

\begin{equation} k_{n} = \frac{N-s_{n}}{N} \cdot k \end{equation}

Zusammengefasst erhalten wir also

\begin{equation} a_{n+1} = q \cdot k \cdot \left (1 – \frac{s_{n}}{N} \right ) \cdot a_{n} \end{equation}

Oder ausgeschrieben

\begin{equation} a_{n+1} = q \cdot k \cdot \left (1 – \frac{1}{N} \sum_{i=0}^{n} a_{i} \right ) \cdot a_{n} \end{equation}

Damit sind wir mit der Modellformulierung bereits fertig.

Hinweis: Das Produkt aus Kontaktanzahl und Infektionswahrscheinlichkeit wird oft auch als Reproduktionsfaktor oder R-Wert bezeichnet.

Exemplarische Modellbetrachtung

Was ist ein vernünftiges Intervall in der Modellbeschreibung? Nach dem eingangs zur Inkubationszeit und zur Zeitdauer der Infektiosität Gesagten, erscheint es sinnvoll, als Intervall einen Zeitraum von etwa 7 Tagen zu wählen. Der Index \(n\) steht daher für die fortlaufende Nummer einer Woche. Wir fragen also nach der Anzahl der Neuinfektionen in der \(n\)-ten Woche des Betrachtungszeitraums.

Das RKI (Robert-Koch Institut) gibt an, dass derzeit ein Erkrankter im Mittel 2,4 bis 3,3 weitere Personen infiziert. Im Modell können wir das folgendermaßen abbilden: Wir nehmen z.B. an, die durchschnittliche Anzahl  \(k\) der Kontaktpersonen eines Infizierten liege bei etwa 24 – 33 (pro Woche); gleichzeitig unterstellen wir ein Ansteckungsrisiko von  \(q\) pro Kontaktperson. Im Hinblick auf die Ausbreitung des Virus liefe es im Mittel auf dasselbe hinaus, wenn wir stattdessen von 2,4 bis 3,3 Kontaktpersonen bei einem Ansteckungsrisiko von 100% ausgehen würden oder 48 bis 66 Kontaktpersonen bei einem Ansteckungsrisiko von 5%. Entscheidend ist lediglich das Produkt aus beiden Modellparametern.

Dadurch wird das effektiv von einem Erkrankten ausgehende Risiko bei Einhaltung der Verhaltensregeln (Hygienemaßnahmen, möglichst weitgehende Kontaktreduzierung) beschrieben. Solange noch kein Impfstoff zur Verfügung steht, ist dies die einzige Stellgröße zur Verlangsamung des Anstiegs der Infektionszahlen. In Abb. 1 und 2 sind die gerechneten Verläufe der Neuinfektionen und der Gesamtfallzahlen für Zweitinfektionsraten von 3,3 bzw. 2,4 dargestellt.

Anwendung auf den Status quo

Nachfolgend sind zwei Diagramme dargestellt, die zeigen, wie sich die Infektionszahlen wahrscheinlich entwickeln, wenn man nichts tut.

Abb. 1: Verlauf der Infektionen bei \(q = 10\%\), \(k = 33\) (entsprechend 3,3 Zweitinfektionen pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Die Anzahl der Neuinfektionen erreicht in der 16. Woche mit ca. 37 Mio. ihr Maximum. Dann sind schon 60 Mio. Einwohner infiziert. Bereits nach 17 Wochen sind nahezu alle 83 Mio. Einwohner erkrankt.

Abb. 2: Verlauf der Infektionen bei \(q = 10\%\), \(k = 24\) entsprechend 2,4 Zweitinfektionen pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Die Anzahl der Neuinfektionen erreicht in der 22. Woche ihr Maximum mit ca. 23,5 Mio. Bis dahin sind bereits über 50 Mio. Einwohner infiziert. Die Gesamtanzahl der Infizierten bleibt nach der 24. Woche mit knapp 80 Mio. konstant. Am Ende werden nur etwa 3 Mio. verschont.

Die aus den aktuell vorherrschenden Zweitinfektionen (2,4 – 3,3) resultierenden Verläufe sind gewiss nicht beherrschbar. Bei 3,3 (s. Abb. 1) erhalten wir 37 Mio. Neuinfektionen bereits in der 16. Ausbreitungswoche. Sogar bei 2,4 (s. Abb. 2) sind es im Maximum immer noch fast 24 Mio. Neuinfektionen, wenn auch erst in der 22. Woche.

Einfache Modellanalyse

Mittels des Modells kann man leicht bestimmen, welche Bedingung erfüllt sein muss, damit die Anzahl der Neuinfektionen ab einem bestimmten Zeitintervall nicht weiter wächst. Dies ist doch offensichtlich dann der Fall, wenn \(\frac {a_{n+1}}{a_{n}}  \le 1\) ist, wenn also gilt, \( q k \left (1 – \frac{s_{n}}{N} \right ) \le 1\). Demnach lautet die Bedingung

\begin{equation} \frac{s_{n}} {N} \ge 1 – \frac{1}{q k} \end{equation}

Erst dann also, wenn der relative Anteil der Infizierten an der Gesamtpopulation erstmals den Wert \(1 – \frac{1}{q k}\) übersteigt, gehen die Neuinfektionen zurück. Diesen Zusammenhang kann man umgekehrt zur Bestimmung der Gesamtanzahl der Erkrankten bei diesem Wendepunkt nutzen. Im Falle der obigen Werte des RKI (2,4 bis 3,3) liegen die entsprechenden kumulierten Infektionszahlen im Wendepunkt bei \(\frac{s_{N}}{N} = 58\%\) (das sind etwa 48 Mio. Menschen in Woche \(n = 16\)) bzw. \( \frac{s_{N}}{N} = 70\% \) (das sind etwa 58 Mio. Menschen in Woche \(n = 22\)).Variation der Modellparameter

Im Folgenden betrachten wir den Verlauf der Neuinfektionen bei Variation der Zweitinfektionsrate pro Erkranktem von 3 bis hinunter auf 1,1 (s. Abb. 3).

Abb. 3: Verlauf der Neuinfektionen bei Variation der Zweitinfektionsrate pro Erkranktem von 3 bis hinunter auf 1,1 (entsprechend \(q = 10\%\), \(k = 30, 25, 20,\cdots11\) oder jeder anderen Kombination von Ansteckungsrate \(q\) und Anzahl der Kontaktpersonen \(k\) mit dem gleichen Produkt \(q \cdot k\)). Die nicht dargestellten Maxima bei den Kurven für 3, 2,5, 2 und 1,9 Zweitinfektionen liegen bei 37 Mio., 24,5 Mio., 15,5 Mio. und 14 Mio. Neuinfektionen pro Intervall (Woche). Der Höchststand für 1,1 Zweitinfektionen (dunkelgrüne Kurve ganz rechts) liegt weit außerhalb des Betrachtungszeitraums etwa in der 149. Woche mit nur noch 365.000 Neuinfektionen und ist gleichfalls nicht dargestellt.

Wie man der Grafik (s. Abb. 3) entnimmt, verschiebt sich das Maximum der Anzahl der Neuinfektionen bei einer geringeren Anzahl von Zweitinfektionen schnell nach rechts. Man gewinnt durch die Reduktion der Zweitinfektionsrate also auf jeden Fall Zeit, die Leben retten kann. Diese Zeit kann man nutzen, um z.B. einen Impfstoff zu finden und einsatzreif zu machen. Fast noch wichtiger in diesem Zusammenhang: Die Überlastung des Gesundheitssystems wird vermieden, wenn bestimmte Grenzen von Neuinfektionen pro Woche unterschritten werden.

Im Gesundheitssystem handlungsfähig bleiben

In Deutschland verfügen wir über ca. 20.000 Intensivstationen. Wenn wir annehmen, dass die schweren Krankheitsverläufe in etwa 1% der Fälle vorkommen, wären wir folglich in der Lage, im Extremfall bis zu 2 Mio. (= 20.000/0,01) Neuinfektionen pro Woche zu beherrschen. Das entspricht einer Zweitinfektionsrate von 1,2 – 1,3 (s. die beiden entsprechend betitelten grünen Kurven in Abb. 3). Noch besser wäre es freilich indessen, die Anzahl der Zweitinfektionen auf 1,1 zu bringen (dunkelgrüne Kurve ganz rechts in Abb. 3; ihr Maximum ist nicht mehr dargestellt und liegt etwa in der 149. Woche mit nur noch 365.000 Neuinfektionen; s. a. Abb. 10 im Anhang).

Ohne Impfstoff müssen wir die Zweitinfektionen unterhalb von 1,3 halten, andernfalls lässt sich die Überlastung des Gesundheitssystems mit der Konsequenz vieler Todesfälle kaum vermeiden. Wenn das nicht gelingt, werden wir schon bei noch moderaten 1,5 bzw. 1,4 Zweitinfektionen im Maximum 6 Mio. bzw. 4,2 Mio. Neuinfektionen pro Woche sehen. Dies wird dann allerdings erst in der 43. bzw. der 50. Woche auftreten, so dass man immerhin hoffen kann, dass bis dahin ein Impfstoff verfügbar sein wird (s. a. Abb. 8). Mit 1,2 Zweitinfektionen würden wir die Neuinfektionen pro Woche unter dem Maximalwert von 1,3 Mio. halten können, wobei dieser Höchstwert sogar erst in 84. Woche auftreten würde.

ABER: Wirtschaft und Gesellschaft ebenfalls im Auge behalten

Ist das also die Lösung? Wohl kaum! Richtig ist: Aufgrund der Kurvenverflachung wäre die Corona-Krise für Zweitinfektionsraten von maximal 1,2 bis 1,3 am Ende vom Gesundheitssystem zu bewältigen. Das hieße aber auch, die Wirtschaft über 9 bis 12 Monate oder vielleicht sogar noch weit darüber hinaus auf Sparflamme zu fahren. Wir würden zwar überleben, aber zu welchem Preis? Letztlich ist es also keine sinnvolle Lösung, den Peak der Neuinfektionen einfach nur in die Zukunft zu schieben, wie das in den Medien und Talkrunden gerne dargestellt wird. Endscheidend ist dies: Wir müssen es schaffen, die Zweitinfektionen auf einen Wert von 1 oder darunter zu bringen. Nur so können wir Neuinfektionen aus der Phase des exponentiellen Wachstums herausbringen und die Krise letztlich für das Gesundheitssystem, die Wirtschaft UND die Gesellschaft insgesamt konstruktiv gestalten.

Dafür ist es unbedingt erforderlich, jetzt sofort und mit aller Macht wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Die Maßnahmen sind z. T. schon in Kraft gesetzt, sie müssen aber auch von allen konsequent eingehalten und nötigenfalls gar verschärft werden. Bei Erfolg werden wir schon binnen 4 bis 6 Wochen Licht am Ende des Tunnels sehen und können sukzessive zur Normalität zurückkehren.

Validierung der Lösungsstrategie

Mittels des Modells können wir diese Strategie leicht überprüfen. Derzeit befinden wir uns noch in der Phase exponentiellen Wachstums mit \(q \cdot k = 2.4 \cdots 3.3\) Zweitinfektionen und rechnen daher mit um die entsprechenden Faktoren 2,4x bis 3,3x vervielfachten Neuinfektionen von Woche zu Woche. Wir müssen dafür sorgen, dass das Produkt \(q \cdot k \) relativ schnell \(< 1\) wird.

Das erste Auftreten des Corona-Virus in Deutschalnd liegt etwa 8 Wochen zurück. Im bisherigen Verlauf hat sich das Virus mit etwa 3,3 Zweitinfektionen ausgebreitet (wir gehen in der Modellrechnung von diesem pessimistischen Wert aus). Nun unterstellen wir, dass es gelingt, mit den angekündigten und ggf. noch zu verschärfenden Maßnahmen diesen Wert nach Woche 10 auf 0,9 zu drücken (im Modell also \(q \cdot k = 0.9\)). Abb. 4 zeigt den resultierenden Verlauf der Neuinfektionen und der Gesamtanzahl der Infizierten über die Zeit.

Ziel 1: 0,9 Zweitinfektionen – nicht hinreichend

Abb. 4: Verlauf der Infektionen bei \(q =10\%\), \(k = 33\) bis Woche 10 und \(q = 10\%\), \(k =9\) ab Woche 11 (entsprechend 0,9 Zweitinfektionen pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Es dauert ein Jahr, bis die Krise komplett überstanden ist.

Der Verlauf nach Abb. 4 zeigt, wie es prinzipiell gehen kann. Die Anzahl der Neuinfektionen erreicht in der 10. Woche ihr Maximum mit ca. 46.000. Danach gibt es von Woche zu Woche etwa 10% weniger Neuinfektionen. Zum Zeitpunkt des Höchststands sind bereits knapp 70.000 Personen Einwohner infiziert. Die Gesamtanzahl der Infizierten bleibt nach der 52. Woche mit knapp 470.000 konstant. Die Dauer der Krise ist mit einem vollen Jahr aber dennoch entschieden zu lang.

Ziel 2: Dauerhaft 0,5 Zweitinfektionen – zu optimistisch

Betrachten wir ein zweites Beispiel. Wieder mit den pessimistischen 3,3 Zweitinfektionen im anfänglichen Verlauf bis zur 10. Woche. Ab Woche 10 gehen wir nun von nur noch 0,5 Zweitinfektionen aus (im Modell also \(q \cdot k = 0.5\)). Abb. 5 zeigt den resultierenden Verlauf.

Abb. 5: Verlauf der Infektionen bei \(q =10\%\), \(k = 33\) bis Woche 10 und \(q = 10\%\), \(k = 5\) ab Woche 11 (entsprechend 0,5 Zweitinfektionen pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Bereits 6 Wochen (ab Woche 16) nach Inkrafttreten der wirksamen Maßnahmen ist die Krise im Wesentlichen überstanden.

