Gefahr Corona Virus – Wie groß ist das Risiko wirklich?

Nackte Zahlen sagen nicht alles

Täglich werden vom Robert-Koch-Institut (RKI) die neuen Corona-Fallzahlen verkündet und auf die vom Corona Virus ausgehende Gefahr hingewiesen. Drei Zahlenwerte werden dabei vor allem genannt: 1. Die Anzahl der COVID-19 Fälle insgesamt. 2. Die kumulierten COVID-19 Todesfälle. 3. Die Anzahl der von COVID-19 Genesenen. Per 17.08.2020 sind das die folgenden Fallzahlen:

  • COVID-19-Fälle insgesamt = 224014
  • COVID-19-Todesfälle insgesamt= 9232
  • COVID-19-Genesene insgesamt = 202100

Die ganz wichtige weitere Zahl wird – aus welchen Gründen auch immer – nicht genannt. Es ist die Anzahl der aktuell Infektiösen, also die der tatsächlich ansteckenden Personen. Man kann diese Zahl leicht aus den obigen Werten berechnen.

  • COVID-19-Infektiöse = COVID-19-Fälle – COVID-19-Genesene – COVID-19-Todesfälle

Aktuell (per 17.08.2020) beläuft sich die Anzahl der akut ansteckenden Personen (COVID-19-Infektiöse) auf 12682.

Bei Lichte betrachtet ist es nur die letztgenannte Zahl, von der eine Gefahr für die weitere Verbreitung des Corona-Virus ausgeht, denn anstecken kann man sich nur bei akut infizierten Personen. Was heißt dabei „akut infiziert“? Nach mehrfach bestätigten Studien besteht nur innerhalb der ersten 7 – 14 Tage nach der Infektion eine Ansteckungsgefahr. Wenn Sie also jemand treffen, der vor 3 Wochen positiv getestet wurde und keine Symptome zeigt, brauchen Sie sich keine Gedanken um Ihre Gesundheit zu machen.

Die Zahlen richtig interpretieren und kühlen Kopf bewahren

In Presse Funk und Fernsehen wird teilweise in unverantwortlicher Weise Panik geschürt. Im Ergebnis überschätzen die Menschen das Risiko für eine ernsthafte Erkrankung an COVID-19 um Größenordnungen. Einer der Gründe dafür ist die wenig differenzierte Berichterstattung des RKI. Die absoluten Zahlen von sogenanntem Neuinfizierten zu nennen, ist zweifellos eine wichtige Information, sie sagt aber nicht alles aus. Vor allem muss diese Zahl auch in Bezug gesetzt werden zu den insgesamt vorgenommenen Tests. Aktuell werden pro Woche mehr als 500000 Tests durchgeführt. Positiv sind weniger als 1% (KW 29: 0,6%, KW 30: 0,8%) davon. Zum Vergleich: Im April waren teilweise 9% der Tests positiv. Man sieht schon daran: Es ist fahrlässig, angesichts dieser Zahlen von einer zweiten Welle zu reden.

Dabei muss man auch sehen, dass die Falsch-Positiv-Rate bei den Tests nicht vernachlässigbar ist. Man kann abschätzen, dass bei Anwendung des RT-PCR-Tests auf eine Gruppe mit niedriger Infektionswahrscheinlichkeit (was für die Allgemeinheit nach wie vor zutreffen dürfte) teilweise bis zu 60% der positiv Getesteten tatsächlich gar keine Virenträger sind (Basis: Testsensitivität 70%, Testspezifität 95%, Prävalenz 5%). Immerhin kann man einem negativen Testat vertrauen: 98% der negativ Getesteten sind tatsächlich negativ.

Das Bild dreht sich um, wenn Risikogruppen mit einer hohen Prävalenz (Prätest-Infektionswahrscheinlichkeit) getestet werden. In diesem Fall sind nur 7% der positiv Getesteten in Wahrheit negativ. Umgekehrt tragen dann allerdings 24% der negativ Getesteten das Virus in sich, sind also positiv (Basis: Testsensitivität 70%, Testspezifität 95%, Prävalenz 50%).

Nach dem Vorstehenden kann man festhalten, dass die Aufregung um gegebenenfalls steigende Infektionszahlen verfrüht ist, solange die Testergebnisse nicht durch mindestens einen weiteren Test bestätigt werden. Denn die Unsicherheit singulärer RT-PCR-Tests bei Anwendung auf Niedrigrisikogruppen ist hoch. – Könnte denn eine Blitzampel mit einer Fehlerquote von 60% rechtssichere Bußgeldbescheide begründen?

