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Corona-Statistik 2020/2021

Eine kritische Bilanz

Das Jahr 2021 ist vorbei und die Corona-Zahlen liegen nun vor. Zu Beginn des Jahres 2021 konnte man erwarten, dass sich das schlimme Corona-Jahr 2020 nicht wiederholen würde, schließlich standen mehrere Impfstoffe zur Verfügung. Allenfalls konnte man es für eine Frage der Organisation halten, bis hinreichend viele Menschen geimpft und die Pandemie damit mehr oder weniger zu Ende sei.

Heute sind wir alle klüger: Die Zahlen für 2021 sind dramatischer als die für 2020 – trotz der Impfung. Fast dreimal so viele Infizierte und immerhin 59% mehr Tote. Mittlerweile wissen wir auch, dass zweimal Impfen nicht reicht. Absehbar ist auch nach der dritten Spritze keine wirkliche Immunität gegeben. Die Impfung schützt zwar oft vor schweren Krankheitsverläufen und Tod, aber wenig vor einer Infektion und vor dem Weitertragen des Virus. Auch Geimpfte sind also nach wie vor Teil der Infektionsdynamik. Zudem ist bekannt, dass der Schutz der Impfung bereits binnen 3 – 4 Monaten nachlässt und der Impfstoff nach 6 Monaten und mehr, je nach Alter, nur noch eine schwache Wirkung entfaltet. Die daraus folgende Problematik wird im Text diskutiert und anhand vieler Grafiken visualisiert.

Konkret werden im Artikel die Zahlen zu den Infektionen und den Todesfällen für 2020 und 2021 insgesamt und getrennt nach Altersgruppen nebeneinander gestellt und miteinander verglichen. Ferner werden die Infektionsrisiken, die Letalitätswerte (Sterblichkeit nach Corona-Infektion) und die Mortalität (Corona-Sterblichkeit in der Bevölkerung) altersgruppenspezifisch bestimmt und zueinander in Relation gesetzt.

Aus der tiefergehenden Untersuchung zu den Zahlen für 2021 werden Schlüsse zum altersabhängigen Risiko gezogen: Letalität und Mortalität steigen exponentiell mit dem Lebensalter. Die Sterblichkeit nach einer Infektion (Letalität) verzehnfacht sich pro 18 Lebensjahren. Die Mortalität verzehnfacht sich pro 22 Lebensjahren. Um das richtig einzuordnen muss man erwähnen, dass das absolute Corona-Sterberisiko von 18-Jährigen bei etwa 0,0005% liegt, das von 84-Jährigen bei etwa 0,5%.

Auf Basis von Überlegungen zur Ableitung der unterschiedlichen Sterberisiken für Geimpfte und Ungeimpfte aus den verfügbaren Felddaten, erfolgt im letzten Teil eine Was-Wäre-Wenn-Analyse. Basierend auf den realen Daten aus 2021 werden dabei hypothetische Szenarien mit und ohne Impfung durchgerechnet und miteinander verglichen. Der Schluss gehört der Betrachtung von diversen Alternativszenarien mit unterschiedlichen altersgruppenspezifischen Impfquoten. Dafür werden die unter den getroffenen Annahmen wahrscheinlichen Fallzahlen bestimmt, auch im Hinblick auf Geimpfte und Ungeimpfte.

Infizierte und Todesfälle – Vergleich 2020/2021

Die nachfolgend präsentierten Corona-Grafiken und Analysen basieren sämtlich auf dem vom Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlichten Zahlenmaterial. Die entsprechenden Referenzen sind  im Quellenverzeichnis aufgeführt.

Die Corona-Impfquoten, die Inzidenzen bezüglich der Infizierten, der Hospitalisierten und der Corona-Todesfälle werden vom RKI in hoher zeitlicher Auflösung publiziert. Man muss die Erfassungssystematik nicht in jedem Detail für gelungen und zweckmäßig halten, in Summe ist das RKI dennoch die einzige einigermaßen verlässliche Corona-Datenquelle. Es gibt kleinere Unschärfen, z.B. bezüglich der Impfquoten, und es gibt eklatante Mängel, z.B. hinsichtlich des Erfassung des Impfstatus der Infizierten, der Hospitalisierten und der Todesfälle. Immerhin werden seit August 2021 für die symptomatischen Fälle die Infektionszahlen getrennt nach Geimpften und Ungeimpften erfasst. Weitere für die Analyse wichtige Einflussgrößen wie die verstrichene Zeitspanne seit der Impfung oder das effektive Ansteckungsrisiko aufgrund des Kontaktprofils werden nicht dokumentiert und können daher auch nicht ausgewertet werden.

Die Inzidenzen der Corona-Infektionen und der Fälle der „an oder mit“ Corona Verstorbenen nehmen wir einfach so, wie sie vom RKI veröffentlich wurden, auch wenn man bezüglich der Höhe der Zahlen berechtigte Zweifel ins Feld führen kann. Tatsächlich könnten die Infektionszahlen deutlich höher gelegen haben, weil viele Infektionen unerkannt geblieben sind. Die Zusammensetzung der Testkohorte spiegelt lediglich rechtliche Vorgaben wider. Nötig wäre aber eine Orientierung an wissenschaftlichen Grundsätzen. In letzter Konsequenz sind daher die veröffentlichten Inzidenzen nur grobe Schätzungen.

Umgekehrt könnten viele Todesfälle fälschlicherweise Corona zugerechnet worden sein, weil die Todeskausalität in vielen Fällen nicht näher untersucht worden ist. In letzter Konsequenz könnte die Infektiosität in Wahrheit höher und die Letalität (Sterblichkeit bei einer Corona-Infektion) tatsächlich kleiner sein, als sich dies aus den Zahlen des RKI ergibt. Das ist hier indessen nicht das Thema: Wir stützen uns auf die Daten des RKI, nichts sonst. Alles andere wäre Spekulation.

Corona-Infizierte und -Todesfälle 2020 und 2021 im direkten Vergleich.

Abbildung 1: Corona-Infizierte und -Todesfälle 2020 und 2021 im direkten Vergleich. Man erkennt, dass sich die Infektionszahlen in 2021 gegenüber 2020 in etwa verdreifacht haben. Die Anzahl der Todesfälle ist um ca. 59 % gestiegen. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

In Abb. 1 fällt zunächst die hohe Zahl der Infizierten in 2021 auf. Gegenüber 2020 (mit 10 Monaten Pandemiedauer) haben wir in 2021 ein volles Jahr. Das kann den Anstieg sicher nicht erklären. Offenbar liegt ein Grund eher in der höheren Infektiosität der Deltavariante des Virus. Die Anfang 2021 angelaufene Impfkampagne hatte auf die Anzahl der Infektionen offenbar keinen dämpfenden Einfluss. Mit Blick die Todesfallzahlen registriert man den vergleichsweise deutlich geringeren Anstieg. Ist das womöglich ein Erfolg der Impfung? – Teilweise sicher ja, der Effekt ist aber wohl geringer, als dies der erste Anschein vermuten lässt. Näheres dazu mit einer genauen Analyse weiter unten.

Infizierte und Todesfälle nach Altersgruppen – Vergleich 2020/2021

Corona-Infizierte 2020 und 2021 nach Altersgruppen im direkten Vergleich.

Abbildung 2: Corona-Infizierte 2020 und 2021 nach Altersgruppen im direkten Vergleich. Wie man sieht, sind in 2021 insbesondere die Infektionszahlen bei den jüngeren Altersgruppen erheblich gestiegen. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Corona-Todesfälle 2020 und 2021 nach Altersgruppen im direkten Vergleich.

Abbildung 3: Corona-Todesfälle 2020 und 2021 nach Altersgruppen im direkten Vergleich. Die absoluten Fallzahlen zeigen einen Anstieg insbesondere bei den Über-50-Jährigen. Das größere relative Wachstum verzeichnet man bei den Jüngeren. In der Gesamtschau sind aber dennoch die Älteren mit großem Abstand dominierend. Allein der Zuwachs in 2021 ist bei den Älteren (60+) viermal höher als die Gesamtanzahl der Toten bei den Jüngeren (0-59). Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Beim Vergleich der beiden Grafiken nach Abb. 2 und 3 fällt auf, dass die Infektionszahlen weit überwiegend von den Altersgruppen unter 60 getrieben werden, die Todesfälle passieren aber nach wie vor zum größten Teil in der Altersgruppe ab 60. Das werden wir weiter unten genauer beleuchten.

Am vorstehenden Befund hat sich auch durch die Verfügbarkeit von Impfstoffen und der seit Januar 2021 laufenden Impfkampagne offenbar nichts oder nur wenig geändert. Jedenfalls ist der Effekt hier nicht sichtbar. Dabei waren doch gerade die Über-80-Jährigen schon früh im Jahr mit hoher Priorität und in großer Zahl geimpft worden.

Die folgende Abbildung mit zusammengefassten Altersgruppen untermauert dieses vorläufige Resümee in aller Deutlichkeit.

Abbildung 4: Corona-Infizierte und -Todesfälle 2020 und 2021 in ausgewählten Altersgruppen im direkten Vergleich. Bei der Betrachtung der aggregierten Altersgruppen sieht man nochmals deutlicher den starken Anstieg der Infektionen bei den Jüngeren. Tatsächlich ist die Anzahl der Infektionen in der Altersgruppe 0-59 gegenüber 2020 um über 200 % gewachsen. In der Altersgruppe 60+ haben sie sich dagegen nur um gut 100% erhöht. Zugleich sind hier auch die Todesfallzahlen weit weniger gestiegen. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Wenn man den Zahlen etwas Positives abgewinnen will, dann kann man an dieser Stelle immerhin darauf hinweisen, dass die Todesfallzahlen (+53 %) in der Altersgruppe 60+ weniger gewachsen sind als die Infektionszahlen (+104 %). Das darf man zum Teil sicher auch der Impfung zurechnen. Wie groß der Effekt tatsächlich ist, werden wir weiter unten genauer untersuchen. In der Altersgruppe 20-59 (mit einer im Jahresmittel geringen Impfquote) sind die Todesfallzahlen (+202 %) hingegen fast genau so schnell gestiegen wie die Infektionszahlen (+237 %).

Infizierte und Todesfälle nach Altersgruppen – Analyse für 2021

Relative Anteile der Corona-Infizierten und -Todesfälle 2021 nach Altersgruppen.

Abbildung 5: Relative Anteile der Corona-Infizierten und -Todesfälle 2021 nach Altersgruppen. In der linken Säule sind die Infizierten nach ihrem jeweiligen Anteil farbcodiert eingetragen. Die rechte Säule weist entsprechend die altersgruppenspezifischen Anteile unter den Todesfallzahlen aus. Man erkennt, dass die Infektionen überwiegend bei den Jüngeren auftreten, die Todesfälle indes bei den Älteren. Die gelb-braunen Farbtöne in der linken Säule stehen für die Altersgruppe 0-39 mit einem Anteil an den Infektionen von über 55%. In der rechten Säule kann man diese Farbtöne kaum ausmachen. Der Anteil an den Todesfallzahlen liegt bei etwa 0,7%. Umgekehrt am oberen Ende der Säule: 8,4% der Infizierten werden der Altersgruppe 70+ zugerechnet. Zugleich stellt diese Gruppe 82% aller Corona-Toten. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Auch wenn man mit Blick auf Abb. 5 dem ersten Anschein nach denkt, es sei anders: Die Farbcodierung ist in beiden Säulen gleich. Die extrem asymmetrische Verteilung zwischen Infektionszahlen und Todesfällen über die Altersgruppen hinweg wird mittels der Grafik klar vor Augen geführt. Das wirft ein denkbar grelles Licht auf die Corona-Maßnahmen. Abgesehen von der prioritären Impfung der Ältesten setzen sie überwiegend an der linken Säule im gelb-braunen und im grünen Bereich an (Altersgruppen 0-39 und 50-69). Der Effekt soll sich aber in der rechten Säule zeigen, wo diese Gruppen gerade einmal 17% ausmachen.

Das ist in etwa so, als würde man nach der Brandmeldung im Seniorenstift die Feuerwehr zur Grundschule schicken.

Es zeigt sich hier überdeutlich, dass viele der getroffenen Maßnahmen schon deswegen nicht wirken können, weil sie am falschen Ende ansetzen. Vielleich noch etwas klarer kommt das mittels der nachfolgenden beiden Abbildungen zum Ausdruck.

In der ersten (Abb. 6) sind die Altersgruppen teilweise zusammengefasst, um die zentrale Botschaft noch stärker hervortreten zu lassen. In der zweiten (Abb. 7) wurde eine andere Darstellung gewählt.

Relative Anteile der Corona-Infizierten und -Todesfälle 2021 nach ausgewählten Altersgruppen.

Abbildung 6: Relative Anteile der Corona-Infizierten und -Todesfälle 2021 nach ausgewählten Altersgruppen. In der linken Säule sind die Infizierten nach ihrem jeweiligen Anteil farbcodiert eingetragen. Die rechte Säule weist entsprechend die altersgruppenspezifischen Anteile unter den Todesfallzahlen aus. Man erkennt, dass die Infektionen überwiegend bei den Jüngeren auftreten, die Todesfälle indes bei den Älteren. Die Altersgruppe 0-19 stellt 25% der Infizierten, aber nur 0,1% der Todesfälle. Dem fast 84%-igen Anteil der den Altersgruppen 0-19 und 20-59  zugerechneten Infektionen stehen 6,6% der Todesfälle entgegen. Dagegen treten 93,3% der Todesfälle in den Altersgruppen 60-79 und 80+ auf, die ihrerseits nur etwa 16% der Infektionsfälle zu verantworten haben. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Relative Anteile der Corona-Infizierten und -Todesfälle 2021 nach Altersgruppen.

Abbildung 7: Relative Anteile der Corona-Infizierten und -Todesfälle 2021 nach Altersgruppen. Die gelben Säulen zeigen die relativen Infektionshäufigkeiten, die grauen die Todesfälle. Kurz gefasst sieht man auch hier, dass die Infektionen und die Todesfälle in unterschiedlichen Altersgruppen auftreten. Wo nur noch ein Bruchteil der Infektionen verzeichnet wird, sind die Todesfallzahlen am höchsten. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Die Unwirksamkeit vieler politisch verfügter Corona-Maßnahmen kann nach dieser Betrachtung kaum noch verwundern: Sie gehen schlichtweg am Ziel vorbei.

Um den obigen Feuerwehrvergleich nochmals aufzunehmen: Natürlich ist die potentielle Brandgefahr bei der Grundschule endgültig gebannt, die Feuerwehr ist ja schon vor Ort. Das kann sich man als Erfolg schönreden. Aber: Der Unterricht ist gestört und die Schüler leiden. Zugleich steht das Seniorenstift lichterloh in Flammen.

Überblick zu den kritischen Größen Infektionsrisiko, Letalität und Mortalität

Grundsätzlich gilt zwischen den drei Faktoren Infektionsrisiko, Letalität und Mortalität der folgende Zusammenhang:

Mortalität Infektionsrisiko * Letalität

Die Begriffe selbst werden in [9] Das Coronavirus: Harmlos? Bedrohlich? Tödlich? – sumymus blog näher erläutert. Hier eine kurze Zusammenfassung:

Die Mortalität ist der relative Anteil der an einer bestimmten Krankheit Verstorbenen bezogen auf die Gesamtheit der Bevölkerung oder bezogen auf eine bestimmte Personengruppe (z.B. Menschen eines gegebenen Alters oder die Bevölkerung in einer Region).

Die Letalität ist der relative Anteil der Verstorbenen bezogen auf die Gesamtheit der Infizierten oder die Gesamtheit der Infizierten einer bestimmten Personengruppe.

Das Infektionsrisiko beschreibt die Wahrscheinlichkeit für eine (Coronavirus-)Infektion. Es ist abhängig von der Eigenschaften des Virus, von den Umweltbedingungen, von individuellen Faktoren sowie von Maßnahmen zur Kontrolle der Verbreitung des Virus.

Die Letalität ist ein Maß für die Gefährlichkeit des Virus bzw. der Infektion bei gegebener Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems und gegebenem Gesundheitszustand des betreffenden Personenkreises sowie ggf. auch der Impfung. Dagegen misst die Mortalität darüber hinaus das Infektions- bzw. Erkrankungsrisiko. In Bezug auf Corona steckt in der Maßzahl der Mortalität somit auch die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen.

Bei 100%-iger Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ist das Infektionsrisiko = 0 und somit die spezifische Mortalität ebenfalls 0. Ohne Schutzmaßnahmen oder mit wenig effektiven Schutzmaßnahmen liegt das Infektionsrisiko in Abhängigkeit von individuellen Faktoren (z.B. Kontakthäufigkeit, Kontaktdauer, Kontaktintensität) irgendwo zwischen 0 und 100%. Im Extremfall, wenn alle Personen der relevanten Bezugsgruppe infiziert sind, ist die Mortalität gleich der Letalität.

Letalität nach Altersgruppen – Vergleich 2020/2021

Covid-19-Letalität (Sterblichkeitsrate nach einer Corona-Infektion) für 2020 und 2021 nach Altersgruppen im Vergleich.

Abbildung 8: Covid-19-Letalität (Sterblichkeitsrate nach einer Corona-Infektion) für 2020 und 2021 nach Altersgruppen im Vergleich. Für 2021 ist jeweils der Letalitätswert explizit eingetragen. Man sieht, dass die 2021er-Säulen meist etwas kürzer sind als die 2020er. Stark gesunken ist die mittlere Sterblichkeit über alle Altersgruppen. Sie hat sich von 2,47% in 2020 auf 1,28% in 2021 etwa halbiert. Dieser positive Effekt ist indes nur zu einem geringen Teil auf die Impfung zurückzuführen. Trotz der sehr hohen Impfquote in der Altersgruppe 90+ ist die Letalität für die Ältesten sogar gestiegen. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Wie man Abb. 8 entnimmt, ist die Sterblichkeit nach einer Corona-Infektion in einigen Altersgruppen zurückgegangen, in anderen gestiegen, wenn auch beides nur geringfügig. Für die Altersgruppen ab 60 liegt die Letalität in 2021 aber immer noch höher als 1%, zum Teil drastisch höher. Die anderen Altersgruppen, also alle unter 60, weisen hingegen viel kleinere Sterblichkeitsraten p.a. auf. Unter-40-Jährige liegen bei max. 0,03%. Im Diagramm sind diese Säulen skalierungsbedingt daher nicht mehr sichtbar.

Der Rückgang der durchschnittlichen Sterblichkeit (nach einer Corona-Infektion) über alle Altersgruppen in 2021 ist i. W. auf die hohen Infektionszahlen bei den Jüngeren, wie sie oben dokumentiert wurden, zurückzuführen. Sie sind wenig von schweren Verläufen und Tod betroffen und tragen daher kaum zu den Todesfällen bei. Es ist also ein statistischer Effekt.