Wie im vorigen Fall erreicht auch hier die Anzahl der Neuinfektionen in der 10. Woche ihr Maximum mit ca. 46.000. Danach sinkt die Anzahl der Neuinfektionen rapide (von Woche zu Woche etwa 50% weniger Neuinfektionen). Zum Zeitpunkt des Höchststands sind wieder etwa 70.000 Personen erkrankt. Die Gesamtanzahl der Infizierten bleibt nun aber schon spätestens ab der 16. Woche nach Ausbruch der Krise und nur 6 Wochen nach Verfügen der wirksamen Maßnahmen konstant unter 120.000. Die Krise kann derart im Wesentlichen innerhalb eines Quartals entschärft werden: Für das Gesundheitssystem, die Wirtschaft UND die Gesellschaft.

Ziel 3: 0,5 Zweitinfektionen / 1 Zweitinfektion

Auch für den Fall, dass es nicht gelingt, die Zweitinfektionen dauerhaft auf 0,5 zu halten und der Wert nach Aufheben der rigiden Maßnahmen z.B. ab der 20 Woche wieder auf etwa 1 steigt, darf die Krise i. W. als überwunden gelten. Die Anzahl der Neuinfektionen pro Woche kann nach aller Voraussicht auch mit dem höheren Zweitinfektionswert noch unter 100 oder zumindest im niedrigen 3-stelligen Bereich gehalten werden. Das ist ohne weiteres beherrschbar. Die entsprechende Kurve ist in Abb. 6 dargestellt, unterscheidet sich insgesamt aber kaum von der Darstellung in Abb. 5.

Abb. 6: Verlauf der Infektionen mit \(q = 10\%\), \(k = 33\) bis Woche 10 und \(q =10\%\), \(k = 5\) ab Woche 11 (entsprechend 0,5 Zweitinfektionen pro Erkranktem) sowie \(q = 10\%\), \(k = 10\) ab Woche 20 (entsprechend 1 Zweitinfektion pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Die Anzahl der Neuinfektionen halbiert sich nach Woche 10 im Wochenrhythmus bis zur 20. Woche. Danach bleibt die Rate in etwa konstant bei bis zu einigen 100 oder darunter. Der genaue Wert hängt davon ab, wie lange und konsequent die rigiden Maßnahmen beibehalten werden. Und auch davon, wie die Zweitinfektionen pro Erkranktem in der Phase danach tatsächlich liegen. Auf jeden Fall müssen sie \(\le 1\) bleiben. Der Gesamtverlauf ist im Wesentlichen derselbe wie im Falle von Abb. 5 (man beachte die unterschiedliche Skalierung der rechten Achse).

Schluss und Ausblick

Die unbedingte Voraussetzung für das Gelingen ist:

  • Die Zweitinfektionsrate (im Modell das Produkt \(q \cdot k\)) muss dauerhaft auf Werte \(\le 1\) gedrückt werden. Dazu müssen entweder die Kontaktzahlen auf niedrigerem Niveau als bisher allgemein üblich gehalten und/oder das individuelle Ansteckungsrisiko durch dauerhaft hohe Hygienestandards („sozialverträgliches“ Husten, häufiges Händewaschen, auf Händeschütteln verzichten etc.) deutlich reduziert werden.

Sofern wir das entsprechend umsetzen und uns alle daran halten, ist sichergestellt, dass es nicht wieder zu einem exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen und damit zu neuen Ausbreitungswellen kommt. Das ist erforderlich bis zur Zulassung und allgemeinen Verfügbarkeit eines Impfstoffs. Erst danach können wir wieder in „alte Verhaltensmuster“ zurückfallen. Wobei die Einhaltung höherer Hygienestandards auch nach der Überwindung der Krise nicht von Nachteil sein wird.

Entscheidend ist: Zunächst müssen wir die akut anstehenden drastischen Verhaltensregeln konsequent einhalten und die Einschränkungen geduldig hinnehmen. Dabei wird die Wirtschaft kurzfristig leiden, aber schon nach Überwindung des jetzt noch vor uns liegenden hohen Anstiegs an Neuinfektionen wird in 4 bis 6 Wochen ein durchaus normales Wirtschaftsleben mit einigen kleineren Einschränkungen wieder möglich sein. Die Alternative einer halbherzigen Umsetzung wäre ein dauerhaftes Stagnieren der Wirtschaft, weil immer wieder neue Ansteckungswellen drohen.


Anhang

Im Folgenden sind die Verläufe der Neuinfektionen und der Gesamtanzahl der Infizierten bei Zweitinfektionsraten von 2, 1,5, 1,2, und 1,1 dargestellt. Solche Verläufe sind kritisch und weisen auch bei kleinen Zweitinfektionsraten \(> 1\) einen exponentiellen Anstieg der Infektionszahlen auf. Werte von 1,1 oder 1,2 können allenfalls dabei helfen, Zeit zu gewinnen bis zur Zulassung eines Impfstoffs. Richtig ist dabei: Der Peak der Neuinfektionen wird weit in die Zukunft hinausgeschoben und abgeflacht (1 – 3 Jahre). Das hilft indes nur dem Gesundheitssystem, würde aber trotzdem erhebliche wirtschaftliche und soziale Einschränkungen nach sich ziehen. Bei längerer Dauer von nur halbherzigen Maßnahmen ist zu befürchten, dass bis dahin die Wirtschaft einen totalen Zusammenbruch erleidet. Deswegen führt an den oben skizzierten drastischen Maßnahmen kein Weg vorbei. Alles andere wäre wirtschaftlicher Selbstmord.

2 Zweitinfektionen

Abb. 7: Verlauf der Infektionen bei \(q = 10\%\), \(k = 20\) (entsprechend 2 Zweitinfektionen pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Die Anzahl der Neuinfektionen erreicht in der 26. Woche ihr Maximum mit ca. 15,5 Mio. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits 42 Mio. Einwohner infiziert. Die Gesamtanzahl der Infizierten bleibt nach der 32. Woche mit knapp 72 Mio. konstant. Am Ende bleiben nur 11 Mio. verschont.

1,5 Zweitinfektionen

Abb. 8: Verlauf der Infektionen bei \(q = 10\%\), \(k = 15\) (entsprechend 1,5 Zweitinfektionen pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Die Anzahl der Neuinfektionen erreicht in der 22. Woche ihren Höchststand mit ca. 6 Mio. Dann sind bereits 28 Mio. Einwohner infiziert. Die Gesamtanzahl der Infizierten bleibt nach der 52. Woche mit ca. 51 Mio. konstant (61,5% der Bevölkerung). Am Ende bleiben 32 Mio. Einwohner verschont.

1,2 Zweitinfektionen

Abb. 9: Verlauf der Infektionen bei \(q = 10\%\), \(k = 12\) (entsprechend 1,2 Zweitinfektionen pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Die Anzahl der Neuinfektionen erreicht in der 85. Woche ihr Maximum mit ca. 1,3 Mio. Bis dahin haben sich insgesamt ca. 14 Mio. Einwohner infiziert. Die Gesamtanzahl der Infizierten ändert sich nach zwei Jahren (ab der 104. Woche) kaum noch und verharrt bei ca. 27 Mio. (33% der Bevölkerung). Am Ende bleiben in diesem Fall 56 Mio. Einwohner verschont.

1,1 Zweitinfektionen

Abb. 10: Verlauf der Infektionen bei \(q = 10\%\), \(k = 11\) (entsprechend 1,1 Zweitinfektionen pro Erkranktem). Gesamtanzahl der Infizierten (blau) auf der linken Achse, Neuinfektionen (rot) auf der rechten Achse. Die Anzahl der Neuinfektionen erreicht in der 149. Woche ihren Höchststand mit ca. 365.000. Bis dahin haben sich insgesamt ca. 7,5 Mio. Einwohner infiziert. Die Gesamtanzahl der Infizierten ändert sich nach 4 Jahren (ab der 200. Woche) kaum noch und verharrt bei ca. 15 Mio. (18% der Bevölkerung). Am Ende bleiben in diesem Fall 68 Mio. Einwohner verschont.

Die schreckliche Tat von Hanau

Nach allen Informationen die schon jetzt für jedermann zugänglich sind, ist es ziemlich offenkundig, dass der Täter von Hanau an einer besonders extremen Form von krankhaftem Verfolgungswahn litt. Seine Paranoia musste sich früher oder später Bahn brechen. Es ist kaum erklärlich, wie seine schwere Psychose im Vorfeld dauerhaft unerkannt bzw. unbehandelt bleiben konnte. Verfolgungswahn ist indessen kein politisches Statement.

Ein Dokument des Wahns

Dazu exemplarisch der folgende Ausschnitt aus seinem Manifest mit der Überschrift „Einklinken in das Gehirn„:

„Wie bereits erwähnt, habe ich während des Sommers 2001 an verschiedenen Tagen in meiner Wohnung mit dem Geheimdienst gesprochen. Unter anderem bat ich, dass ich in Kenntnis der neusten geheimdienstlichen Methoden komme.

Diesem Wunsch sind sie nachgekommen, indem ich die Möglichkeit des „einklinken in das Gehirn eines anderen“ per Traum illustriert bekommen habe.

In diesem „Traum“ sah ich meinem Vater mit einem Telefon am Ohr die Treppe in unserem Haus herunterkommen, während ich unten stand.

Kurz darauf sah ich eine „Frau“, welche ebenfalls ein Telefon an Ihr Ohr hielt und zu mir zugewandt sprach, „dass geht noch viel krasser“.

Sie verdeutliche mir somit, dass sie somit beeinflussen konnte, dass mein Vater mit mir anfing zu sprechen und auch die Inhalte bzw. die Stimmungslage meines Vaters beeinflussen konnte.

Anmerkung: Um Missverständnisse vorzubeugen, nach meinem jetzigen Kenntnisstand geht die Manipulation auch ohne ein physisches Telefon – das Telefon ist also als Methapher zu verstehen.“

Soweit der Auszug aus dem Manifest des Attentäters von Hanau, Tobias R.

So geht es weiter über insgesamt 24 Seiten. Darunter finden sich auch Abschnitte über Hollywood-Filme, zu denen der Täter unfreiwillig die Inspiration gegeben haben will. Auch die Kriege in Afghanistan und im Irak will er durch seine Gedanken ausgelöst haben. Der bis ins Absurde gesteigerte Verfolgungs- und Größenwahn dieses Menschen nimmt mit jedem weiteren Satz groteskere Züge an. Es wird förmlich greifbar, dass hier ein zutiefst psychotischer Mensch jeden Realitätsbezug verloren hat.

Die Erlösung der Menschheit als Fernziel

In den breit dargelegten Wahnvorstellungen kommt sein krudes rassistisches Weltbild eher beiläufig zur Sprache. Er will ganze Völker vernichten, hauptsächlich deswegen, weil er meint, sie würden den technischen Fortschritt verlangsamen. Im Ergebnis dauere es deswegen länger, bis die Menschheit die wissenschaftliche und technische Fähigkeit zu endgültigen „Lösung des Rätsels“ erreicht habe. Dabei meint er die Frage, „Wie kann ein Universum entstehen, was hat es damit auf sich, wie kann Leben generell entstehen, wie konnte der Mensch entstehen, wo führt das alles hin?„.

Sein finaler Plan war aber dieser: Er will in der Zeit zurückreisen und die Erde zerstören, bevor sich das Leben und damit auch die Menschheit auf ihr entwickeln konnte. Millionenfaches Leid könne so quasi ungeschehen gemacht werden. – Das muss man nicht mehr kommentieren.

Das Ganze ist so verworren und durchsetzt von Verschwörungstheorien und wahnhaften Vorstellungen bis hin zur denkbar krassesten Form von Verfolgungswahn, dass jeder halbwegs vernünftige Leser nur zu einem Schluss kommen kann: Dieser Mensch ist hochgradig paranoid und potentiell höchst gefährlich. Die Motivation für seine Tat ist nicht politischer Natur. Verfolgungswahn ist kein politisches Statement. Es handelt sich um einen geisteskranken, um einen extrem psychotischen Täter. Um dies zu erkennen braucht man noch nicht einmal einen Psychiater oder Neurologen. Indes kommen die Fachleute zum selben Ergebnis (s. Offener Brief an den Generalbundesanwalt Dr. Peter Frank zum Attentat von Hanau).

Einen rechtsradikalen oder rechtsextremistischen Hintergrund kann man in diesem Bekennerschreiben schwerlich ausmachen. Es scheint fast so, als hätte er in seinem Wahn genauso gut Braunkohlekraftwerke als Hemmschuh des Fortschritts ausmachen können. Etwa mit der Konsequenz, man müsse sie zerstören. Das wäre natürlich ungleich schwerer zu bewerkstelligen gewesen. Würde man in diesem Fall z.B. Klimaaktivisten oder einschlägige Parteien als die geistigen Väter und Anstifter zur Tat gebrandmarkt haben? Das wäre ebenso abstrus wie die jetzige Verortung als rechtsextremistische Tat.

Die mörderische Tat eines Geisteskranken

Nach dem Vorstehenden ist es gar zu billig und inhaltlich absolut verfehlt, diese ungeheuerliche Tat simplifizierend als Beleg für einen möglicherweise erstarkenden Rechtsextremismus zu nehmen. Das geht am Kern des Problems und der grauenvollen Tatausführung vollkommen vorbei. Auch wenn die Diskussion trefflich in die Zeitläufte und das Narrativ von der rechten Gefahr passt, die Faktenlage ist eine andere.

Das muss man deswegen so deutlich sagen, weil die irrige Analyse unweigerlich die falsche Lösung nach sich ziehen wird. Gegen Psychopaten und Verfolgungswahn helfen weder Gesetze noch gutes Zureden. Glaubt denn jemand ernsthaft, man könne durch politische Bildung psychotische Krankheitsbilder weniger wahrscheinlich machen und damit solche Taten verhindern? Staatsbürgerkunde gegen Verfolgungswahn? Natürlich nicht. Niemand käme auf die Idee, einen Vulkanausbruch mit Sandsäcken ersticken zu wollen. Die Faktenlage wird bewusst ignoriert, weil man die Tat im politischen Kampf wunderbar instrumentalisieren kann. Quer durch nahezu alle Medien wird genau dies nun getan.