Wir haben oben gesehen, dass derzeit weniger als 1% der Testergebnisse positiv ausfallen. Bei aller Unsicherheit bezüglich der Testaussagen sieht man schon daran: Das Risiko, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren ist bei Weitem nicht so hoch, wie dies die teilweise alarmistische Berichterstattung nahelegt.

Auch wenn man sich infiziert hat: Leichte Befunde und Krankheitsverläufe sind die Regel. In 80% der Fälle haben die Infizierten keine oder nur milde Symptome. Damit soll die Gefahr nicht verharmlost werden, denn natürlich gibt es auch die schweren Verläufe, die insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen treffen. Immerhin jeder 6. bis 7. Betroffene muss stationär behandelt werden.

Unterstellt, die Anzahl der insgesamt Infizierten (COVID-19-Fälle insgesamt) spiegele die Realität vollständig wider, es gebe also keine Dunkelziffer, liegt die dokumentierte Letalität (Sterblichkeit) deutschlandweit bei etwa 4 bis 5%. Der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, dass in einer räumlich begrenzten Studie auf der Basis eines vollständigen Screenings eine deutlich niedrigere Letalität von unter 0,4% bestimmt wurde. Der Grund dafür ist die potentiell hohe Dunkelziffer unerkannt Infizierter. Inwiefern dieser niedrigere Wert auf die größere Population in Deutschland übertragbar ist, kann derzeit nicht gesagt werden. In Unkenntnis der Dunkelziffer an Infizierten muss man sich seriöser Weise am höheren Wert orientieren.

Wie groß ist das Risiko für das Individuum wirklich?

Angesichts der sich teilweise überschlagenden und dabei auch widersprüchlichen Medienberichterstattung, fällt es dem Einzelnen schwer, die tatsächlich vom Corona-Virus ausgehende Gefahr realistisch einzuschätzen und sein eigenes Risiko zu veranschlagen. Dabei kann dieses Risiko relativ einfach aus den vom RKI übermittelten Zahlen bestimmt werden.

Wir haben oben gesehen, dass es derzeit 12682 akut ansteckende Personen (COVID-19-Infektiöse) gibt. Deutschland hat etwa 83 Mio. Einwohner. Demnach beläuft sich der Anteil der infektiösen Mitbürger auf 0,0153%, d.h., etwa 1 von 6544 Menschen ist akut ansteckend.

Was heißt das?

Jemand der täglich mit 65 unterschiedlichen Personen Kontakt hat, wird im Mittel alle 100 Tage auf einen an COVID-19 erkrankten und akut infektiösen Menschen treffen. Wer nur mit max. 18 Personen pro Tag Kontakt hat, wird statistisch nur einmal im Jahr in die Nähe eines akut Infizierten kommen.

Natürlich geht es hier um Mittelwerte. Wer in einem Landkreis oder einer Stadt mit höherer Dichte an akut Infizierten lebt, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit bzw. häufiger mit ansteckenden Personen in Kontakt kommen. Nehmen wir Hamburg: Der Anteil der akut Infektiösen liegt dort bei 0,022%. Wer täglich mit 18 unterschiedlichen Personen in Kontakt kommt, wird also im Mittel etwa alle 8 Monate einem konkreten Infektionsrisiko ausgesetzt sein.

Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. In Mecklenburg-Vorpommern (das Bundesland mit den niedrigsten Infektionszahlen) ist der Anteil der akut Infektiösen mit einem Wert von 0,0033% fast 5-mal geringer als im deutschlandweiten Schnitt. Wer dort 18 Personen pro Tag nahe kommt, wird im Mittel nur alle 4 bis 5 Jahre auf einen Infizierten treffen.