Um das an einem Beispiel plausibel zu machen: Wenn sich die Infektionszahlen in der Altersgruppe 0-39 verdoppeln, dann hat dies auf die Todesfallzahlen keinen nennenswerten Einfluss. Allenfalls werden die Beträge in Summe um einige 100 Fälle steigen. Prozentual würde das weniger als ein Prozent ausmachen. Zugleich würden aber die Infektionszahlen insgesamt um mehr als 50% steigen. Im Ergebnis würde daher die Sterblichkeitsrate p.a. nach Corona-Infektion auf etwa Zweidrittel (1/1,5) des aktuellen Wertes sinken (also -33%). Und dies völlig ohne irgendeine steuernde Maßnahme, wie z.B. eine Impfpflicht. Genau diesen Effekt kann man in 2021 im Vergleich zu 2020 beobachten, wie wir oben gesehen haben (s. Abb. 3 und 4).

Covid-19-Letalität (Sterblichkeit nach einer Corona-Infektion) für 2020 und 2021 in ausgewählten Altersgruppen im Vergleic

Abbildung 9: Covid-19-Letalität (Sterblichkeit nach einer Corona-Infektion) für 2020 und 2021 in ausgewählten Altersgruppen im Vergleich. In der Relation erkennt man in den höheren Altersgruppen den Rückgang der Sterblichkeit nach einer Infektion. Die mittlere Sterblichkeit über alle Altersgruppen hat sich von 2,47% in 2020 auf 1,28% in 2021 etwa halbiert. Die leichte Abnahme der Sterblichkeit bei den Altersgruppen 60-79 und 80+ ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Ergebnis der prioritären Impfung seit Anfang 2021. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Die Abnahme der Letalitätswerte gegenüber 2020 ist erwähnenswert, vor allem in der Altersgruppe 60-79, sie bleibt aber letztlich doch schwach ausgeprägt. Genau wie in der Altersgruppe 80+ dürfte dieser Rückgang auf die Wirkung der Impfung zurückzuführen sein. Dazu mehr weiter unten bei der Untersuchung der Sterblichkeitsraten für Geimpfte und Ungeimpfte. Die Letalität in den Altersgruppen 60-79 und 80+ bleibt aber dennoch auf hohem Niveau. Auffällig sind die extremen Unterschiede in den Letalitätsraten beim Vergleich zwischen den Älteren und den Jüngeren. Diesbezüglich hat sich zwischen 2020 und 2021 nahezu nichts geändert. Die Säulen für die Altersgruppen 0-19 (0,004%, also ein Fall pro 25.000 Infizierten) und 20-59 (0,014%, also 1 Fall pro 710 Infizierten) sind im Diagramm nicht bzw. gerade noch ansatzweise sichtbar.

Kurvenverlauf der Covid-19-Letalität (Sterblichkeit nach einer Corona-Infektion) für 2020 und 2021 in Abhängigkeit vom Alter.

Abbildung 10: Kurvenverlauf der Covid-19-Letalität (Sterblichkeit nach einer Corona-Infektion) für 2020 und 2021 in Abhängigkeit vom Alter. Um die großen Unterschiede in den Sterblichkeitsraten zu veranschaulichen, wurde in der Darstellung eine logarithmische Skalierung gewählt. Im Lebensalter bis etwa 25 bewegen wir uns hier bei Letalitätswerten von 0,01% und darunter. Hingegen liegen die Sterblichkeitsraten für Lebensalter über 80 höher als 10%. In der Relation sind das in beiden Jahren etwa 1000-fach höhere Werte. Die Kurve für 2021 verläuft im oberen Bereich geringfügig flacher, was vermutlich auf die Wirkung der Impfkampagne zurückzuführen ist. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Der Vergleich der beiden Kurvenverläufe in Abb. 10 zeigt nochmals deutlich, dass sich in 2021 unter dem Gesichtspunkt der Sterblichkeit bei einer Corona-Infektion gegenüber 2020 kaum etwas geändert hat. Letztlich bleiben die Unterschiede jedenfalls gering. Die noch am meisten ins Auge fallenden Abweichungen bei den Unter-30-Jährigen sind in der Gesamtschau belanglos, weil wir hier von sehr niedrigen absoluten Risikoraten um 0,02% und darunter sprechen.

Tatsächlich größer (max. 1%) sind die Differenzen bei höherem Alter etwa zwischen 60 und 90. Der ab einem Alter von 60 gegenüber der 2020er Kurve partiell flachere Verlauf der Kurve für 2021 steht für einen geringeren Anstieg der Sterblichkeit in diesem Altersbereich. Allerdings zeigen sich auch die Grenzen: Bei den 90-Jährigen konnte auch der grundsätzlich positive Effekt der Impfung den Anstieg der Sterblichkeit nicht stoppen. Dabei liegt es auf der Hand: Die Impfung kann vor allem dort einen merklichen Effekt nach sich ziehen, wo das Risiko höher ist. Bei den Jüngeren mit den sehr niedrigen absoluten Risiken bleibt der Einfluss in der Gesamtschau vernachlässigbar.

Mortalität nach Altersgruppen – Vergleich 2020/2021

Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2020 und 2021 nach Altersgruppen im Vergleich.

Abbildung 11: Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2020 und 2021 nach Altersgruppen im Vergleich. Man sieht, dass die 2021er-Säulen stets etwas höher sind als die 2020er. Die Sterblichkeit aufgrund von Corona ist daher in 2021 gegenüber 2020 angestiegen. Die Größe des Effekts erkennt man anhand der mittleren Sterblichkeit über alle Altersgruppen: Sie hat sich von 0,053% in 2020 auf 0,084% in 2021 in der Relation um 59% erhöht. Diese ungünstige Entwicklung ist auf die stark angewachsenen Infektionszahlen zurückzuführen und spiegelt die Zunahme bei den Todesfallzahlen wider. Durch die im Jahresverlauf ohnehin noch nicht voll wirksame Impfung konnte der Anstieg nicht kompensiert werden (s. Text). Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Wie man Abb. 11 entnimmt, ist die Corona-Sterblichkeit insbesondere in den Altersgruppen ab 50 gewachsen, teilweise durchaus signifikant. Für die Altersgruppen 80-89 liegt die Mortalität in 2021 bei 0,57%, in der Altersgruppe 90+ gar bei 1,54%. Damit hat sich die Sterblichkeit in der Spitze um 0,15% bis 0,3% gegenüber dem Wert für 2020 erhöht. In absoluten Zahlen macht das allein bezüglich der Altersgruppen 80-89 und 90+ fast 12.000 Sterbefälle mehr aus. In den Altersgruppen 40-49 bis hinunter zu 0-9 verbleibt die Mortalität hingegen im Wertebereich zwischen 0,009% und 0,0004% (also 1 Fall pro 11.000 in der Altersgruppe 40-49 bzw. 1 Fall pro 250.000 in der Altersgruppe 0-19). Im Diagramm sind diese Säulen skalierungsbedingt nicht mehr sichtbar.

Die Erhöhung der durchschnittlichen Sterblichkeit über alle Altersgruppen in 2021 ist also i. W. auf die nochmals gestiegenen Todesfallzahlen bei den Älteren zurückzuführen. Die Altersgruppen ab 60 und insbesondere ab 80 tragen zum weit überwiegenden Teil zu den Todesfällen bei. Auch die prioritäre Impfung der Älteren und die erzielte hohe Impfquote in dieser Altersgruppe konnte den beobachteten Anstieg der Mortalität nicht verhindern. Durch die Impfung wurde der Zuwachs zwar abgemildert, dies aber nicht so durchgreifend, wie man das zu Beginn des Jahres wohl erhofft hatte. Ein Grund dafür dürfte die relativ schnell nachlassende Schutzwirkung der Impfung sein. Dies spricht nicht grundsätzlich gegen die Impfung, es relativiert aber den zu erwartenden Effekt.

Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2020 und 2021 in ausgewählten Altersgruppen im Vergleich.

Abbildung 12: Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2020 und 2021 in ausgewählten Altersgruppen im Vergleich. Die 2021er-Säulen sind stets etwas höher sind als die 2020er. Die Corona-Sterblichkeit ist daher in 2021 gegenüber 2020 angestiegen. Die größten relativen Zuwächse sind bei den Jüngeren zu verzeichnen. Im Hinblick auf die Sterblichkeit dominieren indessen die Altersgruppen 60-79 und 80+ mit riesigem Abstand. Das spiegelt die Erhöhung der absoluten Fallzahlen der Toten in 2021 wider (s. a. Abb. 4). Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Der direkte Vergleich der Säulenhöhen in Abb. 12 zeigt in allen Altersgruppen einen Anstieg der Corona-Sterblichkeit p.a.. Die relative Zunahme der Sterblichkeit ist dabei hinsichtlich der Altersgruppen unter 80 am stärksten ausgeprägt, wobei die Gruppen 0-19 und 20-59 aufgrund des absolut gesehen sehr niedrigen Risikos in Summe nicht ins Gewicht fallen. Anders sieht es aus in der Altersgruppe 60-79. Hier liegt der relative Zuwachs bei über 95%, was in absoluter Höhe immerhin eine Zunahme um 0,062% bedeutet. Bezüglich der Todesfallzahlen gehen über 11.000 Tote allein auf dieses Konto. Man kann vermuten, dass durch ein schnelleres Voranschreiten Impfung in der Altersgruppe 60-79 ein gewisser Anteil dieser Fälle hätte vermieden werden können (s. dazu die Diskussion zur weiter unten).

Kurvenverlauf der Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2020 und 2021 in Abhängigkeit vom Alter.

Abbildung 13: Kurvenverlauf der Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2020 und 2021 in Abhängigkeit vom Alter. Um die großen Unterschiede in den Sterblichkeitsraten zu veranschaulichen, wurde in der Darstellung eine logarithmische Skalierung gewählt. Im Lebensalter bis etwa 25 bewegen wir uns hier bei Mortalitätswerten von 0,001% und darunter. Hingegen liegen die Sterblichkeitsraten für Lebensalter oberhalb 90 bei 1% und darüber. In der Relation sind das in beiden Jahren etwa 1000-fach höhere Werte. Im Vergleich zu 2020 verläuft die Kurve für 2021 insgesamt etwas flacher, was z. T. vermutlich auf die Wirkung der Impfkampagne zurückzuführen ist. Daneben haben aber vor allem die hohen Infektionszahlen bei den Jüngeren einen markanten Einfluss auf den flacheren Kurvenverlauf. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Der Vergleich der beiden Kurvenverläufe in Abb. 13 zeigt nochmals in aller Klarheit, dass in 2021 unter dem Gesichtspunkt der Gesamtsterblichkeit gegenüber 2020 kein wirklicher Fortschritt erzielt wurde. Im Gegenteil: Die Mortalität hat sich durchweg erhöht. Als Verbesserung kann man allenfalls den geringeren relativen Anstieg bei den Älteren konstatieren. Zumindest zum Teil dürfte dieses Resultat auf den risikosenkenden Effekt der Impfung zurückzuführen sein. Ohne die Impfung würde die Mortalität in den Altersgruppe 60+ und damit auch insgesamt sicher höher liegen. Im Rahmen der Diskussion zur Letalität von Geimpften und Ungeimpften wird dieses Szenario näher beleuchtet.

Detailanalyse zur Letalität nach Alter

Die obigen Kurvendarstellungen für die Letalität und die Mortalität über das Alter erlauben aufgrund der über weite Altersbereiche nahezu linearen Verläufe einfache Näherungsdarstellungen oder andere polynomiale Approximationen. In Abb. 14 ist der Kurvenverlauf der Letalität zusammen mit zwei Näherungskurven in Abhängigkeit vom Alter dargestellt. Erfreulicherweise kann man die effektive Letalität für einen weiten Bereich der interessierenden Lebensalter mittels einer (in logarithmischer Darstellung linear erscheinenden) Exponentialfunktion darstellen.

Die lineare Näherung bringt die entscheidende Aussage in aller Deutlichkeit zum Ausdruck:

Die Letalität steigt exponentiell mit dem Lebensalter.

Das Wesen der Corona-Pandemie liegt bei Lichte betrachtet nicht darin, dass das Virus sich exponentiell ausbreiten kann. Für die effektive Bekämpfung viel wichtiger ist die Erkenntnis des mit dem Alter exponentiell steigenden Risikos. Übersetzt heißt dies: Maßnahmen zur Eindämmung der Todesfallzahlen müssen dort ansetzen, wo die Fallzahlen auftreten. Also bei den Alten, nicht bei den Jungen oder gar bei Kindern. Der Hebel bei den Ersteren hat eine bis zu 1000-fache Übersetzung (s.u.). Umgekehrt ist bei Letzteren das Kosten-Nutzen-Verhältnis um denselben Faktor kleiner.

Kurvenverlauf der Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2020 und 2021 in Abhängigkeit vom Alter.

Abbildung 14: Kurvenverlauf der Covid-19-Letalität (Sterblichkeit nach Infektion p.a.) für 2021 in Abhängigkeit vom Alter. Man beachte die logarithmische Darstellung. Zusätzlich eingezeichnet sind zwei Näherungskurven: Eine exponentiell-lineare Näherung (gestrichelte Linie in braun) und eine exponentiell-kubische Näherung (strichpunktierte Linie in grün). Rohdaten zur Letalitätskurve: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Ausgedrückt in Prozentwerten lautet die Formel für die Letalität:

Letalität 0,01% * 10^(Alter-25)/18

Nach vorstehender Approximationsformel verzehnfacht sich der Letalitätswert pro 18 Lebensjahren. Verglichen mit einem 24-Jährigen hat demzufolge ein 42-Jähriger ein 10-fach, ein 60-Jähriger ein 100-fach und ein 78-Jähriger ein 1000-fach höheres Corona-Sterberisiko p.a. bei vorliegender Corona-Infektion. Für die richtige Einordnung sollte man die Höhe des absoluten Risikos nicht unerwähnt lassen. Es liegt bei 0,008% p.a. für 24-Jährige und folglich bei etwa 8% p.a. für 78-Jährige.

Dargestellt als Zweierpotenz besagt die lineare Näherung Letalität ~ 2^(Alter/5,41). Daher kann man auch festhalten, dass sich die Corona-Sterblichkeit p.a. bei vorliegender Infektion pro etwa 5,5 Lebensjahren verdoppelt.

Weiteres s. Anhang.

Detailanalyse zur Mortalität nach Alter

Der Kurvenverlauf der Mortalität ist in Abb. 15 zusammen mit einer linearen Näherung in Abhängigkeit vom Alter dargestellt. Den tatsächlichen Verlauf kann man auch in diesem Falle durch eine Exponentialfunktion gut approximieren. Die lineare Näherung bringt das Grundsätzliche im Mortalitätsverlauf in aller Klarheit zum Ausdruck:

Die Mortalität wächst exponentiell mit dem Lebensalter.

Damit wird die obige Aussage zum Wesen der Corona-Pandemie auch im Hinblick auf die Mortalität unterstrichen. Die effektive Bekämpfung und Überwindung der Pandemie erfordert daher zielgenaue Maßnahmen, weil ansonsten die um mehrere Größenordnungen unterschiedlichen Risiken bei Älteren und Jungen in einen Topf geworfen und gleichartig behandelt werden. So erzielt man nur einen Bruchteil der möglichen Wirkung bei gleichzeitig maximalem Kosteneinsatz.

Kurvenverlauf der Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2021 in Abhängigkeit vom Alter.

Abbildung 15: Kurvenverlauf der Covid-19-Mortalität (Sterblichkeit p.a.) für 2021 in Abhängigkeit vom Alter. Man beachte die logarithmische Darstellung. Zusätzlich eingezeichnet ist eine exponentiell-lineare Näherung (gestrichelte Linie in braun). Rohdaten zur Letalitätskurve: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Ausgedrückt in Prozentwerten lautet die Formel für die Mortalität p.a.:

Mortalität 0,001% * 10^(Alter-24)/22

Nach dieser Approximationsformel verzehnfacht sich der Mortalitätswert p.a. pro 22 Lebensjahren. Verglichen mit einem 18-Jährigen hat demzufolge ein 40-Jähriger ein 10-fach, ein 62-Jähriger ein 100-fach und ein 84-Jähriger ein 1000-fach höheres Corona-Sterberisiko p.a.. Um das richtig einzuordnen muss man erwähnen, dass das absolute Risiko von 18-Jährigen bei etwa 0,0005% liegt, das von 84%-Jährigen bei 0,5%.

Dargestellt als Zweierpotenz besagt die lineare Näherung Mortalität ~ 2^(Alter/6,62). Daher kann man konstatieren, dass sich das Corona-Sterberisiko p.a. bei vorliegender Infektion pro etwa 6,5 Lebensjahren verdoppelt.

Weiteres s. Anhang.

Detailanalyse zum Infektionsrisiko nach Alter

Der Kurvenverlauf des Infektionsrisiko ist in Abb. 16 zusammen mit zwei Näherungskurve in Abhängigkeit vom Alter dargestellt. Der Verlauf kann durch eine lineare Näherung nicht gut approximiert werden. Es geht hier eher darum, das grundsätzliche Verhalten im Verlauf des Infektionsrisikos in eine einfache Formel zu fassen. Für weite Altersbereiche ist die Abweichung von tatsächlichen Verlauf nicht allzu groß. Die kubische Approximation ist insbesondere für die interessierenden Lebensalter ab 45 sehr viel präziser, aber natürlich auch unhandlicher. Das Wesentliche kommt bereits durch die lineare Näherung zum Ausdruck.

Kurvenverlauf des Covid-19-Infektionsrisikos (Infektionswahrscheinlichkeit p.a.) für 2021 in Abhängigkeit vom Alter.

Abbildung 16: Kurvenverlauf des Covid-19-Infektionsrisikos (Infektionswahrscheinlichkeit p.a.) für 2021 in Abhängigkeit vom Alter. Man beachte die logarithmische Darstellung. Zusätzlich eingezeichnet sind zwei Näherungskurven: Eine exponentiell-lineare Näherung (gestrichelte Linie in braun) und eine exponentiell-kubische Näherung (strichpunktierte Linie in grün). Rohdaten zur Letalitätskurve: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Ausgedrückt in Prozentwerten lautet die Formel für das Infektionsrisiko p.a.:

Infektionsrisiko 10% * 1/10^(Alter-25)/100

Im Unterschied sowohl zur Letalität wie auch zur Mortalität, die beide mit zunehmendem Alter exponentiell wachsen, sehen wir bezüglich des Infektionsrisikos ein gegenteiliges Verhalten: Je höher das Alter, desto geringer die Infektionswahrscheinlichkeit. Diese Abhängigkeit ist zwar nicht so stark und eindeutig ausgeprägt, sie führt aber dennoch dazu, dass das Infektionsrisiko mit dem Alter signifikant zurückgeht. Vermutlich deswegen, weil die Anzahl der Kontakte gleichfalls sinkt.