Der Terrorakt dieses schwer gestörten Menschen, der zur Tatzeit mit großer Wahrscheinlichkeit an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt war, soll offenbar dazu benutzt werden, eine bestimmte  Partei der geistigen Urheberschaft zu bezichtigen und sie weiter auszugrenzen. Mit ihr auch diejenigen, die dieser Partei die Stimme gegeben haben oder beabsichtigen, dies zu tun. Damit betreibt man das Werk der Spalter und sorgt gewiss nicht für die Befriedung der Gesellschaft.

Fragen und bittere Erkenntnisse

Was will man damit erreichen? Ablenken davon, dass der Täter mehrfach bei der Polizei vorstellig geworden war und dort einen ziemlich „gestörten“ Eindruck hinterlassen hat? Es war den Behörden bekannt, dass Tobias R. als Sportschütze Zugang zu Waffen hatte. Die Behörden haben es nicht für nötig gehalten, seinen wirren Anzeigen nachzugehen und ggf. seine Waffenbesitzkarte einzuziehen. Verfolgungswahn scheint kein Ausschlusskriterium für die Eignung zum Tragen einer Waffe zu sein. Zudem lagen dem Generalbundesanwalt schon seit November 2019 Teile des Bekennerschreibens vor. Was wurde unternommen? Offenbar nichts! Hier muss man nachhaken.

Über das Leid der unschuldigen Opfer und ihrer Angehörigen hinaus ist das wirklich Verstörende an diesem abscheulichen Terrorakt, die wieder einmal auf entsetzliche Weise bestätigte Erkenntnis, dass der Staat einer seiner wichtigsten Aufgaben, die Bürger – gleich welcher Herkunft – zu schützen, nur unzureichend nachkommt. Wie viele der aktiven, überwiegend linksorientierten gesellschaftlichen Gruppen, beschäftigen sich offenbar auch die Behörden lieber mit vordergründigen Fragen der politischen Korrektheit und der richtigen Haltung gegen vorgebliche Feinde der Demokratie.

Wir sind auf dem bestem Wege, die zentrale zivilisatorische Botschaft der Aufklärung in die Tonne zu treten. „Habe den Mut, dich deines Verstandes zu bedienen“, so Kant. Wenig ist davon übrig geblieben. Heute geht es nurmehr um Symbole und die richtige Haltung, nicht um den Gebrauch des Verstandes. Politik und Medien reagieren reflexhaft ohne auch nur für einen Moment innezuhalten und kritisch zu hinterfragen. Die Analyse lag zeitgleich mit der Tat auf dem Tisch. Willfährig lassen sich die Menschen instrumentalisieren. Sie ziehen auf die Straße und werfen mit Steinen auf die vermeintlichen Urheber – immerhin, noch beschränken sie sich auf verbale Angriffe. Hexenverfolgung im 21. Jahrhundert. Willkommen zurück im Mittelalter!

Nachtrag vom 31.03.2020

Das BKA sieht beim Hanau-Täter kein rechtes Motiv, so melden laut NTV jedenfalls WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung. – Nun ja, es ist wohl schon zu spät, die vorgefasste und bereits weit in Politik und Gesellschaft hinein verbreitete Meinung von der rechtsextremistischen Tat zu korrigieren. Ähnlich wie bei den sogenannten Hetzjagden von Chemnitz, die es nach Meinung der seriösen Neuen Zürcher Zeitung gleichfalls nicht gegeben hat (s. Chemnitz und die Jagd, die keine war, Affentheater um nichtssagendes Chemnitz-Video), wird auch hier das einmal getroffene Urteil nicht nachträglich richtiggestellt werden. Es fügt sich ja auch wunderbar in die politische Agenda von der neuen rechten Gefahr.

Ja, definitiv, man muss Rechtsextremisten mit aller Entschiedenheit entgegentreten. Diese richtige Haltung darf aber in der politischen Auseinandersetzung nicht dazu führen, dass konservative Meinungen von Linkspopulisten einfach pauschal als rechtsradikal oder gar extremistisch stigmatisiert werden.

Angesichts des überwiegend von Linken geprägten allgemeinen politischen Klimas, wage ich die Vorhersage, dass der oben zitierte Bericht des BKA auf Weisung von höheren Regierungsstellen schon in kurzer Zeit einkassiert und stark relativiert wieder herausgegeben wird. In der Neuauflage wird dann nicht mehr stehen, dass der Täter kein rechtsextremistisches Motiv hatte.

Geschichte ist nicht das, was geschehen ist, sondern das, was darüber berichtet wird.

Skandal in Thüringen

Viele halten die Wahl des FDP-Abgeordneten Kemmerich als Ministerpräsidenten von Thüringen für einen Skandal. Aber worin genau liegt das Skandalöse? Ist es die Unterstützung durch die AfD? Sind es also die Stimmen der AfD, das taktische Kalkül von Höcke?

Nüchtern betrachtet lag alles im Rahmen der demokratischen Wahlordnung des Thüringer Landtags. Bei allem Respekt, CDU und FDP waren dumm genug, der AfD auf den Leim zu gehen (man kann es nicht anders ausdrücken). SPD, Linke und die Grünen waren allerdings genauso stupide, unprofessionell und am Ende verantwortungslos, indem sie sich mit einer Minderheitsregierung ohne Absprachen und damit auch inhaltlichen Zusagen zur Wahl stellten.

Sind hier Demokratiefeinde am Werk?

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, offenbarten die „Sünder“ im Verein mit den Medien danach ein sehr befremdliches Demokratieverständnis. Laut Merkel war diese demokratische Wahl, namentlich die Rolle und maßgebliche Beteiligung der AfD am Zustandekommen des Wahlergebnisses, „ein unverzeihlicher Vorgang“ (SZ vom 6. Februar 2020). Wer sind nun die wirklichen Feinde der Demokratie? Ist es die AfD, der man das mit fadenscheinigen Gründen vorwirft? Oder sind es jene, die das Ergebnis einer demokratischen Wahl für undemokratisch halten? Dabei muss an dieser Stelle daran erinnert werden, dass der von Merkel vollzogene Linksruck der CDU die AfD erst möglich gemacht hat. Ohne die verfehlte Europa- und Migrationspolitik würde es die AfD nicht geben.

Das Wahlergebnis in Thüringen kann man aus vielerlei Gründen kritisieren. Deren wichtigster liegt darin, dass der Gewählte faktisch nicht den Hauch einer Chance hatte, eine handlungsfähige Regierung zu bilden und deswegen die Wahl – aus reinen Vernunftsgründen – hätte ablehnen müssen (Thüringen-FDP will Landtag auflösen). Hier reden wir indessen von einer staatspolitischen Kategorie. Mit der demokratischen Brille gesehen war es eine demokratische Wahl als Akt des Parlaments und damit folglich zunächst einmal zu akzeptieren. Völlig gleich, ob einem der Wahlausgang passt oder nicht. Jedenfalls kann sich die Kritik nicht am demokratischen Wahlverhalten einzelner Gruppen des Parlaments entzünden. Wer also nun mit Blick auf die AfD von Demokratiefeinden redet, „der nährt sich von Irrtum“, um Leonardo da Vinci zu zitieren.

Vergleiche mit dem Unvergleichlichen als Stilmittel

Gänzlich absurd ist der Vergleich mit der Machtergreifung Hitlers im Reichstag, wie er im SPIEGEL (Die heikle Parallele) konstruiert wurde. Das ist geradezu bizarr! Unhistorisch, verdreht und die Geschichte grob fahrlässig verharmlosend. Vielleicht geht’s auch eine Nummer kleiner und nüchterner. Wohl eher nicht!

Letztlich ist die Aufregung quer durch die Republik das Resultat einer parteipolitisch motivierten Dämonisierung der AfD als ernstzunehmende Konkurrenz im Kampf um Wählerstimmen, zumal im Osten.

Die Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Thüringer Landtag, Susanne Hennig-Wellsow, über Faschisten und Nazis (Markus Lanz , 2020-02-12)

Noch vor den sogenannten Altparteien sind allerdings die Medien – buchstäblich auf allen Kanälen – die maßgeblichen Treiber einer Diffamierung der AfD und ihrer Wähler (s. Medien und AfD).

Linke Demokraten

Wenn nun von der Partei Die Linke, der SPD und den Grünen gefordert wird, die CDU solle die Gleichsetzung der Linke mit der AfD aufheben und anerkennen, dass die Erstgenannte doch immerhin im Spektrum der demokratischen Parteien verankert sei, der offenbart ein ziemlich kurzes Gedächtnis. Schon vergessen? Die Linke ist die direkte Nachfolgepartei der SED. Jene Partei hat den DDR-Unrechtsstaat geführt und dabei kritische Bürger bespitzelt und bis ins Private hinein drangsaliert. Nicht wenige bei den Linken, darunter der jetzt nicht gewählte Ministerpräsidentenkandidat Bodo Ramelow, lehnen bis heute die Qualifizierung der DDR-Diktatur als Unrechtstaat ab. Trotz Schießbefehl, StasiTerror und zahllosen dokumentierten Willkür-Urteilen.

Rechte Demokraten

Von der AfD kann man Vergleichbares nicht sagen. Der Dämon, den man in ihr sehen will, ist das Resultat einer konsequenten Realitätsverweigerung. Tatsächlich hat die AfD keinerlei ideologische Berührungspunkte mit der NSDAP. Und auch die Position zu den Vernichtungslagern der Nazis ist denkbar klar. Es ist dabei ebenso perfide wie durchsichtig (aber offenbar wirkungsvoll), den 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zum Anlass für die neuerliche Stigmatisierung der AfD zu nehmen. Gerade so, als trüge sie dafür die Verantwortung.

Der stete Vorwurf, hier seien Demokratiefeinde, Faschisten oder gar Nazis am Werk, die die Demokratie abschaffen wollen, ist Ausdruck der Unfähigkeit, sich mit den Sachargumenten auseinanderzusetzen. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass Höcke in persona und einige andere in der AfD Anlaß zu ernsten Fragen geben. Vor allem bezüglich ihrer Sprache und ihrer z. T. missverständlichen und überpointierten Äußerungen.

Diese extreme Zuspitzung ist mit Sicherheit keine gute Entwicklung, sie ist indessen eine grundsätzlich nachvollziehbare Reaktion auf die anhaltend schönfärberische Realitätsverweigerung durch die Parteienlandschaft und große Teile der Medien. Die stete Problemabwiegelung im Verein mit der Stigmatisierung der AfD ist der Nährboden, der radikale Sprache fast schon unvermeidlich hervorbringt. Mit dieser geradezu extremistischen Ausgrenzung hat die AfD schon seit Luckes Zeiten zu kämpfen. Wer permanent angefaucht und mit sachfremden Argumenten bombardiert wird, der poltert irgendwann zurück, auch übers Ziel hinaus. Nichtsdestotrotz sind diese Auswüchse in der AfD Einzelstimmen. Relevant ist die große Mehrheit. Und relevant ist das Programm! So hält man es auch bei anderen Parteien.

Thüringen bringt es an den Tag

Zurück zum Vorgang in Thüringen. Meiner Meinung nach liegt der wirkliche Skandal ganz woanders. Es sind zwei Dinge:

  1. Die Selbstverständlichkeit, mit der linke Populisten und Meinungsmacher ihre ausgrenzende Auffassung von Demokratie zum verbindlichen politischen Maßstab erklären und diesen durchdrücken. Sie definieren, was demokratisch noch zulässig ist, und was nicht. Die Wahlbeteiligung der AfD liegt in ihren Augen offenbar außerhalb des demokratisch Tolerierbaren. Anders kann man die ausgelöste Entrüstung nicht mehr interpretieren. Die deutsche Demokratie wird von Linkspopulisten vereinnahmt. Sie ist bereits okkupiert. Das geht soweit, dass nun auch CDU und FDP bezüglich ihres Demokratieverständnisses am Pranger stehen. Beide gehen nun bereits im Büßergewand und geloben Besserung.
  2. Es ist die offen zutage getretene Unfähigkeit, ja Naivität der handelnden Parlamentarier einschließlich der Parteizentralen in Berlin. Jeder verständige Laie konnte im Vorfeld genau das nun eingetretene Szenario als Möglichkeit ins Kalkül ziehen. Es wäre ein Leichtes gewesen, sich dagegen zu wappnen.

Was man angesichts der visions- und planlosen (aber angeblich alternativlosen!) Politik auf nahezu allen relevanten Handlungsfeldern (Innen, Außen, Verteidigung, Sozial, Finanzen, Energie und Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft, EU), schon seit Jahren vermuten konnte, hat sich beispielhaft und eigentlich für jeden ersichtlich als Tatsache erwiesen: Offenbar werden wir von Politikern regiert, die es an Urteilskraft missen lassen. Politiker, die keine rationale Analyse zuwege bringen. Politiker, die unfähig sind, den nächsten Zug des Kontrahenten vorherzusehen und entsprechend zu handeln. Auf das Schachspiel übertragen war es ein Schäfermatt, ein fataler Anfängerfehler. Kann man solchen Dilettanten zutrauen, dass sie die Interessen des Landes und seiner Bürger in der EU und darüber hinaus angemessen vertreten? Im konkreten Fall hat sich die AfD jedenfalls intelligenter präsentiert.

Den tieferen Grund für dieses Versagen findet man anderweitig. Es ist die seit etlichen Jahren zu beobachtenden Verschiebung der politischen Prämissen quer durch fast alle Parteien. Der Primat der Politik heißt heute nicht mehr Realitätssinn und Vernunft, sondern Haltung und Werte. Musste Bertolt Brecht noch dichten „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“, gilt heute quasi die Umkehrung: „Erst kommt die Moral, dann das Fressen“. Freilich ist es nicht Moral, sondern Schein- und Doppelmoral als probates Mittel im Machtspiel.

Vernunft ist alternativlos

Eigentlich unnötig zu sagen: Es ist ein Irrweg! Die Rolle Deutschlands in der Welt und das Überleben der Menschheit insgesamt hängt ab vom Gebrauch des Verstandes der handelnden Personen. Stattdessen verzehrt man sich mit beinahe religiösem Eifer bis zum Exzess am Dogma der vermeintlichen politischen Korrektheit. Man empört sich über Formalien, anstatt die politische Energie auf die Inhalte und das konstruktive Gestalten zu legen.