Auch wenn man mit einem Infektiösen Kontakt hat, heißt dies noch nicht, dass man sich auch selbst infiziert. Das konkrete Risiko hängt von vielen Faktoren ab. Relevant sind auf jeden Fall die Nähe, die Intensität und die Dauer des Kontakts. Schon einfache Vorsichtsmaßnahmen sind geeignet, das Ansteckungsrisiko deutlich zu reduzieren. Bei einem normal-distanzierten Kontakt unter Fremden oder entfernt Bekannten (kurzes Gespräch) liegt das Risiko vermutlich auch ohne Maske unter 10%. Mit Maske vielleicht bei 1%. Enger und langanhaltender Kontakt unter Freunden („Party mit Saufgelage“) hebt das Risiko mit einiger Sicherheit in Richtung 100%. Nach diesen Vorüberlegungen wollen wir nun das individuelle tägliche COVID-19-Krankheitsrisiko für drei Musterpersonen auf Grundlage der mittleren deutschlandweiten Infektionsgeschehens abschätzen. Wir verwenden dabei die folgenden Eckwerte:

  • Tatsächliches Ansteckungsrisiko bei einer normal-distanzierten Begegnung mit Fremden oder Bekannten pro individuellem Kontakt ohne Maske 10%.
  • Tatsächliches Ansteckungsrisiko bei einer sehr sorglosen oder länger andauernden Begegnung mit Fremden oder Bekannten pro individuellem Kontakt ohne Maske 50%.
  • Tatsächliches Risiko für einen ernsteren Verlauf bei nachgewiesener Infektion (Ausbruch der Krankheit und stationäre Behandlung) 20%.
  • Tatsächliches Sterberisiko bei stationärer Behandlung 25%, (entsprechend einer Letalität von 5% bei nachgewiesener Infektion).

Person A: 1x pro Woche im Supermarkt (20 Personen), 1x pro Woche im Restaurant (5 Personen), 1x Treffen mit Bekannten oder Familienangehörigen (10 Personen). A hat im Mittel Kontakt mit 5 Personen pro Tag.

A ist vernünftig und bleibt im Kontakt ohne Maske lieber etwas reservierter (Ansteckungsrisiko pro Kontakt 10%). Das individuelle tägliche Infektionsrisiko von A liegt demnach bei ca. 1:1300 (= 5*0,000153), sein Erkrankungsrisiko (A infiziert sich tatsächlich) bei 1:13000 (= 0,1*5*0,000153). Das individuelle tägliche Risiko für einen ernsteren Verlauf eines potentiellen Krankheitsgeschehens bei A kommt damit auf 1:65000 (= 0,2*0,1*5*0,000153), sein tägliches Corona-Sterberisiko beläuft sich demnach auf 1:260000 (= 0,00038% = 0,25*0,2*0,1*5*0,000153).

Um das richtig einzuschätzen: Werfen Sie 18-mal hintereinander eine Münze. Wiederholen Sie diesen Prozess jeden Tag aufs Neue, immer wieder. An dem Tag, an welchem 18-mal hintereinander Zahl fällt, ist Person A tot und an COVID-19 verstorben.

Übrigens, das statistische tägliche Sterberisiko für einen 80-jährigen Mann liegt auch ohne Corona schon bei 1:5200 (= 0,019%), mithin also etwa 50-mal höher als das spezifische Risiko durch Corona. Wobei dieser Vergleich insofern schief ist, als dass das individuelle COVID-19-Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei einem 80-Jährigen gegenüber Personen mittleren Alters per se deutlich erhöht ist. Vergleichen wir also das berechnete COVID-19-Sterberisiko für Person A mit dem allgemeinen Sterberisiko für einen Menschen mittleren Alters.

Für 50-Jährige liegt das tägliche Sterberisiko bei etwa 1:120000 (= 0,00082%). Das für Person A zusätzlich entstehende Risiko durch Corona liegt demnach etwa halb so hoch. D.h., Corona erhöht das tägliche Sterberisiko für Person A von 0,00082% auf 0,0012%. Etwas Bewegung an frischer Luft oder die Reduktion des Fleischkonsums um wenige Prozent dürfte diese Risikoerhöhung locker kompensieren, denn nach wie vor sind Herz-Kreislauferkrankungen aufgrund mangelnder Bewegung und falscher Ernährung die Haupttodesursachen.

Person B: 1x pro Woche im Supermarkt (20 Personen), 3 Tage Heimarbeit (0 Personen), 2 Tage in der Firma (10 Personen) 2x Essen in der Kantine (20 Personen), 1x Treffen mit Bekannten oder Familienangehörigen (20 Personen). B hat im Mittel Kontakt mit 10 Personen pro Tag.