Ganz grob kann man sagen, dass sich die Infektionswahrscheinlichkeit p.a. pro 30 Lebensjahren in etwa halbiert. Ein Blick auf die Zweierpotenz-Näherungsformel macht das unmittelbar klar.

Infektionsrisiko 12,5% * 1/2^(Alter-15)/30

Weiteres s. Anhang.

Berechnung der Letalität für Geimpfte und Ungeimpfte nach Altersgruppen

Die Letalitätswerte pro Altersgruppe haben wir oben aus den Daten des RKI abgeleitet und diskutiert. Eine Unterscheidung in Geimpfte und Ungeimpfte kann daraus nicht unmittelbar abgeleitet werden, da die Impfstatus der Infizierten und der Verstorbenen in 2021 nicht konsequent erfasst wurden (jedenfalls wurden diese Zahlen vom RKI nicht veröffentlicht). Über einen kleinen Umweg ist es indessen möglich, die Zahl der infizierten und verstorbenen Geimpften, \( g_{Inf} \) und \( g_{Tod} \), indirekt zu berechnen. Gleiches geht natürlich auch für die Ungeimpften (\( u_{Inf} \) und \(u_{Tod} \)).

Das Rechenverfahren mit der Herleitung der nötigen Formeln wird im Anhang näher dargestellt. Die Datengrundlage für die angenommenen altersgruppenspezifischen Impfquoten und Wirksamkeiten ist in Tab. 1 aufgelistet.

Annahmen zu den altersgruppenspezifischen Impfquoten und den Schutzwirkungen der Impfung im Hinblick auf eine Covid-19-Infektion und Tod (an oder mit Corona).

Tabelle 1: Annahmen zu den altersgruppenspezifischen Impfquoten und den Schutzwirkungen der Impfung im Hinblick auf eine Covid-19-Infektion und Tod (an oder mit Corona). Die durchschnittlichen Impfquoten ergeben sich aus dem Verlauf der Impfkampagne im Jahresverlauf aus den Daten des RKI. Die Annahmen zur Schutzwirkung basieren auf den Infektionszahlen Geimpfter und Ungeimpfter (wurden in der zweiten Jahreshälfte für symptomatisch Erkrankte erfasst). Hinsichtlich des Schutzes vor Tod wurden die Todesfallzahlen des RKI in den Kalenderwochen 40-49/2021 zugrunde gelegt. Ferner wurden Studienaussagen über das Nachlassen der Schutzwirkung in den Monaten nach der zweiten Impfdosis berücksichtigt (s. [8]).

Abbildung 17 zeigt die Ergebnisse der Berechnung auf Basis der angenommenen Jahresmittelwerte für die Impfquoten und die Wirksamkeiten (s. Tab. 1).

Folgende Formeln wurden angewendet (s. Anhang):

Berechnung der Letalität \( L_{g} \) für Geimpfte:

\begin{equation} L_{g} = \frac{1-W_{Tod} } {1-qW_{Tod} } \cdot \frac{1-qW_{Inf} } { 1-W_{Inf} } \cdot L \end{equation}

Berechnung der Letalität \( L_{u} \) für Ungeimpfte:

\begin{equation} L_{u} = \frac{ 1-qW_{Inf} } { 1-qW_{Tod} }\cdot L \end{equation}

Berechnete Covid-19-Letalität (Sterblichkeitsrate nach einer Corona-Infektion) in 2021 für Geimpfte und Ungeimpfte nach Altersgruppen.

Abbildung 17: Berechnete Covid-19-Letalität (Sterblichkeitsrate nach einer Corona-Infektion) in 2021 für Geimpfte und Ungeimpfte nach Altersgruppen. Die grauen Säulen zeigen die mittlere Sterblichkeit pro Altersgruppe. Man erkennt, dass die Sterblichkeitsraten von Geimpften in den interessierenden und am meisten gefährdeten Altersgruppen 60-69, 70-79 80-89 und 90+ gegenüber den jeweiligen Referenzwerten (graue Säulen) gesunken sind. Die Letalität der Ungeimpften liegt dagegen überall höher. Der Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften macht in der Relation z.T. mehr als 100 % aus. Die mittlere Sterblichkeit über alle Altersgruppen liegt natürlich nach wie vor bei 1,28 %. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Die mittlere Letalität der Geimpften liegt nach den berechneten Daten bei etwa 3,68%, die der Ungeimpften bei 0,89%. Unter den Geimpften ist demnach die Sterblichkeit im Mittel 4-mal höher. Das erscheint auf den ersten Blick paradox und absolut unplausibel. Indessen lässt sich dieser Effekt sehr leicht erklären. Wie man Tab. 1 entnimmt und wie es ja auch der Realität entspricht, war die Impfquote bei den Älteren ab 60 im Jahresmittel deutlich höher als die Impfquote bei den Jüngeren (Altersgruppen, 0-9, 10-19, 20,29, 30-39, sogar 40.49). Die Ungeimpften rekrutieren sich daher zu einem großen Teil aus diesen zwar nicht geimpften, aber absolut ungefährdeten Altersgruppen, die zu den Todesfallzahlen in Summe weniger als 1% beitragen. Umgekehrt sind gerade die vulnerablen Gruppen geimpft –  und sie haben natürlich trotz der Impfung immer noch ein vielfach höheres Corona-Sterberisiko als die jungen Ungeimpften.

Wir haben oben gesehen, dass sich die Letalität (also die Sterblichkeit bei einer vorliegenden Infektion) pro 18-Lebenjahren verzehnfacht. Wenn nun andererseits die Impfung im Idealfall eine Wirksamkeit von 90% entfaltet, dann wird dieser positive Schutzeffekt im Ergebnis pro 18-Lebensjahren Unterschied aufgezehrt. Demnach hat also z.B. ein 24-Jähriger Ungeimpfter immer noch ein 100-fach geringeres Risiko an Corona zu versterben als ein 78-Jähriger Geimpfter. Tatsächlich ist die Schutzwirkung der Impfung in der Realität gerade für die Ältesten deutlich geringer als 90%, teilweise geht sie eher in Richtung 50%. Deswegen kann es nicht verwundern, dass die Sterblichkeitsrate der Geimpften im Schnitt höher liegt als die der Ungeimpften.

Im Wesentlichen geht es hier um einen statistischen Effekt aufgrund der ungleichen Risikomischung in den beiden Gruppen. Der entscheidende Punkt ist die gewichtete Mittelwertbildung mit den jeweiligen Anteilen unter den Geimpften bzw. Ungeimpften in der Bevölkerung. Vorausgesetzt, die Impfquote in allen Altersgruppen wäre gleich (also gleiche Risikomischung), dann würde die Letalität der Geimpften auch in der Mittelwertbildung über alle Altersgruppen kleiner ausfallen als die der Ungeimpften.

Hypothetische Todesfallzahlen auf Basis der berechneten Letalitätswerte für Geimpfte und Ungeimpfte

Auf Basis der berechneten Letalitätswerte für Geimpfte und Ungeimpfte kann man grob bestimmen, wie hoch die Todesfallzahlen in 2021 gewesen wären, wenn niemand oder alle geimpft gewesen wären. Natürlich ist dieser Ansatz in gewisser Weise spekulativ, weil man nicht sicher vorhersagen kann, welchen Einfluss eine geänderte Impfquote auf die Infektionsfallzahlen gehabt haben würde. Nach allem was wir heute wissen, kann man in erster Näherung davon ausgehen, dass dieser Einfluss eher gering ist. Nach den Daten des RKI zu den symptomatischen Covid-19-Fällen tragen Geimpfte und Ungeimpfte in ähnlichem Grade zum Infektionsgeschehen bei. Geimpfte sind daher, schon wegen ihrer zahlenmäßigen Dominanz, nicht wegzudenkende Treiber der Infektionsdynamik. Unterstellen wir daher in einer ersten Betrachtung, es gebe durch die Impfung keine unmittelbare Rückwirkung auf die Inzidenzen. Wie hoch wären unter dieser Annahme die Todesfallzahlen für 2021 in den beiden Extremszenarien ausgefallen?

In Abb. 18 sind die entsprechenden, auf Basis der berechneten Letalitätswerte und der geschilderten Annahme bestimmten hypothetischen Todesfallzahlen im Vergleich zu den tatsächlichen Fallzahlen nach Altersgruppen getrennt hintereinander dargestellt.

Tatsächliche und hypothetische Todesfallzahlen für 2021 bei unterschiedlichen Annahmen.

Abbildung 18: Tatsächliche und hypothetische Todesfallzahlen für 2021 bei unterschiedlichen Annahmen. Die Reihenfolge der Legende entspricht der Höhe der Säulen von vorne nach hinten. Die grünen Säulen im Vordergrund zeigen die Todesfallzahlen unter der Annahme, alle seien schon zu Beginn des Jahres geimpft (Impfquote 100%) gewesen und würden die Sterblichkeitsrate in Höhe der berechneten Letalität aufgewiesen haben. Im Hintergrund orange dargestellt sind die Säulen für das Alternativszenario ganz ohne Impfung (Impfquote 0%). Die tatsächlichen Fallzahlen werden durch die grauen Säulen aufgezeigt. Zusätzlich dargestellt sind die hypothetischen Fallzahlen unter der gleichfalls nicht abwegigen Annahme, die Letalitätswerte aus 2020 würden auch in 2021 zutreffend gewesen sein (blauen Säulen). Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

In der Gesamtschau macht Abb. 18 klar, dass die Impfung die Fallzahlen in allen Altersgruppen ab 60 merklich verringert. Umgekehrt würde der völlige Verzicht auf die Impfung in genau diesen Altersgruppen für eine signifikante Erhöhung der Fallzahlen gesorgt haben. Keinen nennenswerten Effekt sieht man bei den Altersgruppen unter 50, einen geringen in der Altersgruppe 50-59.

Die Summenwerte der Todesfallzahlen für die vier Szenarien sind in Abb. 19 dargestellt.

Tatsächliche und hypothetische Todesfallzahlen für 2021 in unterschiedlichen Szenarien.

Abbildung 19: Tatsächliche und hypothetische Todesfallzahlen für 2021 in unterschiedlichen Szenarien. Die Grafik zeigt die Summenwerte der Todesfallzahlen für die vier betrachteten Szenarien. Grün: alle schon zu Beginn des Jahres geimpft (Impfquote 100%), Sterblichkeitsrate in Höhe der berechneten Letalität. Orange: Alternativszenario ganz ohne Impfung (Impfquote 0%). Grau: Tatsächliche Fallzahlen in 2021. Blau: Hypothetische Fallzahlen unter der Annahme, die Letalitätswerte aus 2020 würden auch in 2021 gegolten haben. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Das blaue (Sterblichkeit 2020 auch in 2021) und das orange Szenario (berechnete Sterblichkeit für  Ungeimpfte aus den 2021-er Daten) belegen, dass die partielle Impfung in 2021 wohl eine Wirkung entfaltet hat. Jedenfalls würden die Fallzahlen ohne die Impfung mit einiger Wahrscheinlichkeit um einen hohen vierstelligen bis niedrigen 5-stelligen Zahlenwert höher ausgefallen sein. Auch wenn die Szenarien die Realität nicht 1:1 widerspiegeln mögen, so geben sie doch einen validen Hinweis. Das gilt natürlich auch für die Grenzen im Hinblick auf die Höhe des zu erwartenden Resultats.

Die beiden Szenarien „blau“ und „orange“ sind im Ergebnis nicht deckungsgleich. Das war aufgrund der höheren Gefährdung durch die in 2021 verbreitete Delta-Variante auch nicht zu erwarten. Sie weisen aber in dieselbe Richtung. Das stützt die Sinnhaftigkeit des beschriebenen Ansatzes (s. Anhang) zur separaten Ableitung der Letalitätswerte für Geimpfte und Ungeimpfte. Der Vergleich der tatsächlichen Fallzahlen mit dem grünen Szenario zeigt überdies den möglichen Effekt einer hohen Impfquote. Die Fallzahlen gehen sicher nicht auf Null, das ist angesichts der begrenzten und im Zeitverlauf rasch nachlassenden Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe auch nicht zu erwarten. Dennoch ist die mögliche Reduzierung der Anzahl der Todesfälle durchaus signifikant, wenn auch nicht durchschlagend.

Hypothetische Todesfallzahlen bei Änderung der Impfquote

Im vorstehenden Abschnitt haben wir den Aspekt der Infektionszahlen außer acht gelassen. Deswegen müssen die Ergebnisse zunächst als Fingerzeige gelten. Es ist indessen möglich, die Auswirkungen einer geänderten Impfquote und oder einer anderen Wirksamkeit des Impfstoffen mit einer etwas höheren Präzision aus den Felddaten abzuleiten. Dabei gehen wir von folgenden Überlegungen aus:

Eine Veränderung der Impfquote hat Einfluss auf die Anzahl der Geimpften und Ungeimpften und damit auch auf die Infektionszahlen. Die Sterblichkeit sowohl unter den Geimpften wie auch den Ungeimpften berührt das aber in erster Näherung nicht. Daher erscheint die Annahme konstanter Letalitätswerte pro Altersgruppe plausibel. Anders verhält es sich bezüglich der (Gesamt-)Letalität über alle Infizierten. Wenn die Impfquote modifiziert wird oder sich der Infektionsschutz verändert, dann verschieben sich auch die relativen Anteile der Geimpften und Ungeimpften unter den Infizierten und in der Folge auch das Verhältnis zwischen den Todesfallzahlen. Daher wird die (Gesamt-)Letalität bei der beschriebenen Änderung in der Regel nicht gleich bleiben.

Ausgangspunkt für die Ableitung der Formelbeziehungen ist das Invarianz-Postulat:

  • Die altersgruppenspezifischen Letalitätswerte der Geimpften und der Ungeimpften sind invariant hinsichtlich einer Modifikation der Impfquote und / oder einer Veränderung der Wirksamkeit des Impfstoffs im Hinblick auf den Schutz vor Infektion (vorausgesetzt, der Todesfallschutz bleibt gleich).

Die mathematischen Überlegungen finden sich im Anhang.

Folgende Formeln kommen für die Bestimmung der Todesfallzahlen bei modifizierter Impfquote \(q^{*}\) und/oder Wirksamkeit \( W^{*} \) zur Anwendung.

Anzahl der Fälle unter Ungeimpften pro Altersgruppe:

\begin{align} u_{Tod}^{*} = L \cdot \frac{1-q^{*} }{1-qW_{Tod} } \cdot a_{Inf} \end{align}

Anzahl der Fälle unter Geimpften pro Altersgruppe:

\begin{align} g_{Tod}^{*} = L \cdot q^{*} \cdot \frac{1- W^{*} }{1-W } \cdot \frac{1- W_{Tod} }{1-qW_{Tod} } \cdot a_{Inf} \end{align}

Neue (Gesamt-)Letalität pro Altersgruppe:

\begin{align} L^{*} = L_{u} \cdot \frac{1-q^{*} }{1- q^{*} W^{*} } + L_{g} \cdot q^{*} \frac{1-W^{*} }{1- q^{*} W^{*} }  \end{align}

Gesamtanzahl der Fälle pro Altersgruppe:

\begin{align} a_{Tod}^{*} = L^{*} \cdot \frac{1- q^{*} W^{*} }{1-q W} \cdot a_{Inf}
\end{align}

Sofern die Wirksamkeit unverändert bleibt:

\begin{align} a_{Tod}^{*} = L \cdot \frac{1 – q^{*} W_{Tod} } { 1-qW_{Tod}} \cdot a_{Inf}
\end{align}

Die erzielten Ergebnisse für insgesamt 7 unterschiedliche Szenarien mit altersgruppenspezifisch variierten Impfquoten finden sich in den Abbildungen 20 und 21.

Tatsächliche und hypothetische Todesfallzahlen für 2021 bei unterschiedlichen Annahmen zur Höhe der Impfquote.

Abbildung 20: Tatsächliche und hypothetische Todesfallzahlen für 2021 bei unterschiedlichen Annahmen zur Höhe der Impfquote. Die Grafik zeigt die Summenwerte der Todesfallzahlen für sieben unterschiedliche Szenarien betreffend der Impfquoten über die Altersgruppen. Zum Vergleich sind die tatsächlichen Fallzahlen aus 2021 (Rubrik ganz links) aufgeführt. Die Säulen sind von links nach rechts nach der Höhe der Gesamtimpfquote geordnet. Ganz oben sind die jeweiligen Differenzen der Fallzahlen zum Vergleichswert aus 2021 notiert. Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.

Man sieht, dass die Höhe der Impfquote allein nur eine begrenzte Aussagekraft im Hinblick auf die erzielbare Reduzierung der Fallzahlen besitzt. Die zweite Rubrik von rechts steht für eine Impfquote von 85%, dennoch liegen die Todesfallzahlen gleich hoch wie in 2021. Warum? Es sind die Falschen geimpft. Nicht die Alten, sondern die Jungen. Umgekehrt kann man mit einer Impfquote von nur 52% (hellgrüne Säule, vierte Rubrik von links) eine Verringerung der Anzahl der Todesfälle auf einem ähnlichen Niveau erzielen, wie das im Szenario mit 73% Impfquote (dunkelbaue Säule, fünfte Rubrik von links) oder im Szenario mit 90% Impfquote (grüne Säule, Rubrik ganz rechts) möglich ist. Entscheidend ist die Durchimpfung von den höheren zu den niedrigeren Altersgruppen.

In der letzten Grafik wird für die Fallzahlen in den betrachteten Szenarien zusätzlich die Unterscheidung in Geimpfte und Ungeimpfte vorgenommen. Dies wirft noch einmal ein Schlaglicht auf die Grenzen des durch eine hohe Impfquote Erreichbaren im Hinblick auf die am Ende verbleibenden Todesfallzahlen unter Ersteren. Anderes als manche das meinen, gehen die Fallzahlen  ja nicht auf null, wenn es keine Ungeimpften mehr gibt. Die Todesfallinzidenzen reduzieren sich auch nicht auf 10 %, weil die angegebene Impfstoffwirksamkeit von 90 % eher ein theoretischer Wert ist, der z.B. aufgrund der nachlassenden Schutzwirkung in der Praxis nicht erreicht wird.

Ohne Zweifel hat eine hohe Impfquote einen bedeutsamen Effekt auf die Verringerung der Fallzahlen. Es bleibt aber immer noch eine beträchtliche und mit den verfügbaren Impfstoffen offenbar nicht weiter reduzierbare Anzahl von Sterbefällen, weil mit der Impfquote natürlich auch die Todesfallzahlen unter den Geimpften ansteigen. In Abb. 21 sieht man das ganz deutlich. Das spricht nicht gegen die Impfung, denn die Gesamtanzahl der Corona-Todesfälle geht auf jeden Fall zurück. Es relativiert aber den erwartbaren Erfolg.

Tatsächliche und hypothetische Todesfallzahlen (Geimpfte und Ungeimpfte) für 2021 bei unterschiedlichen Annahmen zur Höhe der Impfquote.