Indes verzeihen die in der realen Welt wirkenden Kräfte das Ignorieren der Wirklichkeit auf Dauer nicht. Solche Ignoranz bringt ihre Vertreter eher früher als später in das himmlische Paradies der (scheinbaren) moralischen Überlegenheit. Die notwendige Folge dieser weltfremden Haltung ist die zunehmende Distanz zwischen Politikern und Wählern. Wir erleben das daraus resultierende praktische Versagen auf einigen zentralen Politikfeldern schon seit Jahren. Gegenüber den Staatsbürgern und Wählern ist dies verantwortungslos und damit letztlich auch gewissenlos.

Verantwortungsvolle Politik muss zuvorderst auf Realitätsnähe und rationaler Überlegung fußen. Dazu gibt es tatsächlich keine Alternative.

Gutes Klima – Globale Erwärmung, CO2 und der ganze Rest (1)

Teil 1: Von der Eiszeit in die Heißzeit?

Was ist Klima? Gibt es die globale Erwärmung und den Klimawandel? Steuern wir auf die „Heißzeit“ zu? War es früher kalt und damit besser?

Zu den Inhalten der Teile 2 und 3 siehe Ende des Textes.

Klima und Wetter

Was ist Klima? Klima ist das über einen längeren Zeitraum von mindestens 30 Jahren statistisch gemittelte Wettergeschehen für einen Ort oder ein geographisch definiertes Gebiet. Bezüglich der beobachteten Phänomene sind dabei insbesondere die Mittelwerte aber auch die Schwankungsbreiten von vorrangigem Interesse. Unter anderem sind das z.B. die mittlere Temperatur sowie die typischen Maxima und Minima im jahreszeitlichen Temperaturverlauf. Aber natürlich auch andere Phänomene wie durchschnittliche Niederschlagsmenge, Sonneneinstrahlung und Wolkenbildung, Häufigkeit von Stürmen usw. (s. a. https://de.wikipedia.org/wiki/Klima).

Klima und Wetter sind zwei verschiedene Dinge. Im Grundsatz weiß das jeder. Nichtsdestotrotz wird es aber auch in der medialen Diskussion immer wieder durcheinandergebracht. Erleben wir einen heißen Sommer, so wird das als ein Effekt des Klimawandels gesehen und am Ende kurzerhand damit gleichgesetzt. In Wahrheit ist es aber Wettergeschehen, auch wenn es im Einzelfall perfekt in das Narrativ vom Klimawandel passt. Damit soll nicht gesagt werden, den Klimawandel gebe es nicht. Die Unterscheidung muss man aber dennoch treffen.

Der wichtigste Klimaindikator

In der öffentlichen Diskussion zum Klimawandel steht insbesondere die Durchschnittstemperatur eines Jahres im Fokus: in Deutschland, in Europa, in der Arktis oder gar global. Die globale Durchschnittstemperatur und deren Veränderung im Vergleich zur vorindustriellen Zeit gelten dabei als zentrale Indikatoren für den beobachteten Klimawandel. So wird z.B. im UN-Klimaabkommen von Paris ganz klar das Ziel benannt, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad verglichen mit der vorindustriellen Zeit zu begrenzen. Oft wird das als „2 Grad Ziel“ oder schärfer auch als „1,5 Grad Ziel“ zitiert.

Klärung der Begriffe

Im Sinne einer Klärung der Begriffe sollte man sich dabei durchaus nochmal vor Augen führen, dass es „das Klima“ nicht gibt; auch nicht „den Klimawandel“. Die Begriffe beziehen sich ihrem Wesen nach immer auf ein geographisches Gebiet (oder einen Ort) mit einem im weitesten Sinne einheitlichen oder zumindest vergleichbaren mittleren Wettergeschehen. Es existiert kein globales Klima im strengen Sinne. Gleichwohl kann man die Gesamtheit der unterscheidbaren Klimate rund um den Globus in gewisser Weise als „das globale Klima“ auffassen, obwohl damit der meteorologische Klimabegriff arg strapaziert wird. Veränderungen dieses solchermaßen unscharf definierten „globalen Klimas“ darf man sodann als „globalen Klimawandel“ verstehen. Man sieht, dass man sich damit aufs Glatteis begibt, denn Veränderungen irgendwo auf der Welt gibt es immer.

Einfacher wird’s, wenn man einzelne Aspekte herausgreift, am besten solche, die man – vermeintlich –  relativ leicht messen kann, womit wir wieder bei der globalen Durchschnittstemperatur  gelandet sind. Es ist ein denkbar einfacher Begriff, den jedermann versteht und den man deswegen auch gut transportieren kann. Tatsächlich  ist es indes gar nicht so trivial, die globale Durchschnittstemperatur  verlässlich zu bestimmen.

Was ist relevant?

Im Hinblick auf die einleitenden Bemerkungen muss man sich dabei auch klarmachen, dass die globale Durchschnittstemperatur eines bestimmten Jahres zunächst nur ein Messwert in einer Datenreihe darstellt. Das ist keine unmittelbar klimarelevante Größe. Erst durch die Mittelwertbildung über eine Vielzahl von aufeinanderfolgenden Jahren entsteht ein Vergleichswert für die Beurteilung des Klimas. Deswegen ist eine Aussage wie „2019 war es im Mittel 0,9 Grad wärmer als 1850“ zwar interessant, sie sagt aber für sich genommen noch wenig über eine Klimaveränderung aus.

Wenn aber die Durchschnittstemperatur in größeren Zeiträumen (wie oben also etwa 30 Jahre) höher ist als in entsprechenden klimarelevanten Vergleichszeiträumen, dann müssen wir das ernsthaft als Indiz für eine Klimaveränderung registrieren. Das verlinkte Beispiel (s. Abb. 1, Statista Infografik: In Deutschland wird es immer heißer), gehört indessen eher zur oben genannten Kategorie: interessant, aber nicht relevant; allenfalls ein Indiz.

Abb. 1: Jahresmitteltemperaturen in Deutschland (1960 – 2019). ©Statista

In diesem Zusammenhang soll nun zunächst auf zwei wichtige Punkte eingegangen werden. 1. Gibt es so etwas wie eine globale Durchschnittstemperatur und wie misst man sie? 2. Welches ist der angemessene Vergleichszeitraum für die Bestimmung einer globalen Veränderung des Klimas, konkret also die mittlere globale Erwärmung.

Die globale Durchschnittstemperatur

Die Angabe einer globalen Durchschnittstemperatur wurde schon verschiedentlich kritisiert (populär z. B. vom Magazin Quarks). Es ist in der Tat schwierig, wenn nicht unmöglich, dafür einen seriösen Wert zu bestimmen. Eigentlich bräuchte man ein dichtes Netz von gleichmäßig verteilten Messstellen rund um den Globus. Das gibt es nicht. In den meist dicht besiedelten entwickelten Ländern haben wir sehr viele Wetterstationen. In vielen anderen Weltgegenden wird die jeweilige Temperatur aber nur von sporadisch verteilten Messstellen erfasst oder nur indirekt mittels Satellitenbeobachtung bestimmt (s. Abb. 2 [exemplarisch]). Dadurch entstehen Ungenauigkeiten, die geeignet sind, das Gesamtbild zu verzerren.

Abb. 2: Verteilung von Wetterstationen. Links: Europa, Grönland und Nordafrika. Rechts: Ostasien. Quelle: Wetterdienst.de.

Nun könnte man sagen, gleichviel, ob nun die aktuell in 2019 bestimmte absolute globale Jahresmitteltemperatur bei 14,7, 15,1 oder 15,5 Grad lag. Wichtig ist doch allein die Beobachtung der Veränderung zum Vorjahr bzw. zum Vergleichszeitraum. Das ist nur zum Teil richtig, denn es unterstellt, dass die beobachtete Veränderung an den Messstationen sich in gleicher Weise auch dort manifestiert, wo nicht gemessen wird. Das gilt umso mehr, wenn die heutigen Werte mit weiter zurückliegenden historischen Zeiträumen ohne direkte instrumentenbasierte Temperaturmessung verglichen werden.

Instrumentell bestimmte Temperaturdaten gibt es seit dem 18. Jahrhundert und auch das im Wesentlichen beschränkt auf Europa. Der Vergleich der heute mit hoher Genauigkeit gemessenen Werte mit den meist nur indirekt bestimmten historischen Temperaturen ist daher schwierig und mit bemerkenswerten Unsicherheiten behaftet. Die auf Basis von diversen Modellen bestimmten völlig unterschiedlichen historischen Temperaturverläufe machen dies offenkundig (s. Abb. 4 weiter unten).

Vergleichen … aber womit?

Hier ist das Stichwort Vergleichszeitraum  gefallen. Womit vergleicht man? Welches ist denn überhaupt der vernünftige klimarelevante Vergleichszeitraum. Ist es das Klima um 1850 (also das „mittlere Wetter“ bzw. der Durchschnittswert der globalen Jahresmitteltemperatur zwischen 1820 und 1850, oftmals als „vorindustrieller Vergleichszeitraum“ zitiert? Ja, das ist eine Möglichkeit. So wird es ja auch vom IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) und auf den diversen UN-Klimakonferenzen gemacht. Man kann natürlich auch einen anderen Vergleichszeitraum zugrunde legen. Dieser sollte sinnvollerweise vor dem Beginn des Industriezeitalters liegen, weil man ja den eventuellen anthropogenen Effekt bestimmen möchte.

Die Mitte des 19. Jahrhunderts ist eine zulässige und nicht unvernünftige Wahl, sie ist aber nicht die einzig mögliche. Wenn man weiter zurückblickt, dann sieht man, dass im 19. Jahrhundert die mittleren Temperaturen eher etwas niedriger waren als in etlichen anderen Vergleichszeiträumen. Es gibt daher durchaus gute Gründe dafür, andere historische Zeiträume als Referenz für das „normale“ Klima zu nehmen. Wobei es ein „normales“ Klima im engeren Sinne überhaupt nicht gibt. Dazu später mehr.

Der historische Temperaturverlauf …

Klimaforscher haben mittlerweile ein passables Bild von der Temperaturentwicklung der letzten 1000 bis 2000 Jahre erarbeitet. Noch weiter zurück bis zur letzten Eiszeitperiode, die ca. um 10000 bis 8000 v. Chr. endete, ergibt sich etwa der in Abb. 3 dargestellte Verlauf der mittleren bodennahen Temperaturen auf der Nordhemisphäre.

Abb. 3: Ungefährer Temperaturverlauf von 9000 v. Chr. bis 2000 n. Chr.

… oder „die“ historischen Temperaturverläufe

Aufgrund der oben skizzierten Schwierigkeiten ist die Darstellung mit Unsicherheiten behaftet. Die von verschiedenen Forschern rekonstruierten Temperaturverläufe sind nicht deckungsgleich und widersprechen sich teilweise, wie wir bald sehen werden.

Auf die in Abb. 4 exemplarisch dargestellte Unschärfe wurde schon oben hingewiesen. Es sind die Verläufe der Durchschnittstemperaturen  zwischen den Jahren 700 und 2000 nach verschiedenen Rechenmodellen aufgetragen. Man sieht die relativ großen Abweichungen zwischen den diversen Modellen (s. Legende) und die daraus resultierenden Ungenauigkeiten. Die Streubreite liegt teilweise bei bis zu ±0,5 Grad.

Es fällt auch auf, dass die Temperaturkurven häufig relativ steile Gradienten aufweisen, also schnelle Änderungen der Temperaturen in relativ kurzen Zeiträumen. Ob dies Fakt ist oder auf möglicherweise falsche Modellannahmen zurückzuführen ist, kann nicht entschieden werden. In diesem Sinne ist daher auch Abb. 3 eher als eine Annäherung an die tatsächlichen historischen Bedingungen zu verstehen. Insbesondere dürfen weder der genaue Kurvenverlauf noch die absoluten Abweichungen von der mittleren Temperatur als exakte Werte genommen werden. Es sind aber immerhin plausibel begründete Abschätzungen.

Abb. 4: Ungefährer Temperaturverlauf von 700 bis zum Jahr 2000 n. Chr.

Andere Rechenmodelle kommen teilweise wieder zu völlig unterschiedlichen Verläufen (s. Abb. 5 und 6).

Abb. 5: Modellmäßig rekonstruierte Temperaturverläufe über den Zeitraum 1000 bis 2000 n. Chr.

Abb. 6: Globale Temperaturveränderungen in den letzten 2000 Jahren.

Aktuelle Messdaten vs. Historie

Zwischen den diversen Rechenmodellen gibt es immerhin einige bemerkenswerte Gemeinsamkeiten: (a) Vom Spätmittelalter (1400) bis zum Beginn der Industrialisierung (1850) waren die Durchschnittstemperaturen eher geringer als im langfristigen Mittel; dies kann man allen vier Abbildungen entnehmen („kleine Eiszeit“). (b) Im Hochmittelalter (850 – 1150) und um die Zeitenwende (Zeitalter des Römisches Reichs) lagen die mittleren Temperaturen eher höher als im langfristigen Mittel und in etwa knapp unter dem heutigen Niveau.

Bezüglich des Mittelalters kann man diesen Effekt in zwei der Abbildungen (Abb. 4 und 5) erkennen. Dazu nochmals der Hinweis: Es handelt sich um modellierte Temperaturwerte auf der Basis von indirekt bestimmten Messdaten, i. W. aus der Analyse von Baumringen oder Bohrkernen. Sie sind daher mit höheren Unsicherheiten behaftet. Man darf diese Befunde nicht überinterpretieren. Deswegen werden die Resultate hier nur qualitativ in der Weise verwendet, wie sie sich in der Farbgebung (warm: rot, kalt: blau) von Abb. 3 und der oben vorgenommenen Unterteilung in die Kalt- und Warmphasen (a) und (b) widerspiegeln.