B ist vernünftig und bleibt im Kontakt ohne Maske lieber etwas reservierter (Ansteckungsrisiko pro Kontakt 10%). Das individuelle tägliche Infektionsrisiko von B liegt demnach bei ca. 1:650 (= 10*0,000153), sein Erkrankungsrisiko (B infiziert sich tatsächlich) beträgt also 1:6500 (= 0,1*10*0,000153). Das individuelle tägliche Risiko für einen ernsteren Verlauf eines potentiellen Krankheitsgeschehens bei B errechnet sich damit zu 1:32500 (= 0,2*0,1*10*0,000153), sein tägliches Corona-Sterberisiko beläuft sich demzufolge auf 1:130000 (= 0,00077% = 0,25*0,2*0,1*10*0,000153).

Unterstellt, B habe mittleres Alter, erhöht sich sein allgemeines tägliches Sterberisiko pauschal von 0,00082% auf knapp 0,0016%. Auch das ist leicht auszugleichen durch ein Minimum an gesünderer Ernährung und Sport. Übrigens, das Risiko im Straßenverkehr ums Leben zu kommen liegt für Personen mit einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 15000 km bei etwa 0,0075% pro Jahr.

Person C: 2x pro Woche im Supermarkt (20 Personen), 5 Tage in der Firma (50 Personen), am Wochenende Party oder Disco (50 Personen). C hat im Mittel Kontakt mit 20 Personen pro Tag.

C ist unvernünftig und schert sich um nichts (Ansteckungsrisiko pro Kontakt 50%). Das individuelle tägliche Infektionsrisiko von C liegt demnach bei ca. 1:325 (= 20*0,000153), sein Erkrankungsrisiko (C infiziert sich tatsächlich) bei 1:653 (= 0,5*20*0,000153). Das individuelle tägliche Risiko für einen ernsteren Verlauf eines potentiellen Krankheitsgeschehens bei C kann somit auf 1:3267 (= 0,2*0,5*20*0,000153) abgeschätzt werden. Sein pauschales tägliches Corona-Sterberisiko errechnet sich daraus zu 1:13000 (= 0,0077% = 0,25*0,2*0,5*20*0,000153).

Unterstellt, C gehöre der jüngeren Generation an (20-30 Jahre), erhöht sich sein allgemeines tägliches Sterberisiko pauschal von 0,000137% auf knapp 0,0078%. Das ist nun schon eine signifikante Steigerung, eine fast 60-fach erhöhte Sterbewahrscheinlichkeit! Allerdings: Hier bleibt unberücksichtigt, dass Jüngere ein deutlich reduziertes Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf mit stationärer Behandlung und Todesfolge haben. Stellt man dies mit einer Hospitalität von 10% statt 20% und einem Sterberisiko bei stationärer Behandlung von 5% (entsprechend einer Letalität von 0,5%) statt 25% in Rechnung, so kommt man beim individuellen täglichen Corona-Sterberisiko für C auf 1:130000 (= 0,00077% = 0,05*0,1*0,5*20*0,000153). Das ist derselbe Wert, wie bei Person B.

Resümee

Natürlich muss jeder für sich selbst bewerten, inwiefern die hier exemplarisch bestimmten Corona-Risiken individuell als bedrohlich oder als eher niedrig angesehen werden. Nach meiner persönlichen Einschätzung sind die Risiken für Gesunde in der Gesamtschau und verglichen mit anderen Lebensrisiken nicht ungewöhnlich hoch. Anders mag es aussehen für Menschen mit Vorerkrankungen und insbesondere für Ältere mit Vorerkrankungen. Diese Gruppe hat grundsätzlich ein höheres Sterberisiko, das nun durch Corona noch weiter erhöht wird.

Gewiss ist das Verbot von Massenveranstaltungen nach wie vor sinnvoll. Wahllose und fahrlässig enge Kontakte mit Fremden sollte man fraglos vermeiden. Umgekehrt muss man gefährdete Personen aktiv schützen, dabei ist auch das Tragen einer Maske in Situationen mit einem unvermeidlichen engeren Kontakt grundsätzlich sinnvoll. Ansonsten darf man die Kirche im Dorf lassen und zu einer vernünftigen Normalität zurückkehren.

Quellen:

[1] Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) – 17.08.2020 – AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. Robert-Koch-Institut

[2] Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten der Männer in Deutschland. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB)

[3] Sterblichkeitsrate nach Risikogruppen – Für wen ist das Coronavirus besonders gefährlich? RTL.de, 08. Juni 2020

[4] Altersabhängigkeit der Todesraten im Zusammenhang mit COVID-19 in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 432-3; DOI: 10.3238/arztebl.2020.0432

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