Abbildung 21: Tatsächliche und hypothetische Todesfallzahlen (Geimpfte und Ungeimpfte) für 2021 bei unterschiedlichen Annahmen zur Höhe der Impfquote. Die Grafik zeigt die Summenwerte der Todesfallzahlen für sieben unterschiedliche Szenarien betreffend der Impfquoten über die Altersgruppen. Die Säulen sind von links nach rechts nach der Höhe der Gesamtimpfquote geordnet. Grün: Anzahl der Todesfälle bei Geimpften. Orange: Todesfälle bei Ungeimpften. Orange-weiß: Verringerung der Gesamtfallzahlen im Vergleich zu den tatsächlichen Werten aus 2021 (Rubrik ganz links). Rohdaten: RKI, Datenstand 22.01.2022.


Mathematischer Anhang

Die altersabhängige Corona-Sterblichkeit bei Infektion (Letalität)

Die Letalität \(L\) pro 100.000 Infizierten kann durch die folgende exponentiell-lineare Näherungsformel ausgedrückt werden:

\begin{align} L \approx 10^{\frac{Alter-7}{18}} \end{align}

Ausgedrückt in Prozentwerten lautet die Formel für die Letalität:

\begin{align} L \approx 0.01\% \cdot 10^{\frac{Alter-25}{18}} \end{align}

Für den Altersbereich 5-80 bleibt der absolute Fehler unter 0,25%. Der relative Fehler liegt für die Altersgruppe 20-80 meist unter 5%. Es gibt zwei Ausreißer mit einer Überschätzung des Risikos für die Altersgruppen 40-49 (30%) und 50-59 (22%).

Nach obiger Approximationsformel verzehnfacht sich der Letalitätswert pro 18 Lebensjahren. Verglichen mit einem 24-Jährigen hat demzufolge ein 42-Jähriger ein 10-fach, ein 60-Jähriger ein 100-fach und ein 78-Jähriger ein 1000-fach höheres Corona-Sterberisiko p.a. bei vorliegender Corona-Infektion. Für die richtige Einordnung sollte man die Höhe des absoluten Risikos nicht unerwähnt lassen. Es liegt bei 0,008% p.a. für 24-Jährige und folglich bei etwa 8% p.a. für 78-Jährige.

Dargestellt als Zweierpotenz ergibt sich \(L \sim 2^{\frac{Alter}{5,41}}\). Daher kann man festhalten, dass sich das Corona-Sterberisiko p.a. bei vorliegender Infektion pro etwa 5,5 Lebensjahren verdoppelt.

Eine bessere Approximation an den Letalitätsverlauf bietet die nachstehende exponentiell-kubische Näherungsformel:

\begin{align} L \approx & \, e^{ax^3+bx^2+cx+d} \\ \notag
&x=\text{Alter} \\ \notag
&a=-2,23315\cdot 10^{-5} \\ \notag
&b= 0,003765 \\ \notag
&c=-0,0602852 \\ \notag
&d=-9,559193 \\ \notag
\end{align}

Für den Altersbereich 5-95 bleibt der absolute Fehler bis auf zwei Ausnahmen für die Altersgruppe 70-79 (0,65%) und 90+ (2,6%) unter 0,02%. Der relative Fehler ist für die Altersgruppen 20-29, 40-49, 60-69 und 80-89 kleiner als 0,0001%. Für die Altersgruppen 10-19, 30-39, 50-59, 70-79 und 90+ liegt er bei 33%, 19%, 5%, 10% bzw. 11%.

Die altersabhängige Corona-Sterblichkeit (Mortalität)

Eine exponentiell-lineare Näherungsformel für die Mortalität \(M\) pro 100.000 Einwohnern ist durch die folgende Beziehung gegeben:

\begin{align} M \approx 10^{\frac{Alter-24}{22}} \end{align}

Ausgedrückt in Prozentwerten lautet die Formel für die Mortalität p.a.:

\begin{align} M \approx 0.001\% \cdot 10^{\frac{Alter-24}{22}} \end{align}

Für den Altersbereich 5-80 bleibt der absolute Fehler unter 0,005%, für 80-89 und 90+ liegt er bei 0,012% bzw. 0,1%. Der relative Fehler liegt für die Altersgruppe 30-90+ unter 8%. Für die Altersgruppe 20-29 wird das Risiko um 23% überschätzt, für die Altersgruppen 10-19 und 0-9 um 17% bzw. 65% unterschätzt. Das allerdings auf einem sehr niedrigen absoluten Risikoniveau unter 0,0005%.

Nach vorstehender Approximationsformel verzehnfacht sich der Mortalitätswert p.a. pro 22 Lebensjahren. Verglichen mit einem 18-Jährigen hat demzufolge ein 40-Jähriger ein 10-fach, ein 62-Jähriger ein 100-fach und ein 84-Jähriger ein 1000-fach höheres Corona-Sterberisiko p.a.. Um das richtig einzuordnen muss man erwähnen, dass das absolute Risiko von 18-Jährigen bei etwa 0,0005% liegt, das von 84%-Jährigen bei 0,5%.

Wegen \(M \sim 2^{\frac{Alter}{6,62}}\) kann man ebenfalls konstatieren, dass sich das Corona-Sterberisiko p.a. pro etwa 6,5 Lebensjahren verdoppelt.

Das altersabhängige Corona-Infektionsrisiko

Eine passable exponentiell-lineare Näherungsformel für das Infektionsrisiko \( r_{Inf} \) in Prozent kann folgendermaßen formuliert werden:

\begin{align} r_{Inf} \approx 10\% \cdot 10^{-\frac{Alter-25}{100}} \end{align}

Für die Altersgruppen 30-39, 60-69 und 70-79 bleibt der absolute Fehler unter 0,25%, für 50-59 liegt er bei 0,7%, für 10-29 und 80-89 bei max. 2,2%. Etwas größer ist die Abweichung für die Altersgruppen 0-9 (8,5%) und 90+ (4,3%). Der relative Fehler bleibt für die Altersgruppe 10-90 unter 30%.

Die etwas größeren Abweichungen der linearen Näherunsgformel bei den Älteren werden auf Basis der untenstehenden exponentiell-kubischen Approximation vermieden:

\begin{align} r_{Inf} \approx & \, e^{ax^3+bx^2+cx+d} \\ \notag
&x=\text{Alter} \\ \notag
&a=2,33149\cdot 10^{-5} \\ \notag
&b=-0,003795 \\ \notag
&c=0,164816\\ \notag
&d=-4,453015 \\ \notag
\end{align}

Für den Altersbereich 40-90+ bleibt der absolute Fehler der kubischen Näherung unter 0,6%. Die Approximation liegt für die Altersgruppen 0-39 um max. 3,3% daneben. Dabei bleibt der relative Fehler zwischen 20% (10-19) und 45% (0-9). Deutlich kleiner ist der relative Fehler für die Altersgruppen 40-59 (max. 2,4%) sowie 60-69 und 80-89 (<1%). Für die Altersgruppen 70-79 und 90+ liegt er bei max. 12,5%.

Im Unterschied sowohl zur Letalität wie auch zur Mortalität, die beide mit zunehmendem Alter exponentiell wachsen, sehen wir bezüglich des Infektionsrisikos ein gegenteiliges Verhalten: Je höher das Alter, desto geringer die Infektionswahrscheinlichkeit. Diese Abhängigkeit ist zwar nicht so stark und eindeutig ausgeprägt, sie führt aber dennoch dazu, dass das Infektionsrisiko mit dem Alter signifikant zurückgeht. Vermutlich deswegen, weil Ältere im Allgemeinen weniger Kontakte haben oder sich bei ihren Kontakten besser schützten.

Ganz grob kann man sagen, dass sich die Infektionswahrscheinlichkeit p.a. pro 30 Lebensjahren in etwa halbiert. Ein Blick auf die Zweierpotenz-Näherungsformel macht das unmittelbar klar.

\begin{align} r_{Inf} \approx 12,5\% \cdot 2^{-\frac{Alter-15}{30}} \end{align}

Für die Lebensalter 20 – 80 ist die Approximation relativ nahe an der Realität.

Bestimmung der Letalitäten für Geimpfte und Ungeimpfte bei unzureichender Erfassung des Impfstatus

Die Letalität \(L\) für alle Infizierten sowie die Letalitäten für die infizierten Geimpften \( L_{g} \) und Ungeimpften \( L_{u} \) sind folgendermaßen definiert:

\begin{align} L &= \frac{ a_{Tod}} { a_{Inf} } \\
L_{g} &= \frac{ g_{Tod}} { g_{Inf} } \\
L_{u} &= \frac{ u_{Tod}} { u_{Inf} } \end{align}

Der Wert für \(L\) ergibt sich direkt aus den Statistiken des RKI. Da indessen die Impfstatus der Infizierten und der Verstorbenen in 2021 nicht konsequent erfasst wurden (jedenfalls wurden diese Zahlen vom RKI nicht veröffentlicht), können die Letalitätswerte der Geimpften und der Ungeimpften nicht unmittelbar aus dem Datenmaterial des RKI bestimmt werden. Über einen kleinen Umweg ist es indes möglich, die Zahl der infizierten und verstorbenen Geimpften, \( g_{Inf} \) und \( g_{Tod} \), zu berechnen. Gleiches geht natürlich auch für die Ungeimpften (\( u_{Inf} \) und \(u_{Tod} \)).

Bei bekannter Impfquote \(q\) und Wirksamkeit des Impfstoffs greifen wir dazu auf Formel (5) in [11] (Der Effekt der Corona-Impfung auf die Fallzahlen – sumymus blog) zurück und erhalten

\begin{align} g_{Inf} &= \left(1-\frac{1-q} { 1-qW_{Inf} } \right) a_{Inf} \\ \notag
&= q \cdot \frac{1- W_{Inf} } { 1-qW_{Inf} } \cdot a_{Inf} \\
g_{Tod} &= \left(1-\frac{1-q} { 1-qW_{Tod} } \right) a_{Tod} \\ \notag
&= q \cdot \frac{1- W_{Tod} } { 1-qW_{Tod} } \cdot a_{Tod}
\end{align}

Dabei sind \( W_{Inf} \) und \( W_{Tod} \) die entsprechenden Impfstoff-Wirksamkeiten für den Schutz vor Infektion und den Schutz vor Tod.

Für die Anzahl der Ungeimpften ergibt sich analog

\begin{equation} u_{Inf} = \frac{1-q} { 1-qW_{Inf} } \cdot a_{Inf} \end{equation}

\begin{equation} u_{Tod} = \frac{1-q} { 1-qW_{Tod} } \cdot a_{Tod} \end{equation}

Die unbekannten Letalitäten der Geimpften und der Ungeimpften können nun leicht aus den vorstehenden Formeln bestimmt werden:

\begin{align} L_{g} &= \frac{ g_{Tod}} { g_{Inf} } \\ \notag
&= \frac{1-\frac{1-q} { 1-qW_{Tod} } } {1-\frac{1-q} { 1-qW_{Inf} } } \cdot \frac{a_{Tod}} { a_{Inf} } \end{align}

Und somit

\begin{equation} L_{g} = \frac{1-W_{Tod} } {1-qW_{Tod} } \cdot \frac{1-qW_{Inf} } { 1-W_{Inf} } \cdot L
\end{equation}

sowie

\begin{align} L_{u} &= \frac{ u_{Tod}} { u_{Inf} } \\ \notag
&= \frac{\frac{1-q} { 1-qW_{Tod} } } {\frac{1-q} { 1-qW_{Inf} }} \cdot \frac{a_{Tod}} { a_{Inf} } \end{align}

\begin{equation} L_{u} = \frac{ 1-qW_{Inf} } { 1-qW_{Tod} }\cdot L \end{equation}

Das Verhältnis der beiden Letalitäten ergibt sich zu

\begin{equation} \frac{ L_{u} } { L_{g} } = \frac{ 1-W_{Inf} } { 1-W_{Tod} }
\end{equation}

Datengrundlage für die Berechnung der Letalitäten

Die altersgruppenspezifischen Impfquoten und Wirksamkeiten sind grundsätzlich bekannt. Die Impfkampagne begann Anfang 2021, so dass im Hinblick auf die Anwendung der obigen Formel zur Bestimmung der Letalitätswerte für das Gesamtjahr mittlere Impfquoten abgeschätzt werden müssen. Dasselbe gilt für die Wirksamkeiten bezüglich es Infektionsschutzes und des Schutzes vor Tod. Die betreffenden Annahmen sind in Tab. 1 (s.o.) aufgelistet.

Bestimmung der Todesfallzahlen für Geimpfte und Ungeimpfte

Nach obigen Formeln erhalten wir für die Anzahl der verstorbenen Geimpften und Ungeimpften zusammenfassend die folgenden Beziehungen:

\begin{align} g_{Tod} &= L_{g} \cdot g_{Inf} \\ \notag
&= L_{g} \left(1-\frac{1-q} { 1-qW_{Inf} } \right) a_{Inf} \\ \notag
&= L \cdot q \frac{1-W_{Tod} } {1-qW_{Tod} } \cdot a_{Inf} \\ \notag \\
u_{Tod} &= L_{u} \cdot u_{Inf} \\ \notag
&= L_{u} \frac{1-q} { 1-qW_{Inf} } \cdot a_{Inf} \\ \notag
&= L \frac{1-q } {1-qW_{Tod} } \cdot a_{Inf}
\end{align}

Die simple Mathematik zum Effekt von Massenimpfungen

Der Quotient \( \frac{g_{Tod}} { u_{Tod}} \) bringt die Wirkung der Massenimpfung in kompakter Form zum Ausdruck:

\begin{align} \frac{g_{Tod}} {u_{Tod}} = q \cdot \frac{ 1-W_{Tod}} {1-q} \end{align}

Für \(q=0\) und für \( W_{Tod} =1\) gibt es keine verstorbenen Geimpften, für \(q=1\) gibt es keine Ungeimpften.

Das relative Sterberisiko von Geimpften im Vergleich zu Ungeimpften ist \(1 : \frac{1}{1- W_{Tod}}\). Daher sind die Todesfallzahlen bei Geimpften und Ungeimpften gleich hoch, wenn das Zahlenverhältnis zwischen Geimpften und Ungeimpften reziprok proportional zum Verhältnis der Todesfallrisiken ist, wenn also

\begin{align} \frac{q } {1-q} = \frac{1 } {1- W_{Tod} } \end{align}

Die Anzahl der Todesfälle von Ungeimpften überwiegt, sofern die linke Seite kleiner ist. Das ist sicher dann der Fall, wenn die Impfquote die Wirksamkeit nicht übersteigt. Umgekehrt gibt es mehr Todesfälle bei Geimpften, wenn das Zahlenverhältnis zwischen Impfquote und „Nicht-Impfquote“ über den Wert für das Risikoverhältnis auf der rechten Seite hinauswächst.

Der Zusammenhang gilt natürlich auch ganz allgemein für Infizierte oder Hospitalisierte.

\begin{align} \frac{g} { u} = q\cdot \frac{1-W } {1-q} \end{align}

Herleitung der zu erwartenden Infektions- und Todesfallzahlen bei einer geänderten Impfquote und Wirksamkeit des Impfstoffs

Es stellt sich die Frage, wie sich denn die Todesfallzahlen in 2021 entwickelt haben würden, wenn die Imfpquote höher oder niedriger gewesen oder die Wirksamkeit des Impfstoffs eine andere gewesen wäre. Natürlich ist diese Frage spekulativ. Dennoch kann man sich der Antwort nähern und begründete Aussagen zum Effekt solcher Änderungen auf die Todesfallzahlen ableiten. Ausgangspunkt ist das oben formulierte Invarianz-Postulat.

Im Folgenden bestimmen wir die zu erwartenden Infektions- und Todesfallzahlen bei modifizierter Impfquote und Impfstoffwirksamkeit. Das versetzt uns in die Lage, Was-Wäre-Wenn-Analysen durchzuführen.

Grundformeln für Ableitung der hypothetischen Infektions- und Todesfallzahlen

Die modifizierte Impfquote bezeichnen wir mit \(q^{*}\), die geänderte Wirksamkeit für den Schutz vor Infektion nennen wir \(W_{Inf}^{*}\). Der Einfachheit halber verzichten wir dabei auf das Subskript, wenn es aus dem Zusammenhang heraus keine Verwechslungen geben kann; \(W^{*}\) meint also \(W_{Inf}^{*}\).

Wir fragen nach dem formelmäßigen Zusammenhang zwischen den neuen Infektions- und Todesfallzahlen bei der Impfquote \(q^{*}\) und der Infektionsschutz-Wirksamkeit \( W^{*} =W_{Inf}^{*}\) und den Bezugswerten bei der Impfquote \(q^{}\) und der Wirksamkeit \(W =W_{Inf}\). Dabei setzen wir eine unveränderte Wirksamkeit \(W_{Tod}\) bezüglich des Schutzes vor Tod voraus. Die neuen Infektions- und Todesfallzahlen bezeichnen wir mit \( g_{Inf}^{*} = g_{Inf}^{\left(q^{*},W^{*}\right)}\), \( u_{Inf}^{*} = u_{Inf}^{\left(q^{*},W^{*}\right)}\), \( a_{Inf}^{*} = a_{Inf}^{\left(q^{*},W^{*}\right)}\), die Bezugswerte mit \( g_{Inf} = g_{Inf}^{\left(q,W\right)}\), \( u_{Inf} = u_{Inf}^{\left(q,W\right)}\), \( a_{Inf} = a_{Inf}^{\left(q,W\right)}\).

Wir erhalten die folgenden Beziehungen:

\begin{align} \frac{ u_{Inf}^{*}} { u_{Inf}} &= \frac{1-q^{*}}{ 1-q } \\
\frac{ g_{Inf}^{*}} { g_{Inf}} &= \frac{ q^{*}}{q} \frac{ 1-W^{*} }{ 1-W } \\ \frac{ a_{Inf}^{*}} { a_{Inf}} &= \frac{1-q^{*} W^{*} }{1- q W } \end{align}

Erläuterung und Plausibilisierung der Beziehungen

Zur Motivation der Formeln betrachten wir eine Kohorte von 1000 Personen, 400 Geimpften und 600 Ungeimpften. Die Impfquote ist daher 40%. Der Infektionsschutz möge bei 60% liegen. Nehmen wir an, 30 Ungeimpfte seien infiziert. Demnach gibt es nun also \( \small (1-0,6)\cdot \frac{0,4}{1-0,4}\cdot 30 =8\) infizierte Geimpfte. Wenn wir nun die Impfquote auf 70% erhöhen, dann haben wir 700 Geimpfte und nur noch 300 Ungeimpfte. Entsprechend geht die Zahl der infizierten Ungeimpften auf \( \small \frac{300}{600}\cdot 30 = 15 \) zurück. Zugleich steigt die Anzahl der infizierten Geimpften auf \( \small \frac{700}{400}\cdot 8 = 14 \).