Man sieht, dass der üblicherweise vorgenommene Vergleich der heutigen Durchschnitts­temperaturen mit den Werten um 1850 die derzeit beobachtete globale Erwärmung in gewisser Weise verzerrt und im Ergebnis überhöht darstellt. Damit ist nicht gesagt, dass es diese globale Erwärmung nicht gibt. Es kann ihr aber bei vernünftigem Ermessen in der längerfristigen Betrachtung nicht dieser singuläre und bei manchen Zeitgenossen Alarmismus auslösende Charakter beigemessen werden. Verglichen mit der mittelalterlichen und der römischen Warmzeit liegen wir heute bei aller Unsicherheit nur knapp darüber. Weiter zurück muss man auch die bemerkenswerten längeren Wärmeperioden um 5000 v. Chr. und um 2300 v. Chr. ins Auge fassen (s. Abb. 3).

Rascher Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur

In den Abb. 4, 5 und 6 sticht der instrumentell gemessene Anstieg seit etwa 1900 ins Auge.  Verglichen mit den historischen Kurvenverläufen fällt dabei die schwarze Linie bezüglich ihres steilen Gradienten aus dem Rahmen. Der Verlauf spiegelt das rechte Ende der berühmten Hockeystick-Kurve wider, die in ihrem suggestiv vereinfachten Gesamtverlauf indessen mittlerweile allgemein als nicht länger haltbar erkannt wurde. Der dargestellte Kurvenanteil ab 1850 ist nichtsdestotrotz als unverändert gültig zu betrachten. – Wird damit die globale Erwärmung in hinreichender Weise bereits schlüssig untermauert und ihre Einzigartigkeit belegt?

Ist das der Beweis für den Klimawandel?

Völlig unzweifelhaft belegt dieser gemessene Anstieg – wichtig: gemessen, nicht modelliert – trotz der oben bezüglich der Messmethoden vorgebrachten Kritik die globale Erwärmung in hinreichender Weise. Die Erwärmung an sich (verglichen mit 1850) ist daher eine unbestreitbare Tatsache. Bezüglich der genauen Höhe des globalen Anstiegs bleiben indes Fragezeichen und ernstzunehmende Unsicherheiten. Wie schon oben erwähnt, ist es dabei durchaus fragwürdig, inwiefern die Angabe einer globalen Durchschnittstemperatur überhaupt zielführend ist.

Sicher ist: In den gut untersuchten Regionen zeigen sich überwiegend ähnliche Tendenzen in Richtung eines Anstiegs der mittleren Temperaturen. Die klimatische Veränderung ist also nicht auf einzelne geographische Bereiche (z. B. Europa) beschränkt, wie das in der Vergangenheit öfters der Fall war. – Dies ist ein valides, ein starkes Indiz für den globalen Klimawandel. Indessen kann das derzeit erreichte globale Temperaturniveau im längerfristigen historischen Vergleich erkennbar nicht als Extremabweichung nach oben angesehen werden (dazu mehr weiter unten). Dies ist erst dann der Fall, wenn es zu einem weiteren signifikanten Anstieg kommt.

Nach dem Vorstehenden verbleibt als das wichtigste Indiz für eine menschengemachte globale Erwärmung der durch konkrete Messwerte belegte rapide Anstieg der Durchschnittstemperaturen seit 1850 oder 1900 im Gleichschritt mit der Industrialisierung und der damit einhergegangenen Emission von CO2. Oder ist das doch ein Kurzschluss?

Zumindest muss man auch dies relativieren, weil wir eben über keine weiter zurückliegenden konkreten Messwerte in der erforderlichen hohen zeitlichen Dichte und Qualität und damit valide Vergleichskurven für gleiche geographische Gebiete verfügen. Wir können daher nicht ausschließen, dass z.B. 850 n. Chr., 200 v. Chr. oder 2900 v. Chr. in den relevanten Gebieten der Temperaturanstieg in Richtung der darauffolgenden Wärmeperioden ähnlich schnell verlaufen ist.

Das ist keine Haarspalterei! Darauf hinzuweisen ist vielmehr ein Gebot der kritischen Vernunft. Der Sache nach wird durch den beobachteten Temperaturanstieg im näherungsweisen Gleichklang mit der CO2-Emission seit 1850/1900 zunächst eben nur eine Korrelation nachgewiesen, keine Kausalität. Wobei Letzteres hier nicht ausgeschlossen werden soll, weil es auch dafür gute Gründe gibt. Mehr dazu in Teil 2.

Belegen die Schäden durch extreme Wetterereignisse den Klimawandel?

Natürlich gibt es neben dem Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur noch weitere Indikatoren für den Klimawandel. Zuvorderst zu nennen sind hier die immer höheren Schäden durch extreme Wetterphänomene. – Definitiv, die Schadensummen aufgrund von extremen Wetterereignissen (Stürme, Hurrikane, Trockenheit, Niederschläge und Überschwemmungen) sind in den letzten Jahrzehnten stark angewachsen. Doch ist dies wirklich auf eine entsprechende Zunahme solcher Extremereignisse zurückzuführen?

Die Wetterstatistik lässt daran zweifeln. Der Grund dafür liegt eher im enormen Anstieg der Besiedelungsdichte aufgrund des extremen Wachstums der Weltbevölkerung in den letzten Jahrhunderten (s. Abb. 7). Im Zuge des damit einher gegangenen zivilisatorischen Aufbaus wurden enorme Werte geschaffen, deren fallweiser Verlust nun gleichfalls auch die potentiellen Schäden in die Höhe schnellen lässt.

Abb. 7: Wachstum der Weltbevölkerung von 10000 v.Chr. bis zum Jahr 2100 (geschätzt).

Um ein drastisches Beispiel dafür zu nennen: Durch den Hurrikan Katrina kamen im Jahr 2005 in New Orleans (damals knapp 500.000 Einwohner) und im Südosten der USA mehr als 1800 Menschen ums Leben. Die Schadensumme wird auf über 100 Milliarden Dollar geschätzt. Noch 100 Jahre zuvor hatte New Orleans nur halb so viel Einwohner. Wie hoch wären die Zahl der Opfer und die Schadenshöhe durch einen Hurrikan ähnlicher Stärke wie Katrina wohl gewesen? – Die Vermutung liegt nahe, dass es ungefähr die Hälfte der Toten und eine halb so hohe Schadensumme gewesen wären (auf Kaufwertbasis). Vor 200 Jahren hatte New Orleans gar nur etwa 10.000 Einwohner. Die gleiche Frage nach der Zahl der Opfer und der Schadenshöhe: Vielleicht 30, 50 oder 60 Tote und allenfalls ein Schaden in sehr niedriger einstelliger Milliardenhöhe (ebenfalls auf Kaufwertbasis gerechnet). Das kann man fortsetzen bis zu wahrscheinlich null Toten und verschwindendem Schaden 10.000 v. Chr. – Wohlgemerkt, ein Extrembeispiel!

Das vorstehende Exempel belegt: Solche Vergleiche und Statistiken müssen in den größeren Kontext gestellt werden und zeigen für sich genommen keine objektive Wahrheit. Das gilt generell: Fakten werden zu Botschaften erst durch den Kontext. Deswegen sind im Zweifel auch vermeintlich wahre Klimafakten wertlos, wenn sie aus dem Zusammenhang gerissen werden und am Ende nur als Vehikel für die Kommunikation einer vorgefassten Meinung dienen.

Immer dasselbe Klima?

In der öffentlichen Diskussion wird vielfach der Eindruck erweckt, es gebe so etwas wie ein Normklima, von dem wir gegenwärtig nach oben abzuweichen beginnen. Wie wir bisher in Auszügen gesehen haben, ist das so natürlich nicht richtig. Klimawandel ist erdgeschichtlich nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Blicken wir dazu auf Abb. 8 mit der Darstellung des Temperaturverlaufs über die letzten 500 Millionen Jahre. Man muss dabei beachten, dass die Zeitskala logarithmisch aufgetragen ist. Die beiden Felder im rechten Teil des Diagramms erstrecken sich daher nur über den (für die Menschheit enorm wichtigen) Zeitraum der letzten 1 Million Jahre. Sie würden bei linearer Skalierung also nur 0,2 % der Diagrammbreite einnehmen, kaum mehr als Strichstärke. Wie man der Darstellung unschwer entnehmen kann, lagen die durchschnittlichen Temperaturen in den letzten 500 Mio. Jahren nahezu immer – mindestens über 90% des Zeitraums – signifikant über dem heutigen Niveau.

Bemerkenswert ist der Temperaturverlauf im Pleistozän mit Temperaturen deutlich unter den heutigen Vergleichswerten. Die langen Kaltphasen wurden mehrfach und jeweils mit steilen Anstiegen von kurzen Warmzeitphasen (über maximal einige 1000 Jahre) unterbrochen. Über den Zeitraum der letzten 1 Million Jahre war es auf der Erde daher fast immer kälter als heute. Besonders markant ist die letzte große Kaltzeit am Ende des Pleistozäns. Übrigens: Nüchtern betrachtet und frei von aller Romantik sind Gletscher lediglich Relikte aus der letzten großen Eiszeit. Und auch wenn es herzlos klingt: Eisbären werden aussterben, wenn sie sich nicht an die veränderten klimatischen Bedingungen anpassen können. Genauso, wie zahllose andere Arten von der Erde verschwunden sind, weil es im Eozän und Pliozän deutlich kälter geworden war.

Das Klima soll so bleiben, wie es jetzt ist!

All diese Klimaveränderungen fanden ohne jede Einflussnahme durch Menschen statt. Selbstredend beweist dies nicht, dass die heute beobachtete globale Erwärmung in gleicher Weise ausschließlich natürliche Ursachen hat. Es belegt aber, dass es natürliche Einflussfaktoren gibt, die zu massiven Klimaveränderungen führen können. In der Gesamtschau ist die Menschheit vor allem Profiteur der globalen Erwärmung zu Beginn des Holozäns. Umgekehrt gilt daher auch: Vermutlich mindestens genauso dramatisch wie eine Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur um 2 Grad wäre ein Absinken um den gleichen Betrag. Wir haben ein Interesse daran, dass die klimatischen Bedingungen ungefähr so bleiben, wie wir sie im Zuge des Aufbaus der Zivilisation vorgefunden haben. Dafür gibt es aber – völlig unabhängig von unserem Tun und Lassen  – letztlich keine Garantie.

Abb. 8: Temperaturverlauf über die letzten 500 Millionen Jahre

Hätte es nach dem Beginn der letzten großen Kaltzeit vor 100.000 Jahren keinen Klimawandel mehr gegeben, würde die Erde heute nicht von 7,7 Mrd. Menschen bevölkert sein, allenfalls wären es einige wenige Millionen. Sehr wahrscheinlich würde sich die kulturelle Entwicklung nicht in der beschleunigten Weise abgespielt haben. Die meisten von uns würden gar nicht existieren.

Mögen wir’s nicht lieber etwas wärmer?

Tatsächlich waren das Ende der Kaltzeit (9500 v. Chr.:  Beginn der Jungsteinzeit, Ackerbau) und die namhaften Warmzeiten des Holozän (ab ca. 6000 v. Chr.­­ für fast 2000 Jahre,  ab 3000 v. Chr. für fast 1500 Jahre) jeweils Zeiten kulturellen Fortschritts und Bevölkerungswachstums (Sesshaftigkeit, Ackerbau und Viehzucht, erste Städte, Metallverarbeitung) und insofern Glücksfälle für die Menschheit. Die Römer konnten in der neu eroberten Provinz Britannien im 2. Jahrhundert nach Christus Wein anbauen. Aufgrund der später dann kälteren klimatischen Bedingungen war das nach der Römerzeit ab dem 5. Jahrhundert n. Chr. nicht mehr möglich. Heute wieder kann man daran denken, im Süden Englands Weingärten anzulegen.

Gegenwärtig haben wir also im historischen Vergleich ziemlich günstige klimatische Bedingungen. Ein angenehmes Temperaturniveau, um das uns Generationen unserer Ahnen beneidet haben würden. Für Untergangsszenarien ist es jedenfalls noch zu früh. Einstweilen dürfen wir uns auf den nächsten richtigen Sommer freuen.

Panik ist ein ganz schlechter Ratgeber, verkauft sich aber gut. Wie z.B. diese Meldung in der Zeit zeigt: 50.000 Fehltage wegen Hitze. Eine Nachricht, die wunderbar ins Klima-Narrativ passt. Wirklich? Oder zeigen sich hier bei den Redakteuren erste Beeinträchtigungen der Urteilsfähigkeit aufgrund des heißen Sommerwetters im Juli 2019?

Die genannten 50.000 Fehltage muss man in Bezug setzen zu den insgesamt 500 Mio. Fehltagen p.a. in der deutschen Wirtschaft. Es sind genau 0,01%. Dem stehen immerhin 50 Mio. Fehltage aufgrund von Kälte, Glätte und Nebel im Winter entgegen. Man sieht, es ist eher noch zu kalt. Dazu passt auch die nachfolgende Statistik (s. Abb. 9) , die vom Urheber mit der bemerkenswerten Überschrift „Im Winter wird mehr gestorben“ versehen wurde .

Abb. 9: Sterbefälle in Deutschland nach Monaten. © Statista / Statistisches Bundesamt.

Allen Unkenrufen von Panikmachern zum Trotz , scheinen die „heißen“ Sommermonate für die Menschen im Jahreszyklus offenbar eher zu den weniger „gefährlichen“ Zeiten zu gehören. Kein Wunder, sonnig und warm empfinden die meisten als angenehm. Wer mag es schon dunkel und kalt?

Unser größtes Problem

Nun soll aber der obige Befund nicht einseitig mit der rosa Brille betrachtet werden. Selbstverständlich würde ein signifikanter Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um 2 Grad und mehr angesichts einer Weltbevölkerung von bald 10 Milliarden Menschen (s. Abb. 7, oben) dramatische Auswirkungen haben. Daran kann es keinen Zweifel geben. Im Hinblick auf den benötigten Ressourcenbedarf (Energie, Ernährung, Flächenbedarf) und die daraus resultierende Belastung der Umwelt (Müll, Schadstoffe, Abholzung), liegt darin das eigentliche Problem. Es ist die schiere Größe der Weltbevölkerung und ihr immer noch anhaltendes rasantes Wachstum. Zumal zu befürchten ist, dass diese Progression die Biosphäre weiter aus dem Gleichgewicht bringen und in der Folge auch Auswirkungen auf das Klima nach sich ziehen wird. Wer Umwelt und Klima wirklich und wirksam schützen will, muss vor allem und möglichst schnell das weitere Bevölkerungswachstum stoppen.