Die Anzahl der infizierten Ungeimpften verändert sich demnach proportional zur Quote der Nicht-Geimpften, wie man das intuitiv erwartet. Im Beispiel ist das der Faktor \( \small \frac{1-0,7}{1-0,4} = \frac{0,3}{0,6}\). Auf der anderen Seite wird die Anzahl der infizierten Geimpften entsprechend im Verhältnis der Impfquoten \( \small \frac{0,7}{0,4}\) erhöht.

Wenn sich die Wirksamkeit verändert, hat das offensichtlich keinen Einfluss auf die Anzahl der infizierten Ungeimpften. Doch wie verhält es sich bei den Geimpften? Gehen wir noch einmal zum obigen Beispiel und lassen nun die Impfquote konstant bei 40%, verändern aber die hypothetische Wirksamkeit von 60% auf 80%. Im Ergebnis sinkt die Anzahl der infizierten Geimpften auf \(\small(1-0,8)\cdot \frac{0,4}{1-0,4}\cdot 30 =4\). Ihre Anzahl verändert sich daher proportional zum Verhältnis der Restrisiken. Im Beispiel \( \small \frac{1-0,8}{1- 0,6} \cdot 8 = \frac{0,2}{0,4} \cdot 8 = 4 \). Zugleich sinkt die Gesamtzahl der Infizierten von \( \small 30+8 = 38\) auf \( \small 30+4 = 34\).

Wenn sowohl die Impfquote als auch die Wirksamkeit modifiziert werden, so ändert sich gegenüber den beiden Beispielen nichts bei den Ungeimpften, ihre Zahl geht auf \( \small \frac{1-0,7}{1-0,4}\cdot 30 = 15 \) zurück. Die Zahl der infizierten Geimpften verändert sich dagegen proportional zum Verhältnis \( \small \frac{0,7}{0,4}\cdot \frac{1-0,8}{1-0,6}= \frac{0,7}{0,4} \cdot \frac{0,.2}{0,4} = \frac{7}{8} \) auf \( \small \frac{7}{8} \cdot 8 = 7 \).

Werfen wir noch einen kurzen Blick auf die Gesamtzahl der Infizierten. Im ersten Beispiel sinkt sie von \( \small 30+8 = 38\) auf \( \small 15+14 = 29\). Das ist das Verhältnis \( \small \frac{1 – 0,7\cdot 0,6}{1- 0,4 \cdot 0,6} = \frac{1 – 0,42}{1-0,24} = \frac{58}{76} = \frac{29}{38}\). Analog im zweiten Beispiel: Die Gesamtzahl der Infizierten verringert sich von \( \small 30+8 = 38\) auf \( \small 30+4 = 34\) und geht damit proportional zum Verhältnis \( \small \frac{1 – 0,4\cdot 0,8}{1- 0,4 \cdot 0,6} = \frac{1 – 0,32}{1-0,24} = \frac{68}{76} = \frac{34}{38}\) zurück. Schließlich stellt sich im dritten Fall bei der gleichzeitigen Veränderung von Impfquote und Wirksamkeit die neue Anzahl der Infizierten, also \( \small 15+7 = 22\), entsprechend dem Verhältnis \( \small \frac{1 – 0,7\cdot 0,8}{1- 0,4 \cdot 0,6} = \frac{1 – 0.56}{1-0.24} = \frac{44}{76} = \frac{22}{38}\) ein.

Formeln für die Bestimmung der Infektionszahlen Geimpfter und Ungeimpfter

Kommen wir zurück zur Berechnung der Anzahl der infizierten Geimpften und Ungeimpften. Für die Fallzahlen bei Änderung der Impfquote und der Wirksamkeit erhalten wir

\begin{align} u_{Inf}^{*} &= \frac{1- q^{*} }{1-q W } \cdot a_{Inf} \\ g_{Inf}^{*} &= q^{*} \frac{1-W^{*} }{1-q W } \cdot a_{Inf} \end{align}

Formeln für die Bestimmung der Todesfallzahlen Geimpfter und Ungeimpfter

Im Weiteren können wir auf Basis obiger Formeln auch die Höhe der zu erwartenden Todesfallzahlen der infizierten Geimpften und Ungeimpften nach einer Modifikation von Impfquote und Wirksamkeit direkt aus den Werten für die Gesamtzahl der Infizierten vor der Veränderung errechnen. Wie oben bezeichnen wir die neuen Todesfallzahlen mit \( g_{Tod}^{*} = g_{Tod}^{\left(q^{*},W^{*}\right)}\), \( u_{Tod}^{*} = u_{Tod}^{\left(q^{*},W^{*}\right)}\), \( a_{Tod}^{*} = a_{Tod}^{\left(q^{*},W^{*}\right)}\) und die Bezugswerte mit \( g_{Tod} = g_{Tod}^{\left(q,W\right)}\), \( u_{Tod} = u_{Tod}^{\left(q,W\right)}\), \( a_{Tod} = a_{Tod}^{\left(q,W\right)}\).

\begin{align} u_{Tod}^{*} &= L_{u} \cdot u_{Inf}^{*} \\ \notag
&= L_{u} \cdot \frac{1-q^{*} }{ 1-q} \cdot u_{Inf} \\ \notag
&= L_{u} \cdot \frac{1-q^{*} }{1-q W} \cdot a_{Inf} \\ \notag
&= L \cdot \frac{1-q^{*} }{1-qW_{Tod} } \cdot a_{Inf}
\end{align}

\begin{align} g_{Tod}^{*} &= L_{g} \cdot g_{Inf}^{*} \\ \notag
&= L_{g} \cdot \frac{ q^{*}}{q} \cdot \frac{ 1-W^{*} }{ 1-W } \cdot g_{Inf} \\ \notag
&= L_{g} \cdot q^{*} \cdot \frac{1-W^{*} }{1-q W} \cdot a_{Inf} \\ \notag
&= L \cdot q^{*} \cdot \frac{1- W^{*} }{1-W } \cdot \frac{1- W_{Tod} }{1-qW_{Tod} } \cdot a_{Inf}
\end{align}

Diese Beziehungen können wir nur deswegen so formulieren, weil sich die Letalitäten für die Geimpften und Ungeimpften im betrachteten Szenario nicht verändern, weil also \(L_{g}^{*} = L_{g} \) und \(L_{u}^{*} = L_{u} \). Das Invarianzpostulat wurde oben erläutert. Für die Gesamtletalität gilt dagegen \(L^{*} \ne L \).

Die Bestimmung der Gesamtletalität bei geänderter Impfquote und Wirksamkeit

Zur Bestimmung von \( L^{*} \) gehen wir aus von

\begin{align} a_{Tod}^{*} &= L^{*} \cdot a_{Inf}^{*} \\ \notag
&= L^{*} \cdot \frac{1- q^{*} W^{*} }{1-q W} \cdot a_{Inf} \\ \notag
\end{align}

Wegen

\begin{align} a_{Tod}^{*} &= u_{Tod}^{*} + g_{Tod}^{*} \\ \notag
&= L_{u} \cdot u_{Inf}^{*} + L_{g} \cdot g_{Inf}^{*} \\ \notag
&= L_{u} \cdot \frac{1-q^{*} }{1- q^{*} W^{*} } \cdot a_{Inf}^{*} + \\ \notag
&\quad L_{g} \cdot q^{*} \frac{1-W^{*} }{1- q^{*} W^{*} } \cdot a_{Inf}^{*} \\ \notag
&= \left( L_{u} \cdot \frac{1-q^{*} }{1- q^{*} W^{*} } + L_{g} \cdot q^{*} \frac{1-W^{*} }{1- q^{*} W^{*} } \right) \cdot a_{Inf}^{*} \\ \notag
\end{align}

bekommen wir für \(L^{*} \) den Ausdruck

\begin{align} L^{*} &= L_{u} \cdot \frac{1-q^{*} }{1- q^{*} W^{*} } + L_{g} \cdot q^{*} \frac{1-W^{*} }{1- q^{*} W^{*} } \\ \notag
&= L \cdot \frac{1-qW}{1- q^{*} W^{*}} \cdot \\ \notag
& \quad \frac{(1-W) – q^{*} W_{Tod} ( 1-W^{*} )+ q^{*} (W- W^{*} ) } { (1-qW_{Tod}) (1-W)}
\end{align}

Die Gesamtletalität bei geänderter Impfquote und gleicher Wirksamkeit

Für \(W^{*} = W\) vereinfacht sich die \( L^{*} \)-Formel auf

\begin{align} L^{*} = L \cdot \frac{1-qW}{1- q^{*} W} \cdot \frac{1 – q^{*} W_{Tod} } { 1-qW_{Tod}}
\end{align}

womit sich der Zusammenhang zwischen den nach der Modifikation zu erwartenden Todesfallzahlen \( a_{Tod}^{*} \) und den ursprünglichen Infektionszahlen \( a_{Inf} \) für diesen Spezialfall deutlich kürzer fassen lässt:

\begin{align} a_{Tod}^{*} &= L \cdot \frac{1 – q^{*} W_{Tod} } { 1-qW_{Tod}} \cdot a_{Inf}
\end{align}


Quellen

[1] Robert Koch-Institut, COVID-19_Todesfälle nach Sterbedatum https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Projekte_RKI/COVID-19_Todesfaelle.html

[2] Robert Koch-Institut, COVID-19_Fälle nach Altersgruppe und Meldedatum
RKI – Coronavirus SARS-CoV-2 – COVID-19-Fälle nach Altersgruppe und Meldewoche (Tabelle wird jeden Donnerstag aktualisiert)

[3] Robert Koch-Institut, Coronavirus Situationsberichte, Wochenbericht https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenberichte_Tab.html

[4] Robert Koch-Institut, Coronavirus Inzidenzen und Impfstatus https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Inzidenz_Impfstatus.html

[5] Robert Koch-Institut, Coronavirus Fallzahlen https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Fallzahlen_Kum_Tab.html

[6] Robert Koch-Institut, Coronavirus Impfquotenmonitoring https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Impfquotenmonitoring.html

[7] Robert Koch-Institut, Inzidenzen der symptomatischen und hospitalisierten COVID-19-Fälle nach Impfstatus https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Daten/Inzidenz_Impfstatus.html

[8] Wie lange schützt der Impfstoff von Biontech, Moderna und Astrazeneca | Spektrum

[9] Das Coronavirus: Harmlos? Bedrohlich? Tödlich? – sumymus blog

[10] Gibt es eine Korrelation zwischen Impfquote und Inzidenz?

[11] Der Effekt der Corona-Impfung auf die Fallzahlen – sumymus blog

[12] Wer treibt die Infektionen? Ungeimpfte oder Geimpfte? – sumymus blog

Das Coronavirus: Harmlos? Bedrohlich? Tödlich?

Für die Politik und die Medien ist die Corona-Pandemie spätestens seit März d. J. das nahezu alles dominierende Thema. Die Gefährlichkeit des Coronavirus stand von Anfang an außer Frage. Deshalb haben die Länder und der Bund im März und April unter fachkundiger Beratung von Virologen und Medizinern schnell drastische Maßnahmen zur Abwendung eines Kollaps des Gesundheitssystems verfügt und einen „Lockdown“ der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens beschlossen. Das schien damals die einzige Möglichkeit zu sein, die exponentielle Verbreitung des Virus einzudämmen. Ein richtig harter Lockdown war es nicht, eher ein halbherziger. Obwohl das Virus bereits im November 2019 in China erstmals aufgetaucht war, wusste auch die Wissenschaft zu Beginn des Jahres 2020 noch sehr wenig über das Virus und seine Verbreitungswege. Deswegen war es richtig, vorsorgliche Maßnahmen zu treffen. Besser noch wäre es gewesen, den Lockdown mit größerer Konsequenz durchzuführen.

Nach nahezu täglichen, dramatische Szenarien heraufbeschwörenden Corona-Sondersendungen in ARD und ZDF, war die Mehrheit der Bevölkerung sehr schnell von der Bedrohung durch das Coronavirus überzeugt und stützte den Kurs der Regierung. Mit leichten Einschränkungen gilt das noch heute.

Kritik am Corona-Kurs

Von Anfang an meldeten sich indessen auch Kritiker zu Wort. Den einen waren die Maßnahmen nicht hart und konsequent genug, den anderen gingen sie zu weit, weil sie in vielen Lebensbereichen wirtschaftliche Existenzen zu vernichten drohen. Eine Minderheit von vielleicht 10 – 20 % lehnt die politischen Maßnahmen aus unterschiedlichen Beweggründen heraus vollends ab. Darunter sind Menschen, die ernstliche Sorge um Ihre demokratischen Freiheitsrechte haben. Wieder andere, die gute Gründe zur Relativierung der Corona-Pandemie ins Feld führen und von der Politik zielgenaue und verhältnismäßige Maßnahmen einfordern. Es gibt aber auch eine durchaus nennenswerte Zahl von Wirrköpfen, die sich selbst als „Querdenker“ bezeichnen, dabei aber noch nicht einmal das „Geradeausdenken“ in hinreichendem Maße beherrschen. Wohlgemerkt, das trifft nicht pauschal auf alle „Querdenker“ zu. Dennoch: Die sogenannten Querdenker lehnen die verfügten politischen Maßnahmen rundweg ab. Sie halten das Coronavirus i. W. für harmlos und die Maßnahmen daher schlichtweg für unnötig und schädlich.

Wie fast immer, liegt die Wahrheit in der Mitte. Weder gibt es einen Grund, Katastrophenszenarien heraufzubeschwören, noch darf man die vom Coronavirus ausgehende Gefahr kleinreden.

Wie hoch ist das Risiko?

Unabhängig davon gab und gibt es auch unterschiedliche Einschätzungen zur tatsächlichen Gefährlichkeit des Coronavirus. Einwände kommen dabei nicht nur von „Verschwörungstheoretikern“. Auch eine Minderheit von Medizinern und Virologen gehört dazu, darunter der weltweit renommierteste Epidemiologe, John Ioannidis von der Stanford University. Nach Ioannidis, der dazu eine Reihe von Metastudien ausgewertet hat, liegt die globale Sterblichkeit (Letalität) quer über alle Altersgruppen bei 0,23%. Demnach würde also einer von 450 Infizierten versterben. Das klingt tatsächlich nicht allzu bedrohlich und liegt in der Größenordnung der Letalität einer starken Grippewelle. Indessen ist die Sterblichkeit sehr stark vom Alter der Infizierten und von eventuellen Vorerkrankungen abhängig. Menschen mit Herzerkrankungen, Diabetiker, Raucher, Übergewichtige und alle mit vorgeschädigten Lungen (z.B. aufgrund von Smog) tragen generell ein höheres Risiko.

Betrachten wir im Folgenden die Fakten zu den Infektionszahlen und der resultierenden Sterblichkeit in Deutschland. Per 1. Dezember 2020 gibt es nach Angaben des RKI kumuliert knapp 1,06 Mio. Infizierte (genau 1.057.192), davon sind 16.701 Personen „an oder mit“ Corona verstorben. Daraus können wir leicht eine pauschale Letalität von 1,58% bestimmen. Demnach verstirbt einer von 63 Infizierten. Das ist gewiss nicht wenig und liegt signifikant über der Sterblichkeit der gewöhnlichen Influenza.

Suche nach den richtigen Maßnahmen

Sind also die Maßnahmen der Politik berechtigt? Ist die Corona-Pandemie gar „die größte Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg“, wie Bundeskanzlerin Merkel das formuliert hat? – Letzteres ist definitiv einige Hausnummern zu hoch gegriffen und darf als Beispiel für einen Kakophemismus gelten, also das Gegenteil einer beschönigenden Darstellung. Nur wer diese oberflächliche Faktenanalyse bereits für eine hinreichende Daten- und Entscheidungsgrundlage hält, kann die getroffenen Lockdown-Maßnahmen für sinnvoll und zielführend erachten.

Ebenso wenig wie die absoluten Infektionszahlen erweist sich also auch die o.g. pauschale Letalitätsrate als ungeeignete Messlatte. Wir brauchen mindestens eine differenzierte Betrachtung nach Altersgruppen.

Mortalität

Die Mortalität ist der relative Anteil der an einer bestimmten Krankheit Verstorbenen bezogen auf die Gesamtheit der Bevölkerung oder bezogen auf eine bestimmte Personengruppe (z.B. Menschen eines gegebenen Alters oder die Bevölkerung in einer Region). Beispiel 1: 150 von 1 Million Einwohnern eines Landes sterben infolge einer COVID-19-Erkrankung. Dies entspricht einer (Corona- bzw. COVID-19) Mortalität von 150/1.000.000 = 0,015%. Beispiel 2: 100 von 200.000 Menschen in der Altersgruppe 80+ sterben infolge einer COVID-19-Erkrankung. Dies entspricht einer spezifisch gruppenbezogenen (Corona- bzw. COVID-19) Mortalität von 100/200.000 = 0,5%.

Letalität

Die Letalität ist der relative Anteil der Verstorbenen bezogen auf die Gesamtheit der Infizierten oder die Gesamtheit der Infizierten einer bestimmten Personengruppe. Beispiel 1: 10.000 Personen sind infiziert, davon versterben 150. Dies entspricht einer Letalität von 150/10.000 = 1,5%. Beispiel 2: 2.000 Personen in der Altersgruppe 80+sind infiziert, davon versterben 100. Dies entspricht einer gruppenbezogenen Letalität von 100/2.000 = 5%.

Mortalität und Letalität im Vergleich

Der Unterschied zwischen Mortalität und Letalität besteht darin, dass sich die erste Zahl auf die Gesamtheit der definierten Personengruppe bezieht (Anzahl der Verstorbenen geteilt durch Anzahl der Infizierten bzw. Kranken inklusive Anzahl der Gesunden), während der zweite Wert ausschließlich auf die Untermenge der infizierten Personen abstellt (Anzahl der Verstorbenen geteilt durch Anzahl der Infizierten exklusive Anzahl der Gesunden).

Die Letalität ist somit ein Maß für die Gefährlichkeit einer Infektion bei gegebener Leistungsfähigkeit des Gesundheitssystems und gegebenem Gesundheitszustand des betreffenden Personenkreises. Maßnahmen zum Infektionsschutz haben in erster Näherung keine Auswirkungen auf die Letalität (indirekt aber schon, wenn z.B. besonders gefährdete Gruppen infiziert werden und dadurch die Letalität steigt).

Dagegen misst die Mortalität darüber hinaus das Infektions- bzw. Erkrankungsrisiko. In Bezug auf Corona steckt in der Maßzahl der Mortalität somit auch die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen. Je wirksamer der Infektionsschutz, desto kleiner die Anzahl der Infizierten und demzufolge auch desto geringer die Mortalität. Verkürzt kann man das in folgender Formel zusammenfassen:

Mortalität = Infektionsrisiko * Letalität

Bei 100%-iger Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen ist das Infektionsrisiko = 0 und somit die spezifische Mortalität ebenfalls 0. Ohne Schutzmaßnahmen oder mit wenig effektiven Schutzmaßnahmen liegt das Infektionsrisiko in Abhängigkeit von individuellen Faktoren (z.B. Kontakthäufigkeit, Kontaktdauer, Kontaktintensität) irgendwo zwischen 0 und 100%. Im Extremfall, wenn alle Personen der relevanten Bezugsgruppe infiziert sind, ist die Mortalität gleich der Letalität.