Nichtsdestotrotz ist es fraglich, inwieweit wir es wirklich in der Hand haben, eine weitere globale Erwärmung zu verhindern. Das wird nur dann gehen, wenn der beobachtete Klimawandel tatsächlich fast ausschließlich oder zumindest überwiegend anthropogene Ursachen hat (z.B. die Emission von CO2) und wir die richtigen Maßnahmen ergreifen, diese Emissionen schnell zurückzufahren. Diese beiden Themenkreise werden in Teil 2 und 3 behandelt.

Teil 2:
Klimakiller CO2?

Ausblick: Ist die CO2-Emission die Ursache für die globale Erwärmung? Gibt es schlüssige Modelle? Was kann man beweisen, was nicht? Gibt es mögliche andere Erklärungen? Was ist plausibel?

Teil 3:
Rationaler Klimaschutz statt Panikmache

Ausblick: Unterstellt, die Emission von CO2 ist der Hauptfaktor der globalen Erwärmung, welches sind dann die geeigneten  Maßnahmen zur effektiven Reduzierung der CO2-Emission? Was müssen wir tun? Was ist effizient, was ist nur Aktionismus? – Um einen Aspekt herauszunehmen: Der moralisierende Sündenkult ist jedenfalls nicht Teil der Lösung.


Bildverzeichnis und -nachweise

Abb. Beschreibung und Referenz
1 Jahresmitteltemperaturen in Deutschland (1960 – 2019). ©Statista
https://de.statista.com/infografik/20501/jaehrliche-durchschnittstemperatur-in-deutschland/
2 Verteilung von Wetterstationen. Links: Europa, Grönland und Nordafrika. Rechts: Ostasien.
Quelle: Wetterdienst.de
3 Ungefährer Temperaturverlauf von 9000 v. Chr. bis 2000 n. Chr. (Bodennahe Mitteltemperaturen in der Nordhemisphäre, nach Dansgaard et. al. 1969 und Schönwiese 1995).
Von http://www.klimanotizen.de/html/temperaturen.html, mit erläuternden Zusatzinformationen angereichert.
Originalquelle: GFZPotsdam (Deutsches GeoForschungsZentrum)
4 Ungefährer Temperaturverlauf von 700 n. Chr. bis zum Jahr 2000. Rekonstruierte Temperaturänderungen auf der Nordhalbkugel der letzten 1300 Jahre nach Proxydaten (Baumringe, Eisbohrkerne, Sedimente, Korallen u.a.) sowie instrumentelle Temperaturkurven seit dem 18. Jahrhundert.
https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Klima_der_letzten_1000_Jahre
5 Modellmäßig rekonstruierte Temperaturverläufe über den Zeitraum 1000 bis 2000 n. Chr.
(https://de.wikipedia.org/wiki/Hockeyschl%C3%A4ger-Diagramm#/media/Datei:1000_Jahr_Temperaturen-Vergleich.png) wurde von Robert A. Rohde mit Hilfe öffentlich zugänglicher Daten vorbereitet und ist in das Projekt Global Warming Art eingebaut.
Die Übersetzung stammt von User: Langexp. – http://www.ngdc.noaa.gov/paleo/recons.html, CC BY-SA 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=1169988
6 Globale Temperaturveränderungen in den letzten 2000 Jahren.
Von DeWikiMan, based upong fig. 1a) of Pages2K (2019), doi:10.1038/s41561-019-0400-0 – CC BY-SA 4.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=82403624
7 Wachstum der Weltbevölkerung von 10000 v.Chr. bis zum Jahr 2100 (geschätzt).
Öffentlich zugängliche Quellen (Wikipedia)
8 Temperaturverlauf über die letzten 500 Millionen Jahre.
Von User:Glen Fergus, User:hg6996 – https://commons.wikimedia.org/wiki/File:All_palaeotemps.png, CC BY-SA 3.0,
https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=34611466
https://de.wikipedia.org/wiki/Klimageschichte#/media/Datei:All_palaeotemps_G2.svg
9 Sterbefälle in Deutschland nach Monaten.
© Statista / Statistisches Bundesamt
https://de.statista.com/infografik/20561/sterbefaelle-in-deutschland/

Quellenauszug

# Referenz
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Klima
2 https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%9Cbereinkommen_von_Paris
3 https://de.wikipedia.org/wiki/Zwei-Grad-Ziel
4 https://de.wikipedia.org/wiki/Sonderbericht_1,5_%C2%B0C_globale_Erw%C3%A4rmung
5 https://de.wikipedia.org/wiki/Intergovernmental_Panel_on_Climate_Change
6 https://de.wikipedia.org/wiki/Klimageschichte
7 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1694/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerungszahl/
8 https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-es-gibt-noch-keinen-wissenschaftlichen-konsens-zum-klimawandel
9 https://www.wetterdienst.de/Deutschlandwetter/Wetterstationen/Karte/
10 https://de.wikipedia.org/wiki/Hockeyschl%C3%A4ger-Diagramm
11 https://www.quarks.de/umwelt/klimawandel/warum-die-angabe-einer-globalen-durchschnittstemperatur-unsinnig-ist/
12 https://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Klima_der_letzten_1000_Jahre
13 https://www.welt.de/geschichte/article149773123/Erderwaermung-bescherte-Roemischem-Reich-fette-Jahre.html
14 http://www.klimanotizen.de/html/temperaturen.html
15 https://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/wirtschaft/grundstrukturen/unterpunkte/bevoelkerung.htm
16 https://www.archaeologie-online.de/nachrichten/das-klima-der-letzten-2000-jahre-2250/
17 https://www.uni-giessen.de/ueber-uns/pressestelle/pm/pm156-12
18 https://www.zamg.ac.at/cms/de/klima/informationsportal-klimawandel/standpunkt/klimavergangenheit/palaeoklima/2.000-jahre
19 https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/palaeoklima-die-letzten-2000-jahre-hockeyschlaeger/
20 https://lv-twk.oekosys.tu-berlin.de/project/lv-twk/002-holozaen-2000jahre.htm
21 https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-im-mittelalter-war-es-waermer-als-heute
22 https://de.wikipedia.org/wiki/Klimageschichte#/media/Datei:All_palaeotemps_G2.svg
23 https://www.eike-klima-energie.eu/2012/10/27/noch-eine-studie-zeigt-hoehere-temperaturen-vor-1000-und-sogar-2000-jahren/
24 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1694/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerungszahl
25https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-07/wetter-hitze-sonnenlicht-folgen-krankheiten-hitzewelle-europa
26 https://www.klimafakten.de/behauptungen/behauptung-es-gibt-noch-keinen-wissenschaftlichen-konsens-zum-klimawandel
27 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1694/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerungszahl/
28 https://www.science-at-home.de/wiki/index.php/Bev%C3%B6lkerungsentwicklung_seit_10.000_v._Chr.
29 https://de.statista.com/infografik/20561/sterbefaelle-in-deutschland/

Palindrome Day 20200202

The year 2020 is definitely a very special one for all those who have a sense of symmetry – and this disposition was given to us by the evolution. Depending on the date format used, there are several palindrome days this year, i.e. dates that are symmetrical (or palindromic).

When written in the international ISO 8601 format YYYYMMDD, 2020-02-02 is the first palindromic date since 2011-11-02. In between there are 3014 days (more than 8 years). Of course, this is also a symmetrical date when written in the American format MMDDYYYY, i.e. 02/02/2020.

Moreover, that date is also palindromic in the long German date format DDMMYYYY, this is 02.02.2020. This format is also used in many other countries. It is the first such date since 21.02.2012 (2903 days ago). Please note: the symmetry is evaluated neglecting the delimiter symbol.

What’s next?

In February there are two additional palindromic dates in the short American format MMDDYY. These are 02/11/20 and 02/22/20. Depending on the used format we will experience further palindromic dates in the next year. In ISO YYYYMMDD format this will be 2021-12-02 which is also palindromic in the American format (12/02/2021). In the German DDMMYYYY format there will be two such dates in the near future, one in 2021: 12.02.2021, and another one in 2022: 22.02.2022 (which is not palindromic in the ISO format).

People who use the short German date format DDMMYY will encounter another symmetry this year on 02.11.20 (2020-11-02 = November 2nd, 2020). The previous symmetrical date in this format was 21.11.12 (2012-11-21) which is almost 8 years ago (2903 days). The closest future symmetrical dates in this format will be 12.11.21 and 22.11.22. A little bit later on 12/11/21 and 12/22/21 we see further symmetrical dates in the short American format MMDDYY.

Is it going on like this?

Why, no. After this accumulation of palindromic dates we will experience a long lasting „dry spell“ which will only end on 2030-03-02 (ISO format), 03/02/2030 (American format), 03/11/30 (short American format), 03.02.2030 (long German format), and 03.11.30 (short German format), respectively. See the tables below.

By the way

The very first palindromic date in ISO YYYYMMDD format after 1000-01-01 (Jan 01 1000) was 1001-10-01 (Oct 01 1001).

2020-02-02 is the 47th palindromic date in the YYYYMMDD format after the reference date 1000-01-01. In total, 372579 days have passed since then. The 331st and very last such date before the year 10000 is 9290-09-29 (Sep 29 9290). This will be the 3028132nd day after 1000-01-01 and therefore is still 2655553 days away (after 2020-02-02).

It is a little bit different in the DDMMYYYY format. The following applies here: 02.02.2020 is the 67th palindromic date after the reference date 01.01.1000. The last possible symmetrical date before the year numbers become five digits long is 29.09.9092 which is the 335th such date in the list. It’s just the 2955814th day after 01.01.1000.

Hint: Because of the Gregorian Calendar Reform of 1582, the numbers of days after 1001-01-01 are fictitious, strictly spoken. They are valid only then, if we adopt the reform for dates before 1582, subsequently. To get the real number of days after ‘Jan 1 1000’ for years after 1582 subtract 5 from each term representing a date after 1582. This applies to all palindromic dates after the 43rd in YYYYMMDD format, and after the 61st in DDMMYYYY format. The value 5 comes from the 10 skipped “Gregorian” dates between 1582-10-04 (Oct 4 1582) and 1582-10-15 (Oct 15 1582) minus the 5 additional Julian leap days in the years 1000, 1100, 1300, 1400 and 1500 which are not Gregorian leap years.

Useless knowledge?

Do not ask about the benefits of these considerations and let me quote Bertolt Brecht: „Thinking is one of the greatest pleasures of the human race“. Jean-Baptiste le Rond d’Alembert (you should know him; possibly you remember the convergence criterion for infinite series that was named after him) says it even more clearly: „Mathematics is a kind of toy that nature has thrown at us for comfort and entertainment in the darkness“. – In Praise of Idleness.

Tables

Altogether, there are 331 palindromic dates in the YYYYMMDD format and 335 such dates in the DDMMYYYY format (between the years 1000 and 9999). The following two tables show excerpts from the complete lists of dates for both formats. In both cases the symmetry is evaluated neglecting the delimiter symbol.


Excerpt of palindromic dates in the YYYYMMDD format.

# Date # of days after 1000-01-01
1 10011001 638
2 10100101 3652
3 10111101 4321
4 10200201 7335
44 20011002 365882
45 20100102 368896
46 20111102 369565
47 20200202 372579
48 20211202 373248
49 20300302 376260
50 20400402 379944
51 20500502 383626
52 20600602 387310
326 92400429 3009717
327 92500529 3013399
328 92600629 3017083
329 92700729 3020765
330 92800829 3024449
331 92900929 3028132

Excerpt of palindromic dates in the DDMMYYYY format.

# Date # of days after 01.01.1000
1 10011001 374
2 20011002 749
3 30011003 1124
4 01011010 3652
65 11022011 369301
66 21022012 369676
67 02022020 372579
68 12022021 372955
69 22022022 373330
70 03022030 376233
71 13022031 376608
72 23022032 376983
73 04022040 379886
330 08099080 2951410
331 18099081 2951785
332 28099082 2952160
333 09099090 2955063
334 19099091 2955438
335 29099092 2955814

Finally, here are the complete lists of symmetrical dates in the DDMMYY and in the MMDDYY format: The symmetry is valid with and without the delimiter symbol.


All palindromic dates in the DDMMYY format.

# Date # of days after 01.01.00
1 101101 619
2 201102 994
3 301103 1369
4 011110 3897
5 111111 4272
6 211112 4648
7 021120 7551
8 121121 7926
9 221122 8301
10 031130 11204
11 131131 11579
12 231132 11955
13 041140 14858
14 141141 15233
15 241142 15608
16 051150 18511
17 151151 18886
18 251152 19262
19 061160 22165
20 161161 22540
21 261162 22915
22 071170 25818
23 171171 26193
24 271172 26569
25 081180 29472
26 181181 29847
27 281182 30222
28 091190 33125
29 191191 33500
30 291192 33876

All palindromic dates in the MMDDYY format.

# Date # of days after 01/01/00
1 101101 589
2 102201 600
3 011110 3603
4 012210 3614
5 111111 4272
6 112211 4283
7 021120 7255
8 022220 7297
9 121121 7955
10 122221 7966
11 031130 10967
12 032230 10978
13 041140 14651
14 042240 14662
15 051150 18333
16 052250 18344
17 061160 22017
18 062260 22028
19 071170 25699
20 072270 25710
21 081180 29383
22 082280 29394
23 091190 33066
24 092290 33077

„Klimaskeptiker“ ist das Unwort des Jahres 2019

Das Unwort des Jahres 2019 lautet „Klimaskeptiker“ – das gab nach Angaben von Statista die Sprachkritische Aktion am 14. Januar bekannt. Mit dem Begriff würden kollektiv pathologisierte Bejaher und tiefgläubige Anhänger des menschengemachten Klimawandels (sogenannte „Klimahysteriker“) gezielt die rational begründeten Einwände von kritisch denkenden Mitbürgern diskreditieren, indem sie deren differenzierte Haltung als glaubenslosen, heidnischen und freigeistig vernunftorientierten Frevel stigmatisierten, teilte die Organisation in einer aktuellen Pressemitteilung mit. Der Ausdruck „Klimaskeptiker“ sei in 2019 vor allem von Politikern der Grünen verwendet worden.