Was sind die richtigen Maßnahmen?

Nach dem Vorstehenden kann man die Todesfallzahlen auf zweierlei Weise niedrig halten: 1. Durch die Vermeidung von Infektionen. 2. Durch effektive medizinische Behandlung. Keine Frage, besser ist es allemal, Infektionen ganz zu vermeiden. Dabei kommt es aber darauf an, die Infektionsschutzmaßnahmen dort anzusetzen, wo sie z.B. im Hinblick auf die Reduzierung der Sterbefälle die größtmögliche Wirkung entfalten. Pauschal auf die Gesamtbevölkerung abzielende halbherzige Maßnahmen wie im „Lockdown light“ sind eher ineffektiv, weil sie die große Anzahl der eher wenig gefährdeten Jüngeren unter 60 genauso behandeln, wie die sehr viel stärker bedrohte Personengruppe der über 80-Jährigen.

Wenn man die Infektionszahlen durchgreifend reduzieren will, so dass auch die besonders gefährdeten Altersgruppen 80+ und 60-79 schnell davon profitieren, dann geht das nur mit einem harten Lockdown. Dieser muss so lange dauern, bis die Reproduktionszahl (R-Wert) stabil auf einem Wert deutlich unter 1 verharrt, am besten bei 0,5 bis 0,7. Das ist voraussichtlich nach etwa 3 Wochen der Fall. In der Folge muss der R-Wert dauerhaft unter 1, besser unter 0,9 bleiben. Dafür könnte eine Variante des „Lockdown light“ ausreichen. Für die generelle Diskussion zur Modellbildung s. [27].

Analyse des Datenstandes: Infizierte und Todesfälle

Im Folgenden analysieren wir den Datenstand im gegenwärtigen „Lockdwon light“ per 01.12.2020.

Bevölkerungsanteile pro Altersgruppe (2019). Beispiel: 5,68 Mio. bzw. 6,8% der Menschen sind in der Altersgruppe 80 und darüber.

Abbildung 1: Bevölkerungsanteile pro Altersgruppe (2019). Beispiel: 5,68 Mio. bzw. 6,8% der Menschen sind in der Altersgruppe 80 und darüber.

COVID-19-Infizierte pro Altersgruppe. Per 01.12.2020 waren insgesamt 1.057.192 Menschen infiziert.

Abbildung 2: COVID-19-Infizierte pro Altersgruppe. Per 01.12.2020 waren insgesamt 1.057.192 Menschen infiziert.

Der Anteil der Infizierten in der Altersgruppe 80+ liegt bei 7,2%. Für die Altersgruppe 0-59 haben wir 1.401 Infizierte pro 100.000 Personen. Bei den 60-79-Jährigen ist dies mit 820 Infizierten pro 100.000 Personen signifikant geringer ausgeprägt. Auffallend ist, dass die Altersgruppe 80+ der besonders gefährdeten Menschen wiederum einen deutlich erhöhten Infektionsanteil aufweist (1.341 Infizierte pro 100.000 Personen). Dieser Wert ist fast so hoch wie in der Gruppe der 0-59-Jährigen. Die Zahl liegt sogar über dem Durchschnittswert für die Gesamtbevölkerung (1.271 Infizierte pro 100.000 Einwohner).

Im Folgenden werden die Bevölkerungsanteile und die Infektionszahlen einander gegenübergestellt (s. Abb. 3).

Bevölkerungsanteile vs. COVID-19 Infizierte pro Altersgruppe.

Abbildung 3: Bevölkerungsanteile vs. COVID-19 Infizierte pro Altersgruppe. Der Gegenüberstellung entnimmt man, dass die 0-59-Jährigen und die Menschen in der die Altersgruppe 80+ überproportional häufig infiziert sind (10% bzw. 5% über dem Durchschnitt). Bei den 60-79-Jährigen ist der Anteil der Infizierten signifikant geringer (14,02/21,71 65%, d.h., 35% unter dem Durchschnitt).

Die Darstellung in Abb. 3 macht klar, dass die besonders gefährdete Personengruppe der Über-80-Jährigen durch die verfügten Schutzmaßnahmen nicht in dem Maße vor Infektionen geschützt wird, wie dies angesichts des erhöhten Sterberisikos nötig wäre. Wir werden gleich sehen, welche fatale Auswirkung dies auf die Todesfallzahlen hat. Eine der möglichen Ursachen werden wir weiter unten näher beleuchten. Auf der anderen Seite hat zumindest die Altersgruppe der 60-79-Jährigen ein nennenswert geringeres Infektionsrisiko mit positiver Auswirkung auf die Todesfallzahlen. Der Grund dafür könnte darin bestehen, dass sich die Menschen dieser Gruppe des grundsätzlichen Ansteckungsrisikos äußerst bewusst sind und sich proaktiv selbst schützen. Die Altersgruppe 0-59 hat mehr Kontakte und daher auch ein höheres Infektionsrisiko.

Eher geringer sind die Kontaktzahlen wohl in der Altersgruppe 80+, indessen haben viele Menschen in diesem Alter aufgrund von Pflegebedürftigkeit (häuslich oder stationär im Heim) nicht mehr die volle Kontrolle über ihr eigenes Leben und können sich nicht effektiv schützen, daher die überdurchschnittliche Infektionszahl im Vergleich zum Bevölkerungsanteil. Dieser Missstand schlägt sich unmittelbar auf die Todesfallzahlen nieder. In Abb. 4 sind die entsprechenden Werte bezogen auf 100.000 Einwohner dargestellt.

COVID-19 Todesfälle pro Altersgruppe. Per 01.12.2020 waren kumulativ 16.701 Menschen „an oder mit“ COVID-19 verstorben.

Abbildung 4: COVID-19 Todesfälle pro Altersgruppe. Per 01.12.2020 waren kumulativ 16.701 Menschen „an oder mit“ COVID-19 verstorben.

Der Anteil der Sterbefälle in der Altersgruppe 80+ liegt bei 65,6%. Nur 758 bzw. 4,5% der Toten sind der Altersgruppe 0-59 zugeordnet. Dies entspricht einer Inzidenz von 0,9 Fällen pro 100.000 Einwohner verglichen mit 13,2 Fällen in der Altersgruppe 80+ und weniger halb so viel (6,0) in der Altersgruppe 60-79, die indessen mehr als 3-mal mehr Menschen zählt als die Altersgruppe 80+. Es zeigt sich hier schon, dass die Altersgruppe 80+ ungenügend geschützt wird.

COVID-19 Infizierte vs. Todesfälle pro Altersgruppe.

Abbildung 5: COVID-19 Infizierte vs. Todesfälle pro Altersgruppe. In dieser Gegenüberstellung fällt sofort die extreme Asymmetrie zwischen den Infektionszahlen und den Todesfallzahlen pro Altersgruppe ins Auge.

Auf ca. 79% der Infizierten in der Altersgruppe 0-59 fallen nur etwa 4,5% der an COVID-19 Verstorbenen (1,28 Tote pro 100.000 Personen in der Altersgruppe). Weitere 30% der Todesfälle kommen aus der Gruppe der 60-79-Jährigen, die 14% der Infizierten stellen (27,5 Tote pro 100.000 Personen in der Altersgruppe). Fast Zweidrittel (65,64%) der Toten treten auf in der Altersgruppe 80+, die indessen weniger als 7% der Infizierten stellen (193 Tote pro 100.000 Personen in der Altersgruppe).

Analyse des Datenstandes: COVID-19-Mortalität

Die beiden Säulen in Abb. 5 machen transparent, dass die im Vergleich relativ geringe Anzahl an Infizierten aus der Altersgruppe 80+ dennoch die Sterbefälle dominieren. Man kann dies noch klarer aufzeigen durch die Bezugnahme auf die entsprechenden Bevölkerungsanteile. Dies wird in der nachfolgenden Grafik als spezifische Mortalität pro 100.000 Personen der Altersgruppe demonstriert.

Spezifische COVID-19 Mortalität nach Altersgruppen per 01.12.2020.

Abbildung 6: Spezifische COVID-19 Mortalität nach Altersgruppen per 01.12.2020. Man beachte, dass hier die spezifische Mortalität bezogen auf die Personenzahl der betreffenden Altersgruppe aufgetragen ist. Die gestrichelte Linie markiert die durchschnittliche Mortalität über alle Altersgruppen (Rubrik ganz links).

Der vorstehenden Abb. 6 entnimmt man direkt, wie stark die betrachteten Altersgruppen in unterschiedlicher Weise vom Virus betroffen sind und in der Folge die Fallzahlen treiben. Die Altersgruppe 80+ sticht mit einer Mortalität von 193 Todesfällen pro 100.000 Personen derselben Altersgruppe heraus. Vergleicht man die Inzidenzen, so sieht man z.B., dass Individuen in der Altersgruppe 80+ fast 200-mal stärker gefährdet sind als solche der Altersgruppe 0-59. In der Konsequenz registrieren wir damit für die Altersgruppe 80+ eine fast 200-mal höhere individuelle COVID-19-Sterbewahrscheinlichkeit als für die Altersgruppe 0-59. Die Darstellung macht klar, dass die Reduzierung der Todesfallzahlen genau an dieser Stelle ansetzen muss, weil die Falldichte in dieser Gruppe mit Abstand am größten ist.

Es ist wichtig, den Unterschied zwischen dem Kreisdiagramm nach Abb.4 und der Darstellung nach Abb. 6 zu erkennen. Im ersteren Fall sind die Todesfälle der Altersgruppe bezogen auf die Gesamtbevölkerung dargestellt. Es wird also aufgezeigt, welche Altersgruppe wie stark zur gesamten Todesfallzahl beiträgt. Da die Gruppen unterschiedlich groß sind ist damit noch nichts über den Pro-Kopf-Beitrag gesagt. Diese Info, also das individuelle Sterberisiko in den Altersgruppen findet sich in Abb. 6.

Die größte Sensitivität zur Reduzierung der Todesfallzahlen besteht offensichtlich dort, wo der Pro-Kopf-Beitrag zu den Inzidenzen am höchsten ist. Das ist die Altersgruppe 80+ und deshalb muss auch dort der Stellhebel ansetzen. Wenn man es schafft, 100.000 Menschen aus der Altersgruppe 0-59 infektionsfrei zu halten, senkt man damit die Todesfallzahl summarisch um 1. Die gleiche Anzahl infektionsfreier Menschen in der Altersgruppe 80+ reduziert die Fallzahl statistisch bereits um 193 Tote.

Nach Abb. 6 ist es unabweisbar, dass die Fokussierung auf die summarischen Infektionszahlen im Hinblick auf die Eindämmung der Todesfälle wenig bis nichts bringt, weil dadurch vorrangig die (Infektions-) Fallzahlen bei der großen Gruppe der 0-59-Jährigen (59 Mio., s. Abb. 1) reduziert werden. Der Hebel zur Verringerung der Infektionszahlen bei der relativ kleinen Gruppe der Über-80-Jährigen (5,7 Mio., s. Abb. 1)) ist sozusagen zu kurz. Es kommt also darauf an, die gefährdete Altersgruppe 80+ durch direkt wirksame Maßnahmen vor Ansteckung zu schützen. Die getroffenen Maßnahmen können das evident nicht leisten.

Nur zwei Zahlenbeispiele: Wenn in der Altersgruppe 0-59 die Hälfte aller Infektionen vermieden wird, dann resultiert das zunächst einmal nur in einer Reduzierung der Todesfallzahlen um etwa 380 (50% von 758, s. Abb. 4). Dieselbe relative Vermeidung von Infektionen in der Altersgruppe 80+ führt zu einer Verringerung der Sterbefälle um ca. 5.500 (50% von 10.952, s. Abb. 4). Natürlich sind die Infektionszahlen in den diversen Altersgruppen im Allgemeinen nicht völlig unabhängig voneinander, dennoch wird klar, dass die gegenwärtigen Maßnahmen einen effektiven Schutz nicht gewährleisten können, weil sie nach dem Gießkannenprinzip arbeiten und gerade nicht dort ansetzen, wo die größtmögliche Wirkung zu erwarten ist.

Ein Vergleich: Wenn Hochwasser droht, kann man den Damm überall gleichmäßig um einen Meter erhöhen. Das verursacht einen großen Aufwand, ändert aber nichts daran, dass die alte Schwachstelle auch die neue Schwachstelle bleibt. Ist es da nicht viel sinnvoller, den Damm vor allem dort zu stärken, wo er dem Wasser den geringsten Widerstand entgegensetzt? Die schwächste Stelle zu schützen erfordert weniger Aufwand, ist schneller erledigt und hat erwartbar den größten Effekt.

Alter als Risikofaktor

Diesen Aspekt wollen wir im Folgenden vertiefen. Dazu betrachten wir die Letalität in den drei Altersgruppen.

COVID-19-Letalität nach Altersgruppen. Datenstand per 01.12.2020.

Abbildung 7: COVID-19-Letalität nach Altersgruppen. Datenstand per 01.12.2020.

In der Altersgruppe 80+ versterben mehr als 14% der Infizierten. Gut 3% sind es in der Altersgruppe 60-79 und nur 0,09% in der Altersgruppe 0-59. Diese Maßzahlen beschreiben direkt das pauschale Sterberisiko für Individuen in den entsprechenden Gruppen bei einer bereits manifesten Infektion.

Wie Abb. 7 zu entnehmen ist, sind die Über-80-Jährigen mit großem Abstand die am stärksten gefährdete Gruppe. Umso wichtiger ist es, Infektionen in dieser Altersgruppe zu vermeiden. Unterstellt, wir hätten für alle Gruppen dasselbe Infektionsrisiko, müssen, ganz plakativ formuliert, Personen aus der Altersgruppe 80+ um den Faktor 4 ( 14,39/3,36) besser vor Infektionen geschützt werden, als die Menschen aus der Altersgruppe 60-79, und 160-mal besser als die Altersgruppe 0-59 (160 14,39/0,09). Offenbar gelingt dies nicht, wie wir bereits in Abb. 3 gesehen haben.

Wie oben erläutert, steckt im Zahlenwert für die Mortalität u.a. die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen gegen Infektionen, während die Letalität das Sterberisiko bei vorliegender Infektion misst. Abb. 7 können wir entnehmen, dass die Gesamtanzahl der Todesfälle nur auf dem Wege der Senkung der Infektionszahlen in der Altersgruppe der 80+ (Priorität 1) und 60-79 (Priorität 2) gelingen kann. Undifferenzierte Maßnahmen zur allgemeinen Reduzierung der Infektionszahlen wie wir sie gegenwärtig im „Lockdown light“ erleben, sind diesbezüglich nahezu wirkungslos und haben allenfalls einen mittelbaren Effekt.

Heimunterbringung als größter Risikofaktor

Eine besondere Problematik besteht bezüglich der Unterbringung von Betagten in Pflege- und Altenheimen. Dazu folgendes Zitat aus der hessenschau vom 20.11.2020 (s. [19]):

„Wohnen im Altenheim ist derzeit der größte Risikofaktor für einen Tod durch oder mit Covid-19. Das zeigen die November-Zahlen des Landes.“

In Abb. 8 ist die Situation in Hessen plakativ dargestellt.

COVID-19 Sterbefälle in Hessen (Periode 02. – 18. November 2020).

Abbildung 8: COVID-19 Sterbefälle in Hessen (Periode 02. – 18. November 2020)

Es ist auffallend, dass in Hessen fast 2/3 aller COVID-19 Todesfälle im betrachteten Zeitraum unter den Bewohnern von Pflege- und Altenheimen auftraten. Nun kann man diese exemplarischen Zahlen aus Hessen sicher nicht ohne weiteres verallgemeinern. Aktuelle bundesweite Zahlen liegen dem Verfasser nicht vor. Es gibt aber eine Zahl zu den kumulierten Coronatoten bis zum 15. November 2020 für das gesamt Bundesgebiet. Danach wurden 4.170 der bis dahin erfassten insgesamt 12.400 Todesfälle in Pflege- und Altenheimen gezählt. Das ist in der Relation deutlich weniger (33,6%). Also doch kein Corona-Problem in Pflege- und Altenheimen? Leider doch!

Wenn wir die vorstehenden für den 15.11. genannten Zahlen weiter fortschreiben, dann müssen wir damit rechnen, dass per 01.12.2020 anteilig ebenfalls 33,6% der o.g. 16.700 Coronatoten, also 5.600, in Pflege- und Altenheimen verstorben sind. In der Jahreskumulation wurden bislang (per 01.12.2020) 10.962 Coronatote in der Altersgruppe 80+ gezählt, das sind 65% aller COVID-19 Todesfälle. Der Anteil der „an oder mit“ COVID-19 Verstorbenen in Pflege- und Altenheimen unter allen COVID-19-Sterbefällen in der Altersgruppe 80+ liegt also bei 5.600/10.962, das sind ca. 51%. Dabei haben wir unterstellt, dass nahezu alle Bewohner von Pflege- und Altenheimen der Altersgruppe 80+ zuzurechnen sind.

COVID-19 Mortalität nach Altersgruppen per 01.12.2020. Die gestrichelte Linie markiert die Mortalität über alle Altersgruppen (Rubrik ganz links).

Abbildung 9: COVID-19 Mortalität nach Altersgruppen per 01.12.2020. Die gestrichelte Linie markiert die Mortalität über alle Altersgruppen (Rubrik ganz links). Für die Altersgruppe 80+ ergibt sich eine spezifische Mortalität von 0,193% = 193/100.000 (gewichteter Mittelwert aus den beiden Rubriken ganz rechts, s. a. Abb. 6). Im Diagramm ist diese Gruppe gesplittet in zwei Untergruppen in und außerhalb von Pflegeeinrichtungen. Die Zahlenwerte für die betreffenden Mortalitäten in diesen beiden Untergruppen wurden auf Basis obiger Überlegungen abgeschätzt und sind daher mit Unsicherheit behaftet (relativer Fehler etwa ±20%). Die grundlegende Aussage des Diagramms wird dadurch nicht tangiert.

Insgesamt leben etwa 850.000 Menschen in Pflege- und Altenheimen (2015 waren es 783 Tsd., 2017 818 Tsd.). Demzufolge sind in 2020 bislang etwa 5.600 von 850.000 oder 0,66% der Menschen in solchen Einrichtungen „an oder mit“ COVID-19 verstorben. Außerhalb von Heimen waren es ca. 5.400 von knapp 5 Mio. Menschen, also 0,11% die „an oder mit“ COVID-19 gestorben sind. Das pauschale Corona-Sterberisiko ist demzufolge für die Altersgruppe 80+ in Pflege- und Altenheimen 6-mal höher als außerhalb. In Abb. 9 ist das im Vergleich mit den anderen Altersgruppen zusammenfassend dargestellt.

Im Hinblick auf das Vorstehende kann man die Botschaft nach Abb. 9 auch so formulieren: Die COVID-19-Sterbefälle werden zu einem erheblichen Anteil von den Bewohnern von Pflege- und Altenheimen getrieben. Die Hälfte aller Todesfälle der Altersgruppe 80+ tritt auf in dieser gut abgrenzbaren Gruppe von etwa 850.000 Menschen. Wenn man die Gefahr durch Corona wirklich ernst nimmt, dann muss man zuallererst bei den Pflege- und Altenheimen ansetzen. Dort haben zielgenau adaptierte Corona-Maßnahmen den größtmöglichen Effekt. Die gegenwärtigen Maßnahmen sind zu pauschal und undifferenziert für einen nachhaltigen Erfolg. Schlimmer noch, sie verursachen höchst schädliche gesellschaftliche und wirtschaftliche Nebenwirkungen. Man ist gebannt von den pauschalen Infektionszahlen und 7-Tage-Inzidenzen, anstatt gezielt die leicht identifizierbare Gruppe zu schützen, die am meisten gefährdet ist und die die Fallzahlen in die Höhe treibt.

Was man gegenwärtig tut, ist etwa so, als würde man im heißen Sommer alle Freibäder, Hallenbäder und sonstigen Gewässer schließen, um damit sicherzustellen, dass KEIN Nichtschwimmer ertrinkt.

Problemfall Pflege- und Altenheime

Wollen die Verantwortlichen die offensichtlich bestehende Problematik bei den Pflege- und Altenheimen ganz bewusst nicht angehen, weil es da unterm Strich letzten Endes nichts zu gewinnen gibt? Warum ist da nichts zu gewinnen? Wir haben doch gerade eben dargelegt, dass die genannte Gruppe von 850.000 Menschen eine 33-fach höhere Corona-Mortalität im Vergleich zur Gesamtbevölkerung aufweist (33 659/20).

Man darf davon ausgehen, dass der allgemeine Gesundheitszustand der Bewohner von Pflege- und Altenheimen i. d. R. schlechter ist als der Gesundheitszustand von Menschen der gleichen Altersgruppe in häuslicher Pflege oder außerhalb der Pflege. Die Aufnahme in die stationäre Pflege ist ja mit Sicherheit nicht grundlos erfolgt. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sind diese Personen teilweise schon gebrechlich, haben Vorerkrankungen und werden medikamentös behandelt. Nicht selten geht dies mit einem geschwächten Immunsystem einher. Dieser Personenkreis trägt also ein besonderes Risiko.

Vermutlich ist es also doch nicht so einfach, das Leben dieser Menschen zu retten. Auch in der Vor-Corona-Zeit sind z.B. 25% aller Bewohner von Pflegeheimen der Stadt Mannheim bereits nach weniger als 3 Monaten stationärer Pflege verstorben. Gar 45% haben die ersten 12 Monate nach Aufnahme nicht überlebt [22]. Wir reden hier also aller Wahrscheinlichkeit nach von einer sehr fragilen Gruppe. Diesen Personenkreis konsequent in allen 11.000 Pflege- und Altenheimen wirksam zu schützen, erfordert einen hohen Aufwand und verspricht trotzdem nur einen geringen Erfolg im Hinblick auf eine dauerhafte Stabilisierung des individuellen Gesundheitszustandes und damit einer effektiven Lebensverlängerung. Es war vor Corona nicht möglich und ist mit Corona nicht einfacher geworden. Ein im Einzelfall wirksamer Infektionsschutz entlastet daher wohl die Corona-Statistik der Todesfallzahlen, nicht aber die Sterbefallzahlen insgesamt. Wir müssen erkennen: Die Grenzen medizinischer Machbarkeit können mit vernünftigem Aufwand nicht beliebig verschoben werden.

Verstorben „an oder mit“ Corona

Fatal ist dabei, dass im Falle des Ablebens in vielen Fällen nach wie vor die tatsächliche Todesursache nicht festgestellt wird und daher, so ist zu vermuten, die mögliche Kausalität des Coronavirus fälschlicherweise als tatsächliche verstanden wird. Durch die Wendung „an oder mit COVID-19 verstorben“ wird das nur scheinbar transparent gemacht. „An oder mit Corona“ heißt nichts anderes als „an Corona oder auch nicht“, noch deutlicher, „an Corona oder an irgendeiner anderen Ursache verstorben“. In den Medien zählen alle diese Fälle als Coronatote und sie werden auch von der Politik in diesem Sinne verwendet sowie ganz selbstverständlich als Argumentationshilfe für die Begründung von Maßnahmen herangezogen. Das ist etwa so, als würde man bei einem Mordfall ohne großes Aufhebens den Mit-Bewohner des Opfers verhaften und der Einfachheit halber kurzerhand schuldig sprechen.

Wie bitte ist eine vernünftige Analyse, Einschätzung und Steuerung in der Corona-Pandemie überhaupt nur denkbar, wenn die notwendige Datengrundlage dazu nicht existiert und offensichtlich auch nicht wirklich vermisst wird? Das ist einer aufgeklärten Wissensgesellschaft unwürdig. Insbesondere bezüglich der Altersgruppe 80+ ist die Todeskausalität eine entscheidende Information, aus dem ganz einfachen Grunde, weil die individuelle Sterbewahrscheinlichkeit auch unabhängig von Corona schon relativ hoch ist und teilweise sogar die Höhe der COVID-19-Letalität übersteigt. Z. B. liegt das durchschnittliche allgemeine Sterberisiko (unabhängig von Corona) in der Altersgruppe 80+ bei 11,5% p.a. (d.h., 11,5% der Über-80-Jährigen versterben innerhalb der nächsten 12 Monate), ist also nur unwesentlich geringer als das Sterberisiko (Letalität) von 14,4% bei einer bereits vorliegenden Corona-Infektion. Neunzigjährige haben mit einem durchschnittlichen allgemeinen Sterberisiko von 18,2% p.a. (unabhängig von Corona) bereits eine höhere Ablebenswahrscheinlichkeit als der durchschnittliche Über-80-Jährige mit Corona-Infektion (14,4%).

Sterberisiko ohne und mit Corona

Im Folgenden vergleichen wir die Sterberisiken ohne und mit Corona.

Allgemeine Mortalität vs. COVID-19 Letalität nach Altersgruppen per 01.12.2020.

Abbildung 10: Allgemeine Mortalität vs. COVID-19 Letalität nach Altersgruppen per 01.12.2020. Zur Interpretation: Gänzlich unabhängig von Corona versterben 11,47% der Individuen aus der Altersgruppe 80+ innerhalb der nächsten 12 Monate. 14,39% der Infizierten versterben infolge ihrer COVID-19-Erkrankung.

Natürlich sind die vorstehend genannten Zahlen statistische Durchschnittswerte. Im Einzelfall gibt es die Spreizung in beide Richtungen. Personen in der Altersgruppe 80+ mit Vorerkrankungen oder gesundheitlichen Einschränkungen (und davon gibt es nicht wenige, immerhin sind 3,4 Mio. in stationärer oder häuslicher Pflege) weisen eher ein höheres durchschnittliches Sterberisiko als die genannten 11,5% auf. Wir haben oben (s. Abb. 8 ff) gesehen, dass ein erheblicher Anteil der Corona-Todesfälle genau dieser problematischen Gruppe zuzurechnen ist (Altersgruppe 80+ in Pflege- und Altenheimen). Teilweise kann das individuelle von Corona unabhängige Sterberisiko für das laufende Jahr oder gar die nächsten Monate leicht in Richtung 100% gehen. Beim Exitus eines solchen Infizierten vermerkt man sodann routinemäßig „an oder mit COVID-19 verstorben“, obwohl doch die Vermutung einer anderen Kausalität nicht von der Hand zu weisen ist.

Zugegeben, hier geht es zunächst nur um die statistische Klarheit. In einem Exempel wurde oben für 24% der Bewohner von Pflegeheimen eine mittlere Verweildauer bis zum Ableben von weniger als 3 Monaten genannt. Für diese Personengruppe ist das Sterberisiko damit also bereits so hoch, dass spezifische Corona-Schutzmaßnahmen zwar in der Statistik die Fallzahlen senken, das Leben der Menschen aber nicht retten können: bei einem wirksamen Schutz sterben sie nicht an COVID-19, sind aber dennoch binnen weniger Wochen oder Monate tot.

Krisenmanagement: ohne Strategie

Nach der vorstehenden Analyse zu den Infektions- und Todesfallzahlen sowie den abgeleiteten Sterbewahrscheinlichkeiten ohne und mit Corona ist vor allem eines klar: Das Management der Corona-Krise ist ein Fiasko. Was wir in der politischen Kommunikation und der Medienberichterstattung zu Corona sehen und hören sind vor allem vordergründige Effekte. Es gibt keine Strategie für eine nachhaltige Senkung der Todesfallzahlen im Einklang mit der Aufrechterhaltung des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Politik und Medien lassen sich leiten vom Prinzip Hoffnung, Hoffnung auf einen Impfstoff. Der mag im Laufe der nächsten Monate kommen, dennoch braucht man einen Plan für ein vernünftiges Krisenmanagement. Zu allererst gehört dazu eine klare Kommunikation und die Abkehr von der Politik der Angst- und Panikmache.

Das Coronavirus ist nicht ungefährlich und muss ernst genommen werden, es ist aber auch nicht Pest und Cholera zugleich. Als Pandemie gehört die Coronakrise alles in allem eher noch zu den weniger bedrohlichen Vertretern ihrer Art. Pandemie heißt ja auch nicht, dass es jetzt besonders gefährlich wird (in diesem Sinne wird das Wort gerne von Politikern verwendet), sondern dass die Epidemie nicht regional begrenzt und global verbreitet ist, also „überall“ (pan = griechisch für umfassend, total, ganz). Sie ist gefährlicher als die üblichen jährlichen Grippewellen, die ja ebenfalls nicht regional begrenzt sind. Bislang ist sie aber noch mit sehr großem Abstand harmloser als die spanische Grippe von 1918/19, die nach unterschiedlichen Schätzungen 20 bis 50 Millionen Leben oft junger Menschen forderte und damit insgesamt bis zu 3% der damaligen Weltbevölkerung dahinraffte.

Kommunikation in der Pandemie

Das bereits oben zitierte Gerede von der Corona-Pandemie „als der größten Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg“ (Merkel) wird durch die Fakten nicht ansatzweise gedeckt. Dasselbe gilt für das Heraufbeschwören von „Unheil“. Solche Statements passen natürlich in das Programm der Angst- und Panikmache, das den Bürger ziemlich unverblümt nicht als Gesprächspartner auf Augenhöhe sieht und ihn nachgerade wie ein Kleinkind behandelt.

Wieso trotz allem die Entscheidungen der Politik noch von einer überwältigenden Mehrheit gestützt werden, lässt sich nur durch die eilfertige und unkritische Assistenz der großen Mehrheit der Medien und insbesondere des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erklären. Es ist auch nicht weiter verwunderlich: Wenn man täglich mit Schreckensmeldungen über Corona-Infektionszahlen, 7-Tage Inzidenzen, Corona-Hotspots, Todesfällen „an und mit Corona“ und COVID-19-Krankengeschichten bombardiert wird, dann geht das am braven Bürger nicht spurlos vorüber. Er nimmt die Meldungen als das, was sie sind und hat kaum die Zeit und die Möglichkeit, sie kritisch zu überprüfen und in Relation zu setzen. Er ist allenfalls gelegentlich irritiert, weil man ihm heute etwas anders erzählt als gestern und die Botschaft morgen absehbar wieder geändert wird. Dabei tut man so, als wisse man sicher, was richtig ist, und was falsch und nennt gerne die Wissenschaft als Zeugen, die indes vielstimmig sich widersprechende Wissensstände zum Besten gibt. Natürlich betreiben die Medien letztlich nur ihr Geschäft nach dem bewährten Motto „nur eine schlechte Nachricht ist eine gute Nachricht“ (… und verkauft sich daher gut).

Diese Kommunikationsstrategie ist ein Problem, nicht Teil der Lösung. Die Mehrheit der blind Folgenden, tut nur für eine gewisse Zeitspanne, was man ihnen sagt. Wenn sich dann aber keine Besserung der Lage einstellt, und genau das beobachten wir derzeit, verliert man nach und nach die Gefolgschaft der Menschen. Die einen gehen in das Lager der rationalen Kritiker, das erschwert zumindest das Regieren, weil dieser Personenkreis, zu Recht, rational überzeugt werden will. Die anderen, und das sind nicht wenige, wenden sich stattdessen Verschwörungstheorien zu. Das macht das Regieren doppelt schwer, weil man mit Verschwörungstheoretikern nicht vernünftig reden kann. Alles in allem bleibt nur, dem Staatsbürger auf Augenhöhe zu begegnen, ihn ernst zu nehmen und für wirksame Maßnahmen basierend auf einer echten Strategie zu werben.

Man kann es den sogenannten Querdenkern kaum vorhalten, dass sie übers Ziel hinausschießen und dem Coronavirus Harmlosigkeit attestieren. Das ist nur die verständliche Reaktion auf die ebenfalls überzeichnete Darstellung zur Gefährlichkeit des Virus seitens der Politik und der Medien.

Zu einer offenen Kommunikation gehört vor allem, die Fakten nicht bedrohlicher darzustellen als sie sind. Die Berichterstattung krankt an einem selektiven Aufmerksamkeitsfokus. Das schürt den Hype, ist aber nicht zielführend.

Wie bedrohlich ist das Virus wirklich?

Nehmen wir einen nüchternen Blick auf die Gefährlichkeit des Virus im Vergleich zu anderen Lebensrisiken. Dazu betrachten wir zunächst die Sterbefälle insgesamt (unabhängig von Corona).

Sterbefälle (unabhängig von Corona) pro Jahr aufgesplittet nach Altersgruppen. Die Zahlen stammen aus 2018,

Abbildung 11: Sterbefälle (unabhängig von Corona) pro Jahr aufgesplittet nach Altersgruppen. Die Zahlen stammen aus 2018, weil es noch keine Statistiken zu 2020 gibt. In 2020 dürften die Gesamtzahlen nicht wesentlich davon abweichen.

Coronatote im Vergleich zu allen Sterbefälle eines Jahres. Die Zahlen zu den gesamten Sterbefällen stammen aus 2018. Die Angaben zu den Coronatoten („an oder mit Corona“) spiegeln den Datenstand 01.12.2020 wider.

Abbildung 12: Coronatote im Vergleich zu allen Sterbefälle eines Jahres. Die Zahlen zu den gesamten Sterbefällen stammen aus 2018. Die Angaben zu den Coronatoten („an oder mit Corona“) spiegeln den Datenstand 01.12.2020 wider. Da das Jahr noch nicht zu Ende ist, wird sich die Anzahl der Coronatoten noch erhöhen. Bei der gegenwärtigen Dynamik der Fallzahlen ist indes eine durchgreifende Änderung nicht mehr zu erwarten. Die Verhältnisse bleiben nach aller Erwartung im Rahmen dessen, was durch das Diagramm plakativ zum Ausdruck gebracht wird.

In der nachfolgenden Abbildung sind die relativen Anteile der Coronatoten im Vergleich zu allen Sterbefällen direkt dargestellt.

Coronatote im Vergleich zu allen Sterbefälle eines Jahres. Bezugsgröße zu den Sterbefällen ist das Jahr 2018, bei den Coronatoten („an oder mit Corona“) der Datenstand per 01.12.2020.

Abbildung 13: Coronatote im Vergleich zu allen Sterbefälle eines Jahres. Bezugsgröße zu den Sterbefällen ist das Jahr 2018, bei den Coronatoten („an oder mit Corona“) der Datenstand per 01.12.2020. Der relative Anteil der „an oder mit“ COVID-19-Vestorbenen liegt im Durchschnitt über alle Altersgruppen bei 1,75% (s. gestrichelte Linie). Ansonsten gilt die Bemerkung zu Abb. 11.

Man entnimmt Abb. 13 unschwer, dass der Anteil der „an oder mit Corona“-Verstorbenen quer über alle Altersgruppen niedrig bleibt. Sogar bei den als „Risikogruppen“ apostrophierten 60-79-Jährigen und den Über-80-Jährigen erreicht der relative Anteil nur 1,5% – 2%. Wobei man natürlich sehen muss, dass in diesen niedrigen Werten, teilweise und bei aller berechtigten Kritik daran, auch die relative Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen zum Ausdruck kommt (s. dazu w. u.). Völlig ohne Masken und Kontaktreduzierungen wären die Zahlen mit Sicherheit höher, zumindest in den Altersgruppen 60-79 und 80+.

Dasselbe gilt für die nachfolgende Grafik, in der das allgemeine Sterberisiko p. a. in Bezug gesetzt wird zu dem Risiko, infolge der Corona-Pandemie zu versterben (s. Abb. 14).

Allgemeines Sterberisiko pro Jahr (ohne Corona) und altersgruppenspezifische Corona-Mortalität im Vergleich. Das allgemeine Sterberisiko wurde auf Basis der Sterbetafel 2017/2019 des Statistischen Bundesamtes (s. [9]) altersgruppengerecht berechnet. Die Angaben zur spezifischen Corona-Mortalität spiegeln den Datenstand per 01.12.2020 wider.

Abbildung 14: Allgemeines Sterberisiko pro Jahr (ohne Corona) und altersgruppenspezifische Corona-Mortalität im Vergleich. Das allgemeine Sterberisiko wurde auf Basis der Sterbetafel 2017/2019 des Statistischen Bundesamtes (s. [9]) altersgruppengerecht berechnet. Die Angaben zur spezifischen Corona-Mortalität spiegeln den Datenstand per 01.12.2020 wider. Wie im Text definiert, beschreibt die Mortalität die Höhe des Sterberisikos für die Individuen aus der betreffenden Altersgruppe. Die Bezugsgröße ist dabei der Umfang der jeweiligen Altersgruppe. Die mittlere Corona-Mortalität liegt im Durchschnitt über alle Altersgruppen bei 0,02% (entsprechend 20 Toten pro 100.000 Ew., s. gestrichelte Linie).

Wie ist Abb. 14 zu interpretieren? Betrachten wir zwei Beispiele. Das allgemeine mittlere Sterberisiko für Individuen aus der Altersgruppe 60-79 beträgt 2,32% (s. mittlere Rubrik in Abb. 14). D. h., 2,32% aller 60-79-Jährigen werden im Laufe der nächsten 12 Monate versterben – völlig unabhängig von Corona und nur aufgrund von Alter, Gesundheitszustand und Lebensumständen. Nun kommt die Corona-Pandemie ins Spiel, sie sorgt dafür, dass 0,028% der Menschen aus dieser Altersgruppe infolge einer COVID-19-Infektion sterben werden. Inwiefern diese 0,028% bereits in den 2,32% enthalten sind oder ggf. ein Anteil davon zu addieren ist, darüber kann man derzeit keine verlässliche Auskunft erteilen, weil die Coronatoten ja immer noch mit dem indifferenten Zusatz „an oder mit Corona“ verstorben gezählt werden. Wie dem auch sei, auch dann, wenn die Corona-Mortalität additiv wirkt, wenn also alle diese Toten echte COVID-19-Todesfälle wären, bliebe das Corona-Zusatzrisiko sehr gering.