Vorsicht! Zu diesem Post ist eine Fake-Version der Sprach-, Gedanken- und Religionspolizei im Umlauf (s. Sprachkritische Aktion). Dort wird behauptet, das Unwort des Jahres sei „Klimahysterie“. Das ist natürlich völliger Quatsch, denn Hysterie ist eine Form der Neurose, was wörtlich genommen etwa Nervenkrankheit bedeutet.

Niemand wird ernstlich behaupten, Klimaschützer, z. B. die Fridays-for-Future (FFF) Demonstranten oder Politiker der Grünen, seien nervenkrank. Das sind sie natürlich nicht. Im Übrigen würde das ja ihr infantil leichtgläubiges Verhalten entschuldigen. So billig sollen sie aber nicht davon kommen. Gewiss, viele von ihnen sind einfach nur naiv und laufen denkfaul den Propheten einer vermeintlich wissenschaftlich abgesicherten Botschaft hinterher. Das ist die große Masse der Gutgläubigen. Dahinter aber steht das nüchterne Kalkül von Dogmatikern. Jenen geht es nicht um kritische Vernunft, sondern um die mit religiösem Eifer betriebene Überhöhung von halbfundiertem Halbwissen zur unumstößlichen Wahrheit. Das Dogma vom menschengemachten Klimawandel duldet keinen Widerspruch.

Die rechtgläubigen Anhänger der Lehre zeigen mit dem Finger auf die Ungläubigen und nennen sie Klimaskeptiker oder gar Klimaleugner. Sie hören die moralinsauren Parolen ihrer Anführer und fordern die sofortige Umsetzung der schärfsten Maßnahmen zum Klimaschutz. – Nein, nicht bezogen auf sich selbst. Natürlich sollen die anderen etwas tun: der Verkehr, die Industrie, die Energiewirtschaft, der Staat, ganz allgemein: die Kapitalisten. Nächste Woche fahren wir in den Skiurlaub, in den Pfingstferien fliegen wir nach Mallorca und im Sommer geht’s dann ganz weit weg. Dazwischen demonstrieren wir fürs Klima. Weil’s für eine gute Sache ist und wir Haltung zeigen wollen.

Klimasünder Verkehr – Klimakiller SUV?

In den Medien wird man spätestens seit der Beschleunigung in der Klimadiskussion immer wieder mit der Behauptung konfrontiert, insbesondere der Verkehrssektor trage zur hohen CO2-Emission Deutschlands bei. Nicht selten wird als einer der Hauptgründe dafür genannt, es sei die hohe Anzahl der SUVs – von manchen auch als „Stadtgeländewagen“ bezeichnet –  dafür verantwortlich. Ist das wirklich zutreffend? Ist der Verkehrssektor tatsächlich der Hauptklimasünder? Tragen SUVs wirklich so prominent zu unserem CO2-Ausstoß bei? Sind sie tatsächlich das große Problem und geradezu Klimakiller? Und was genau unterscheidet ein SUV von einem „normalen“ Auto?

Die Bedeutung des Verkehrssektors für die CO2-Emission.

Entscheidend ist zunächst einmal die gesamte CO2-Emission in Deutschland. Sie belief sich 2017 auf ca. 907 Mio. Tonnen. Absolut gesehen ist das nicht wenig, auch wenn es nicht einmal 2% des weltweiten CO2-Ausstoßes sind. Wie der Blick nach Frankreich zeigt, könnte der Wert aber deutlich geringer ausfallen.

Jährliche-Treibhausgase-in-Deutschland-seit-1990-nach-Treibhausgasen
Jährliche Treibhausgase in Deutschland seit 1990 nach Treibhausgasen

Frankreich emittiert nur etwa  400 Mio. Tonnen CO2, also 55% weniger als Deutschland. Vergleich man die Wirtschaftsleistung und die Einwohnerzahl, dann könnte Deutschland mittels eines ähnlich intensiven Atomkraftausbaus wie Frankreich mit einer Kohlendioxid-Emission von ungefähr 550 Mio. Tonnen auskommen. Das wären 350 Mio. t weniger als heute. Diese Menge entspricht der Summe der gesamten jährlichen CO2-Emission durch Transport und Verkehr von halb Europa (z.B. die Länder Deutschland, Östereich, Schweiz, Tschechien, Slowakei, Niederlande, Belgien, Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Portugal und Griechenland). Tatsache ist aber, dass wir, anders als Frankreich, noch zu einem erheblichen Teil auf Kohlekraft angewiesen sind. Dies gilt insbesondere für die Grundlast, denn Solarstrom und Windkraft sind nicht grundlastfähig und können daher Kohle- oder Atomstrom nur bedingt ersetzen.

Unabhängig davon, wie man zur Kernkraft steht, war die Entscheidung, aus der Atomstromproduktion auszusteigen ein klimapolitischer Super-GAU. Nun müssen wir die Folgen dieser Fehlentscheidung ausbaden – und dafür zahlen. Im aktuellen Klimapaket wird das schon deutlich und in Ansätzen sichtbar. Der Fokus liegt dabei auf dem Verkehrssektor, als könne die CO2-Gesamtemission durch ein Umsteuern in der Mobilitätspolitik wesentlich beeinflusst werden. Das ist ein Trugschluss. Es ist allenfalls ein kleiner Baustein (s. a. Individuelle Mobilität und globale Erwärmung).

Jährliche Treibhausgas-Emissionen in Deutschland nach Sektoren
Jährliche Treibhausgas-Emissionen in Deutschland nach Sektoren

Zunächst einmal muss man nüchtern erkennen, dass das CO2-Aufkommen in Deutschland nur zu einem Bruchteil von weniger als 20% überhaupt vom Verkehr abhängt. Die Gesamtemission an CO2 betrug 2017 ca. 907 Mio. Tonnen. Davon gehen auf den Verkehrssektor etwa 164 Mio. Tonnen. Das ist ein Anteil von 18%. Die Energiewirtschaft, das verarbeitende Gewerbe, die Industrie und die Beheizung von Wohnungen bringen es zusammen auf 657 Mio. t CO2 (2016) entsprechend  72% der deutschen Gesamtemission. Man muss dabei auch noch berücksichtigen, dass im oben angegebenen Wert für den Verkehrssektor die Emissionen des Transports (Güterverkehr, Lieferverkehr) mit enthalten sind – und die können vom Autofahrer kaum beeinflusst werden.

Man entnimmt dieser Gegenüberstellung schon von den Größenverhältnissen her, dass der Verkehrssektor allein kaum für die fragwürdige Auszeichnung als Hauptklimasünder in Frage kommt, wie dies von Klimaagitatoren gerne in den Raum gestellt wird. 

Dies wird gestützt durch einen zweiten Blickwinkel: Der deutsche Tourismus verursacht nach Berechnungen der University of Sydney 329  Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, also doppelt so viel wie der inländische Verkehrssektor in Deutschland. Basis für diese Schätzung sind umfassende Daten zum Tourismus in 189 Ländern, unter anderem von der Weltorganisation für Tourismus (UNWTO). Hier geht es also um den CO2-Fußabdruck, den der Tourismus von Deutschen global hinterlässt. Darin sind also nicht nur die eigentlichen Reisen per Auto, Flugzeug, Schiff oder Bahn enthalten, sondern auch die Aktivitäten der Urlauber, Ihre Verpflegung und die Übernachtung im In-und Ausland. Es ist eine globale, nicht eine auf Deutschland fokussierte Betrachtung und spiegelt insofern eine andere Sichtweise wider. Teilweise gehen da natürlich auch Emissionen aus dem Autoverkehr im Inland mit ein.

Stark wachsender Güterverkehr, mehr CO2.

Immerhin 5% der inländischen CO2-Emission gehen auf den Transport von Gütern zurück. Angesichts der deutlich um 30% reduzierten spezifischen Emissionen pro Tonnenkilometer bezogen auf 1995 ist dies verwunderlich. Der Grund dafür: Der Verkehrsaufwand der Lkw ist zwischen 1995 und 2017 von 279,7 Mio. Tonnenkilometer auf 475,7 Mio. Tonnenkilometer gestiegen – ein Plus von 70%. Bei den Kohlendioxid-Emissionen wurde daher der markante technische Fortschritt in der Motoreneffizienz durch die Mehrkilometer wieder aufgezehrt und sogar überkompensiert. Deswegen erhöhten sich die absoluten Kohlendioxid-Emissionen im Straßengüterverkehr zwischen 1995 und 2017 von 34,2 auf 41,0 Millionen Tonnen. Das ist ein relativer Anstieg um 20%.

Spezifische Emissionen LKW
Spezifische Emissionen LKW

Nicht zuletzt darauf sind die gestiegenen CO2-Emissionen im Verkehr zurückzuführen. Letztlich ist dieser Aufwuchs im Warenverkehr ein Ergebnis der intensiven wirtschaftlichen Verflechtung innerhalb der EU: Das ist politisch gewollt. Hier zeigt sich eben die Kehrseite der Medaille. Wenn das EU-Parlament nun den „Klimanotstand“ ausruft, dann sollten die Parlamentarier einmal in sich gehen und sich fragen, was sie selber zur gegenwärtigen Situation beigetragen haben. Der einzelne EU-Bürger kann diesen Aspekt jedenfalls kaum beeinflussen.

Der Autoverkehr taugt nicht als Sündenbock.

Auf PKWs entfallen gut 120 Mio. Tonnen der Kohlendioxid-Emissionen. Im Ergebnis sind das 13% des gesamten CO2-Aufkommens in Deutschland.  Wie bei den LKWs kann man auch hier konstatieren, dass moderne Autos Umwelt und Klima weniger belasten als in der Vergangenheit. Die spezifischen Emissionen von CO2 sind dabei seit 1995 um 15% gesunken. Wohlgemerkt, nicht die Testwerte, sondern die tatsächlichen Emissionen. Ebenfalls erwähnenswert: Die spezifischen Emissionen von Stickoxiden und von Feinstaub konnten im selben Zeitraum um 55% bzw. um 79% reduziert werden.

Gleichzeitig hat aber auch der PKW-Verkehr stark zugenommen, was den Fortschritt in der Technik zum Teil leider wieder aufgezehrt hat (2017 in Bezug auf 1990, mit einem zwischenzeitlichen Maximum um 1999). Besonders eklatant ist dies bei Dieselfahrzeugen zu sehen: Die erbrachte Fahrleistung ist seit 1995 um 322% gestiegen. Immerhin sind die gesamten Stickstoffoxid-Emissionen aus Pkw von 1995 bis 2017 um 48% gesunken. Sogar stärker noch die Feinstaub-Emissionen, die, trotz des höheren Verkehrsaufkommens um nahezu 76% zurückgegangen sind.

Spezifische Emissionen PKW
Spezifische Emissionen PKW

Kurzes  Resümee dazu.

  1. Die CO2-Emissionen aus dem PKW-Verkehr tragen nur zu etwa 13% zur Kohlendioxidbelastung in Deutschland bei. Dieser Wert ist aufgrund der höheren Mobilität im Vergleichszeitraum seit 1990  zwar nicht signifikant gesunken, es ist aber mitnichten so, dass der Verkehrssektor bzw. speziell der Autoverkehr als Klimasünder apostrophiert werden kann.
  2. Die CO2-Emissionen aus dem LKW-Verkehr sind um 20% gestiegen, vor allem wegen des dramatisch angewachsenen Warenverkehrs. Hier sollte die Politik endlich die Hausaufgaben machen und die nötigen Infrastrukturmaßnahmen ergreifen, die es erlauben, größere Anteile des Ferngütertransports auf die Schiene zu verlagern – was politisch seit 30 Jahren versprochen wird aber noch nicht einmal ansatzweise umgesetzt wurde.

Was eigentlich sind SUVs?

Kommen wir nun zu den vielgeschmähten SUVs. Wie verhält es sich mit ihrem Beitrag zur CO2-Emission? Zunächst einmal die Frage, was ist überhaupt ein SUV? Na ja, intuitiv scheint das jeder zu wissen: hoch, breit, die Sicht versperrend, stark motorisiert, in der Stadt Parkplätze blockierend und immer im Wege stehend. „Stadtgeländewagen“ werden sie von manchen genannt. Fahrzeuge also, die technisch fürs Gelände entwickelt wurden, aber nur in der Stadt bewegt werden und dort deplatziert wirken, um noch das harmloseste Attribut zu nehmen. Wie man den Medien entnehmen kann, sind mittlerweile 30% aller Neuzulassungen solche „Monster“. In 2019 waren das bereits mehr als eine Million Fahrzeuge. So jedenfalls die Statistik des Kraftfahrtbundesamts (KBA).

Zur Klassifizierung von SUVs erklärt KBA-Pressesprecher Stephan Immen gegenüber auto motor und sport: „Als SUV bezeichnen wir Fahrzeuge mit Offroad-Charakter. Das bedeutet, sie lehnen sich in ihrer Form an Geländewagen an, sind etwas höhergelegt und verfügen über einen höheren Einstieg. Verbindliche Größen zur Definition gibt es nicht, das Segment “SUV„ dient uns aber auch nur zur statistischen Betrachtung.“

Was hier als SUV gezählt wird, sind in den meisten Fällen harmlose, eher der Bequemlichkeit dienende und völlig durchschnittlich motorisierte „Hochlimousinen“. In Wahrheit keine SUVs, also Sports-Utility-Vehicles, sondern lediglich UVs: praktische und bequeme Autos für jedermann.

Schauen wir uns Beispiele an: In der Statistik des KBA werden z.B. die folgenden Autos unter der Fahrzeugklasse „SUV“ subsumiert:

  Leergewicht in kg Länge
in m
Höhe
in m
Verbrauch in l/100 km Bemerkung
Fiat Sedici 1400 4,11 1,62 4,9 Diesel (135 PS)
Citroen Cactus 1040 4,16 1,49 3,4 Diesel (99 PS)
Suzuki Vitara 1150 4,17 1,60 5,3Super (112 PS)
Suzuki Vitara D 1300 4,17 1,60 4,2 Diesel (120 PS), Allrad
Opel Mokka 1200 4,28 1,65 4,3 Diesel (136 PS)
BMW X1 1600 4,45 1,60 4,1 Diesel (150 PS)

Die Liste solcher vergleichsweise unauffälliger PKWs ließe sich noch lange fortsetzen. Die Abmessungen, Gewichte und Verbrauchswerte (und damit auch die CO2-Emissionen) dieser SUVs liegen im üblichen Rahmen dessen, was auch andere Kompaktfahrzeuge  (VW Golf, Opel Astra, Ford Focus, Renault Megane) oder die ebenfalls weit verbreiteten Mittelklassefahrzeuge (3er BMW, Mercedes C-Klasse, Audi A4, VW Passat, Opel Insignia, Ford Mondeo) aufweisen – bis auf die Fahrzeughöhe natürlich.

Was in diesem Zusammenhang ebenfalls beachtet werden sollte: Der Anstieg bei den Neuzulassungen von SUVs geht einher mit einem Rückgang bei den Mini-Vans (-23% im Vergleich 2018 gegenüber 2017) und Großraum-Vans (-15% im Vergleich 2018 gegenüber 2017). Teilweise ersetzen also SUVs die etwas aus der Mode gekommenen Vans. Schon aufgrund von Größe und Gewicht vermutet man zu Recht, dass letztere mit Sicherheit nicht umweltfreundlicher waren als die heutigen SUVs.

Abgrenzung SUVs und Geländewagen.

Das KBA ist also unscharf, was die Klassifikation von SUVs angeht. Immerhin werden in der Statistik aber SUVs und Geländewagen klar  voneinander getrennt. Geländewagen, das sind die richtig dicken Brummer: Audi Q7, BMW X5, Mercedes ML, Porsche Cayenne und andere. Viele mit Gewichten um 2 Tonnen und mehr.  – Bloß, die wirklich umweltschädlichen starken Motorisierungen kann sich kaum jemand leisten. Keines der genannten Modelle kommt über 10.000 Neuzulassungen im Jahr hinaus. Einen prominenten Ausreißer gibt es: Der VW Tiguan schafft es auf 75.000 Neuzulassungen (2018). Allerdings taugt der, trotz seiner 1,65 m Höhe, auch nicht wirklich als Klimakiller: Gewicht 1500 kg, 4,48 m lang, 1,65 m hoch, Allrad, Verbrauch 5,8 l/100 km (133 g CO2 pro km, als Benziner) – das ist in etwa der aktuelle Verbrauchsschnitt aller Fahrzeuge.

VW Tiguan
VW Tiguan – wird in der Statistik des KBA nicht als SUV, sondern als Geländeawagen geführt

Richtigerweise muss man also SUVs und Geländewagen in der Berichterstattung voneinander trennen, wie das vom KBA auch gemacht wird. In der Öffentlichkeit kommt die Unterscheidung aber nicht wirklich an. Seien wir ehrlich, diese Differenzierung überfordert offenbar die Kommunikation. Z.B. stellt Porsche gar keinen SUV her: die üblicherweise  solchermaßen bezeichneten Modelle (Cayenne, Macan) laufen in der Statistik des KBA als Geländewagen, werden aber in der öffentlichen Wahrnehmung als SUVs gesehen.

Das negative Image von SUVs wird von Modellen geprägt, die nach Lesart des KBA gar keine SUVs sind. In den Medien kommt  dieser Unterschied ebenfalls kaum an. Schlagzeilen wie „Immer mehr SUVs“ oder „Bereits 1 Million Neuzulassungen von SUVs in 2019“ müssen niemand beunruhigen, weil  damit zum größten Teil relativ harmlose Fahrzeuge mit vernünftigen Verbrauchswerten erfasst werden. Das Augenmerk muss eher auf den Geländewagen liegen, die indes, wie oben schon erwähnt, zahlenmäßig deutlich weniger zu Buche schlagen.

Wie hoch ist der Beitrag von Geländewagen zur CO2-Bilanz?

Alle Geländewagen zusammen kommen großzügig gerechnet auf etwa 300.000 Fahrzeuge p. a., nicht auf eine Million, wie die Meldungen in den Medien suggerieren. Die wenigsten davon sind echte Dreckschleudern, dafür fehlt ihnen einfach die motorische Power. Darunter sind Fahrzeuge wie der VW Tiguan (s.o.) oder der Volvo XC40 mit Verbrauchswerten im Durchschnitt des Fahrzeugbestands, aber auch welche wie der Hummer H2 mit 23 l / 100 km (zum Glück nur mit einem Gesamtbestand von 1431 Fahrzeugen per Ende 2018).

Tun wir mal so, als seien diese 300.000 Fahrzeuge sämtlich hochmotorisiert und würden im Schnitt 50% mehr CO2 emittieren (200 g/km), als dies bei Wahl eines „normalen“ Autos (133 g/km) möglich wäre. Unterstellen wir ferner eine Fahrleistung von 15.000 km p.a. Dann haben wir dadurch also einen um 0,3 Mio. Tonnen höheren CO2-Ausstoß. Das war‘s denn eigentlich schon an negativer Auswirkung  auf das Klima, denn die anderen ca. 1 Mio. der sogenannten SUVs sind in Wahrheit ganz normale PKWs, tragen also nicht erwähnenswert zu einer zusätzlichen Verschlechterung der CO2-Emission bei.

Tatsächlich erhöhen die echten „Stadtgeländewagen“ den verkehrsbedingen Anteil an den CO2-Emissionen gerade einmal um etwas mehr als 0,03%. Das ist in der Gesamtschau also der Unterschied zwischen „Alle fahren sozialverträgliche normale Autos“ und „Einige fahren richtig dicke SUVs“ (genaugenommen Geländewagen).

Der Mythos vom Klimakiller SUV.

Nun ja, mag man einwenden, 300.000 Tonnen CO2, das ist doch eine ganze Menge. Zweifellos! Es rechtfertigt aber in keiner Weise, mit dem Finger auf SUV- oder Geländewagen-Besitzer zu zeigen. Das ist ein völlig irrationaler Empörungsimpuls. Wie wahr dies ist, mag man an den folgenden Beispielen erkennen: 

  1. Schon 0,3 g Fleisch pro Person und Tag sind mit der gleichen Menge CO2 von 300.000 t pro Jahr belastet. Das entspricht einer kleinen Fleischportion von 110 g pro Person und Jahr. Wenn also alle 80 Mio. Einwohner Deutschlands einmal im Jahr auf eine Essensportion mit zwei Frikadellen verzichten, ist damit der CO2-Effekt der SUVs bereits kompensiert.
  2. Die im Schnitt pro Auto und Tag zurückgelegte Strecke beträgt ca. 40 km. Bei einem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 133 g pro km entspricht dies einer Menge von 240.000 Tonnen CO2. Damit sind wir bereits wieder in der Größenordnung des SUV-Effekts. Was heißt das? Sofern alle PKWs an einem Tag im Jahr in der Garage bleiben ODER wahlweise an 365 Tagen im Jahr einfach um 140 m weniger bewegt werden, dann ist damit die Mehrbelastung durch SUVs bereits ausgeglichen.

Angesichts dessen erscheint das Attribut „Klimakiller“ schon reichlich übertrieben. Bei Lichte betrachtet, ist das Ganze noch nicht einmal eine Meldung wert.

Natürlich soll es hier nicht darum gehen, die Mehremission durch SUVs, so gering sie auch seien, durch entsprechendes Verhalten aller anderen zu kompensieren. Die beiden Beispiele sollen nur zeigen, dass die Empörung über SUVs bzw. Geländewagen nicht rational begründbar ist. Mit der gleichen Verve könnte man alle an den Pranger stellen und ihnen zurufen: „Verzichtet auf 0,3 g Fleisch pro Tag“ oder „Legt an jedem Tag 140 m weniger mit dem Auto zurück“. – Es wird damit offenkundig, wie grotesk der mediale Krawall gegen SUVs bzw. Geländewagen tatsächlich ist. Nun ja, wir leben in Zeiten der irrationalen Empörung über nahezu alles.

Blick auf den gesamten Fahrzeugbestand und Resümee.

Das war die Betrachtung bezogen auf die Neuzulassungen eines Jahres. Um ein ganzheitliches Bild zu bekommen, müssen wir uns den Gesamtbestand anschauen, auch wenn es dabei eigentlich nur um den Blick in die Vergangenheit geht. Unter den 40 meistverbreiteten PKWs sind wie viele SUVs? – Genau eines, der Nissan Qashqai auf Platz 38. Das zeigt schon, dass wohl doch viel weniger SUVs gefahren werden, als man gemeinhin denkt. Tatsächlich liegt ihr Anteil derzeit bei 6,7% aller Fahrzeuge. Wobei hier wieder alles Mögliche als SUV gezählt wird (s. o.).

Richten wir daher den Blick wieder auf die Geländewagen, genauer, auf die „bösen Stadtgeländewagen“. Ihr Anteil im Bestand liegt bei 5% bzw. 2,4 Mio. Fahrzeugen. Unterstellen wir, dass diese Fahrzeuge mit ordentlich Power ausgestattet und mit einem deutlich erhöhten CO2-Ausstoß (+ 50%) unterwegs sind. Insgesamt tragen diese Fahrzeuge sodann zu einer CO2-Mehrbelastung von ca. 2,4 Mio. t bei. Das ist jetzt schon eine andere Hausnummer. Oder doch nicht? – Die CO2-Gesamtemission wird dadurch um gut 0,26% erhöht. Das ist zweifellos unnötig und wäre bei einem Verzicht auf diese vermeintlichen „Monster“ vermeidbar. Es ändert aber nichts daran, dass 2,5 g Fleisch pro Person und Tag in etwa den gleichen Effekt haben. Oder einen Kilometer zu Fuß gehen statt Autofahren für alle.

Übrigens, die ca. 4,5 Mio. Mallorca-Urlauber aus Deutschland belasten durch ihre Flugreise nach Palma und zurück die CO2-Bilanz um mehr als 3 Mio. Tonnen pro Jahr entsprechend 0,35% der CO2-Gesamtemission. Das ist bereits mehr als der ganze Effekt der “bösen Geländewagen“. Die SUVs in der Definition des KBA fallen hier gänzlich unter den Tisch, weil ihr Einfluss kaum merklich ist.

Schlussbemerkung.

Der Autor fährt keinen Stadtgeländewagen, noch nicht einmal ein SUV. Er ärgert sich gelegentlich ebenfalls über die Existenz dieser Fahrzeuge, sieht aber unter rationalen Gesichtspunkten keinen Grund, gegen SUVs etc. Stimmung zu machen. Wer dies tut, sollte nicht versäumen, mit der gleichen Verve gegen Menschen zu polemisieren, die einmal im Jahr ein Steak essen oder nach Mallorca fliegen, mit dem Auto eine Urlaubsreise machen, ihre Wohnung auf 22 Grad heizen, jeden Tag warm duschen, einen 55 Zoll Flachbildfernseher besitzen, regelmäßig im Internet surfen oder sich jedes Jahr neue Klamotten kaufen.

Anmerkung: Die Zahlen stammen teilweise aus 2016, 2017, 2018 oder 2019, je nachdem, was als neueste Zahl verfügbar war. Durch die Bezugnahme auf Zahlen aus unterschiedlichen Jahren (z.B. CO2-Emission, Zulassungszahlen, Bestandszahlen) entstehen kleinere systematische Fehler, die indes in der Gesamtschau vernachlässigbar sind. Die Fehler wirken sich allenfalls an der zweiten oder dritten Stelle hinterm Komma aus. Unabhängig davon muss man sehen, dass auch die CO2-Erhebung an sich fehlerbehaftet ist (Mittlere Abweichung aus unterschiedlichen Erhebungen: 0,7% bis 2,7% [6 – 24 Mio. Tonnen CO2], s. Link Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2019, Abschnitt 3.2.1, S. 147 ff.).

Quellenauszug:

  1. https://www.auto-motor-und-sport.de/neuheiten/segment-suv-definition-diskussion-gelaendewagen/
  2. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/suv-millionen-marke-101.html
  3. https://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-632301.html
  4. https://www.tagesschau.de/wirtschaft/autos-suv-105.html
  5. https://www.quarks.de/technik/mobilitaet/darum-sollten-wir-ueber-suv-diskutieren-statt-ueber-diesel/
  6. https://www.swr.de/home/So-verbreitet-sind-SUVs-Ranking-der-beliebtesten-Automodelle,beliebteste-automodellreihen-deutschland-100.html
  7. https://www.n-tv.de/wirtschaft/SUV-Zulassungen-erreichen-Rekordhoch-article21102967.html
  8. https://www.autozeitung.de/zulassungsstatistik-140455.html
  9. https://www.auto-motor-und-sport.de/verkehr/suv-neuzulassungen-deutschland-oktober-2019-daten-zahlen/
  10. https://www.swr.de/swraktuell/Klimafreundliche-Mobilitaet-Pro-und-Contra-Extra-Kfz-Steuer-fuer-SUVs,suv-steuer-pro-contra-100.html
  11. https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/immer-mehr-suv-neuzulassungen-das-autokaufverhalten-ist-in-einer-albernen-trotzphase/25324442.html
  12. https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs#textpart-3
  13. https://www.stern.de/reise/fernreisen/klimakiller-tourismus–reisen-ist-noch-viel-schaedlicher-als-angenommen-7973902.html
  14. https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Neuzulassungen/Segmente/2018/2018_segmente_node.html
  15. https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/Segmente/segmente_node.html
  16. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/153249/umfrage/gelaendewagen-neuzulassungen-in-deutschland-nach-modellreihen/