Gezielte Maßnahmen reduzieren die Todesfallzahlen

Um es noch einmal zu betonen: Teilweise kommt die Infektionsschutzwirkung durch Masken und Kontaktreduzierung in diesen niedrigen Risikozuwächsen zum Ausdruck. Welchen Anteil die Maßnahmen tatsächlich haben, kann man indessen nur abschätzen. Wir haben oben für die Altersgruppe 80+ mit 1341 Infizierten pro 100.000 Ew. ein überdurchschnittliches Infektionsrisiko festgestellt (s. Abb. 2 und 3). Wenn wir nun im Gedankenexperiment die Infektionszahlen in dieser Gruppe durch einen effektiveren Schutz auf den Durchschnittswert über alle Gruppen verringern, also auf 1271 Infizierte pro 100.000 Ew., dann darf man davon ausgehen, dass auch die Todesfallzahlen im gleichen Maße kleiner werden. Demzufolge sinkt auch die Mortalität entsprechend von 0,193% auf 0,183%. Individuell ist das natürlich nur eine marginale Risikominderung, in der Gesamtpopulation der Altersgruppe wären es dann aber immerhin 0,01%*5,68 Mio. = 568 Tote weniger. Und wenn die Altersgruppe 80+ genauso gut vor Infektionen geschützt sein würde wie die Altersgruppe 60-79 (820 Infizierte pro 100.000 Ew.), dann würde die Mortalität gar nur bei 820/1341*0,193% = 0,118% liegen und wir hätten (0,193% – 0,118%)*5,68 Mio. = 4.260 Coronatote weniger. Nach dem Obigen könnten gezielte Maßnahmen zum besonderen Schutz von Heimbewohnern einen großen – statistisch sichtbaren – Beitrag in dieser Richtung leisten.

Vergleichen heißt nicht verharmlosen

Sind nun die in Abb. 13 eingetragenen Corona-Mortalitäten hoch oder niedrig? Im Kontrast zur allgemeinen und i. W. altersbedingten Mortalität sind die Werte sämtlich relativ klein. Dieser Vergleich ist indessen nicht ganz fair, weil das singulär von Corona ausgehende Risiko mit der Summe aller sonstigen Risiken in Bezug gesetzt wird. Deswegen macht die Gegenüberstellung mit anderen Krankheitsrisiken mehr Sinn (s. dazu das nachfolgende Kreisdiagramm in Abb. 14).

Mortalität und anteilige Sterbefälle verschiedener Krankheiten im Vergleich mit COVID-19. Die Zahl zu Corona reflektiert den Datenstand 01.12.2020, die anderen Werte stammen aus 2018. Für 2020 dürften die Mortalitäten und relativen Anteile nur unwesentlich davon abweichen.

Abbildung 15: Mortalität und anteilige Sterbefälle verschiedener Krankheiten im Vergleich mit COVID-19. Die Zahl zu Corona reflektiert den Datenstand 01.12.2020, die anderen Werte stammen aus 2018. Für 2020 dürften die Mortalitäten und relativen Anteile nur unwesentlich davon abweichen.

Im Vergleich mit den dominierenden Todessursachen Herz-/Kreislauferkrankungen und Krebs mit Mortalitäten von 0,41% bzw. 0,29% nimmt sich die durchschnittliche Corona-Mortalität von 0,02% eher bescheiden aus. Man sieht das auch an den relativen Anteilen unter der Gesamtanzahl der Todesfälle. Natürlich hinkt dieser Vergleich, weil die beiden genannten anderen Ursachen eben keine Infektionskrankheiten sind. Das ist hier aber auch nicht der Punkt. Es geht darum, die tatsächlich bestehende Gefahr und das Risiko für jeden Einzelnen vom Sockel einer sich überschlagenden Berichterstattung und politischen Panikmache zu holen und mit den bestehenden Lebensrisiken in Bezug zu setzen. Nicht um einer unzulässigen Verharmlosung das Wort zu reden, sondern zur Versachlichung der Diskussion. In diese Richtung soll auch die letzte Grafik wirken, in der die Sterbefälle pro Tag nach Todesursachen aufgezeigt sind.

Sterbefälle pro Tag nach Todesursachen. Es handelt sich um gerundete Zahlen aus 2018, sie dürften indessen für 2020 nicht wesentlich abweichen.

Abbildung 16: Sterbefälle pro Tag nach Todesursachen. Es handelt sich um gerundete Zahlen aus 2018, sie dürften indessen für 2020 nicht wesentlich abweichen.

In diesen Tagen werden zum Teil mehr als 500 Coronatote pro Tag gezählt, also Tote, die „an oder mit COVID-19“ verstorben sind. Wenn wir Abb. 16 betrachten, dann erkennen wir, dass andere Todesursachen durchaus noch höheren Tribut fordern. Insgesamt sterben täglich mehr als 2.600 Menschen. Nicht nur jetzt, sondern das ganze Jahr über, Tag für Tag, jahraus, jahrein. Und zwar ohne, dass dies im Fernsehen mit Sondersendungen problematisiert wird.

Keine Frage, dauerhaft 500 Tote täglich aufgrund von Corona, das wäre verheerend. In der aktuellen Entwicklung belegt dies, dass das Virus keineswegs harmlos ist. Dennoch muss man erkennen: Zweidrittel dieser Todesfälle entfallen nach wie vor auf die Altersgruppe 80+ mit einem Bevölkerungsanteil von weniger als 7%. Das Alter der Betroffenen ist der größte Risikofaktor. Auch wenn die Kausalität des Coronavirus im konkreten Falle nachgewiesen werden kann, ist das Alter in vielen Fällen der ausschlaggebende Grund für die fatale Krankheitsentwicklung mit Todesfolge. Diesen Einfluss kann man sogar konkret beziffern: Es ist das Verhältnis der Corona-Letalität der Altersgruppe 80+ zur Letalität der Altersgruppe 0-59. Demnach trägt das Alter bei den Über-80-Jährigen einen 14,39%/0,09% 160-fach höheren Anteil am Tod verglichen mit der Situation bei den 0-59-Jährigen. Diese Sterbefälle sind daher zu einem großen Teil auch altersbedingt, auch wenn als konkreter Auslöser zweifelsfrei das Virus verantwortlich gemacht werden kann. – Nein, das ist weder Zynismus noch Polemik, sondern entspringt der nüchternen Erkenntnis, dass das Leben endlich ist, unabhängig davon, welche Kräfte wir zur Vermeidung des Todes auch immer aufbieten mögen.

Update vom 08.12.2020

Der Anteil der Infizierten und der Todesfälle über 80 steigt weiter. In der Altersgruppe 80+ registrieren wir nun 7,7% der Infizierten und 66,3% der Toten. Dies belegt einmal mehr, dass durch die undifferenzierten Maßnahmen im „Lockdown light“ gerade die am meisten gefährdeten Menschen (z.B. in Pflege- und Altenheimen) eben nicht geschützt werden. Sinnvoller wäre es, sich endlich darum zu kümmern, statt wie gebannt auf Infektions- und Todesfallzahlen zu starren.

Update vom 17.12.2020

Der Anteil der Infizierten und der Todesfälle über 80 steigt weiter. In der Altersgruppe 80+ registrieren wir nun 8,2% der Infizierten und 66,9% der Toten. Der aktuelle Bericht im Münchner Merkur (17.12.2020) über eine Corona-Studie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) bestätigt die oben getroffenen Aussagen.

Zitate aus dem entsprechenden Bericht:

„3200 der 5156 Coronatoten in Bayern sind über 80 Jahre alt.“

„Die bisherigen Corona-Maßnahmen verfehlen den Schutz der Ältesten“

„Corona-Lockdown: Haben Politiker den Schutz der Alten- und Pflegeheime verschlafen?“

„Es zeigt sich deutlich, dass die ergriffenen Maßnahmen zur Infektionseindämmung für die hoch vulnerable Bevölkerungsgruppe nicht hinreichend zielführend sind.“


Quellen

[1] Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) – 24.11.2020 – AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. RKI

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Nov_2020/2020-11-24-de.pdf?__blob=publicationFile

[2] Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) – 01.12.2020 – AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. RKI

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-01-de.pdf?__blob=publicationFile

[3] Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) 08.12.2020 – AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. RKI

https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-08-de.pdf?__blob=publicationFile

[4] Corona-Infektionen (COVID-19) in Deutschland nach Altersgruppe und Geschlecht (Stand: 01. Dezember 2020). Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1103904/umfrage/corona-infektionen-covid-19-in-deutschland-nach-altersgruppe/#professional

[5] Todesfälle mit Coronavirus (COVID-19) in Deutschland nach Alter und Geschlecht (Stand: 01. Dezember 2020). Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1104173/umfrage/todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-in-deutschland-nach-geschlecht/

[6] Bevölkerung – Zahl der Einwohner in Deutschland nach Altersgruppen am 31. Dezember 2019. Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1112579/umfrage/bevoelkerung-in-deutschland-nach-altersgruppen/

[7] Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten der Männer in Deutschland. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB)

https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/S05-Altersspezifische-Sterbewahrscheinlichkeiten-Maenner-ab-1871.html?nn=9992070

[8] Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten der Frauen in Deutschland. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB)

https://www.bib.bund.de/DE/Fakten/Fakt/S06-Altersspezifische-Sterbewahrscheinlichkeiten-Frauen-ab-1871.html?nn=9992070

[9] Sterbetafel 2017/2019 – Ergebnisse aus der laufenden Berechnung von Periodensterbetafeln für Deutschland und die Bundesländer 2020. DESTATIS – Statistisches Bundesamt

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/Publikationen/Downloads-Sterbefaelle/periodensterbetafel-erlaeuterung-5126203197004.pdf?__blob=publicationFile

[10] Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen des Jahres 2020. DESTATIS – Statistisches Bundesamt

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html

[11] Sterbeziffern nach Alter und Geschlecht in Deutschland im Jahr 2017. Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/3057/umfrage/sterbeziffern-nach-alter-und-geschlecht/

[12] Anzahl der Sterbefälle in Deutschland nach Altersgruppe im Jahr 2018. Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1013307/umfrage/sterbefaelle-in-deutschland-nach-alter/

[13] Coronavirus: Sterberate in Deutschland niedriger als befürchtet – Übersterblichkeit ist ausgeblieben. RND – Redaktionsnetzwerk Deutschland

https://www.rnd.de/gesundheit/coronavirus-sterberate-in-deutschland-niedriger-als-befurchtet-ubersterblichkeit-ist-ausgeblieben-L4F3KMQP5BGLNJNNMMVDRURP6M.html

[14] Jährliche Todesfälle aufgrund von Krebs und anderen Neubildungen in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2018. Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/172573/umfrage/krebstote-in-deutschland/

[15] Prävalenz von Krebspatienten auf deutschen Intensivstationen. Springer Medizin

https://www.springermedizin.de/praevalenz-von-krebspatienten-auf-deutschen-intensivstationen/17022898

[16] Todesfälle aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland im Zeitraum der Jahre 1980 bis 2018. Statista

Kreislauf-Erkrankungen – Todesfälle in Deutschland bis 2018 | Statista

[17] Influenza assoziierte Übersterblichkeit (Exzess-Mortalität) in Deutschland für die Saisons von 1984 bis 2019. Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/405363/umfrage/influenza-assoziierte-uebersterblichkeit-exzess-mortalitaet-in-deutschland/

[18] Die Grippesaison 2019/20 im Vergleich. Statista

https://de.statista.com/infografik/13040/woechentliche-influenzafaelle-in-deutschland/

[19] Zwei Drittel der Corona-Toten betreffen Altenheime. hessenschau

https://www.hessenschau.de/gesellschaft/zwei-drittel-der-corona-toten-im-november-betreffen-altenheime,corona-altenheim-tote-100.html

[20] Anzahl der zu Hause sowie in Heimen versorgten Pflegebedürftigen in Deutschland in den Jahren 1999 bis 2017. Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/36438/umfrage/anzahl-der-zu-hause-sowie-in-heimen-versorgten-pflegebeduerftigen-seit-1999/

[21] Was das Corona-Virus für Pflegekräfte bedeutet (pflegen-online.de).

https://www.pflegen-online.de/corona-fast-4000-intensivpatienten

[22] Demenzkranke in Alten- und Pflegeheimen: Gegenwärtige Situation und Entwicklungstendenzen. Friedrich-Ebert-Stiftung

https://www.fes.de/fulltext/asfo/00234004.htm

[23] Todesursachen – Zahl der Todesfälle. Statistisches Bundesamt

https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/todesfaelle.html

[24] Verteilung der häufigsten Todesursachen in Deutschland im Jahr 2018. Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/240/umfrage/verteilung-der-sterbefaelle-nach-todesursachen/

[25] Corona-Infektionen (COVID-19) in Deutschland nach Altersgruppe und Geschlecht (Stand: 08. Dezember 2020). Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1103904/umfrage/corona-infektionen-covid-19-in-deutschland-nach-altersgruppe/#professional

[26] Todesfälle mit Coronavirus (COVID-19) in Deutschland nach Alter und Geschlecht (Stand: 08. Dezember 2020). Statista

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1104173/umfrage/todesfaelle-aufgrund-des-coronavirus-in-deutschland-nach-geschlecht/

[27] Das Coronavirus – So schnell breitet es sich aus. Aber wir können etwas tun!

https://www.linkedin.com/pulse/das-coronavirus-so-schnell-breitet-es-sich-aus-aber-fischer/

https://blog.sumymus.de/das-coronavirus-so-schnell-breitet-es-sich-aus-aber-wir-koennen-etwas-tun

[28] Gefahr Corona Virus – Wie groß ist das Risiko wirklich?

https://www.linkedin.com/pulse/gefahr-corona-virus-wie-gro%C3%9F-ist-die-risiko-wirklich-fischer/

https://blog.sumymus.de/gefahr-corona-virus-wie-gross-ist-das-risiko-wirklich

[29] Das objektiv bewertete Corona Risiko

https://www.linkedin.com/pulse/das-objektiv-bewertete-corona-risiko-hieronymus-fischer/

https://blog.sumymus.de/das-objektiv-bewertete-corona-risiko

[30] Aktuelles zu Corona

https://www.linkedin.com/pulse/aktuelles-zu-corona-hieronymus-fischer/

https://blog.sumymus.de/aktuelles-zu-corona

Das objektiv bewertete Corona Risiko

Evaluierung des Risikos auf Basis der altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten ohne und mit Corona bei unterschiedlicher Kontakthäufigkeit

Steigende Fallzahlen sind keine Messlatte, denn Risiken sind immer relativ

Im Artikel „Gefahr Corona Virus – Wie groß ist das Risiko wirklich?“ wurde das pauschale Risiko, an COVID-19 zu erkranken und daran zu sterben anhand von 3 unterschiedlichen Kontaktprofilen näherungsweise bestimmt. Dabei wurde auch die Frage erörtert, wie sich das Sterberisiko mit dem Lebensalter und der Kontakthäufigkeit verändert und in welcher Relation das resultierende Gesamtrisiko zur allgemeinen Sterbewahrscheinlichkeit steht. Diese Aspekte wollen wir im Folgenden vertiefen und mittels Grafiken transparent darstellen.

Hinweis: Der eilige Leser kann sich mittels des Diagramms „Sterberisiko ohne und mit Corona in Abhängigkeit vom Lebensalter“ (s. Abb. 6., unten) und den Blick ins Resümee (am Endes des Textes, vor dem Quellenverzeichnis) einen schnellen Überblick verschaffen.

In der öffentlichen Diskussion und insbesondere auch in der Kommunikation des Robert-Koch-Instituts (RKI) stehen nach wie vor die absoluten Corona-Fallzahlen im Vordergrund. Es wurde schon von verschiedener Seite angemerkt, dass dies nicht hinreichend ist. Wenn jemand erzählt, er habe 10-mal die 6 gewürfelt, dann klingt das zunächst einmal nach viel. Das wird stark relativiert, sofern man erfährt, dazu seien 100 oder mehr Würfe nötig gewesen.

Da heute sehr viel häufiger getestet wird als zu Beginn der Pandemie, liegt es auf der Hand, dass auch mehr positive Befunde gezählt werden. Unabhängig von der Problematik der Falsch-Positiven Tests (also fälschlich als positiv erhaltende Testergebnisse, obwohl tatsächlich gar keine Infektion vorliegt, s. a. Gefahr Corona Virus – Wie groß ist das Risiko wirklich? ist daher die absolute Anzahl der positiven Tests kein vernünftiges Maß für die finale Beurteilung der Situation. Tatsächlich gibt auch das RKI die relativen Fallzahlen bekannt (s. Tabelle 1). In den Medien bleibt dieser relativierende und entschärfte Blick aber meist unerwähnt.

Tabelle 1: COVID-19 Positiv-Tests (Stand 2020-08-18). Quelle: RKI

Das Corona-Virus ist nur eines von vielen Lebensrisiken – es macht aber die beste Pressearbeit

Neben der relativen Positivenrate, die aktuell unter 1% liegt, ist der entscheidende Punkt die Ableitung des resultierenden Infektionsrisikos und die Beurteilung des daraus folgenden tatsächlichen Risikos für Infizierte in der Relation zu den allgemeinen Lebensrisiken. Fraglos ist das Leben grundsätzlich nicht risikofrei, wie auch immer man sich vor Gefahren schützen mag. Es ist daher eine unzulässig verkürzte Sicht, die vom Corona-Virus ausgehende und zweifellos tatsächlich bestehende Gefahr völlig isoliert zu betrachten und im Ergebnis dann fast schon als das einzige Krankheits- und Lebensrisiko wahrzunehmen.

Die Berichterstattung in den Medien zeichnet vielfach genau dieses Bild. Bei den Menschen bleibt dies nicht ohne Wirkung. Im Ergebnis wird die tatsächliche Gefahr durch das Corona-Virus in teilweise grotesker Weise überschätzt. Eine weitaus größere Gefahr geht z.B. Krankenhauskeimen aus. Jahr für Jahr sterben etwa 40.000 Menschen daran, ohne dass dies eine allgemeine Aufregung auslösen würde.

Offenbar unterliegen nicht wenige Politiker ebenfalls dieser Fehleinschätzung, anders lässt sich die fortdauernde Diskussion um neuerliche Einschränkungen und vielleicht sogar einen zweiten wirtschaftlichen Lockdown mit möglicherweise verheerenden Folgen kaum erklären.

Die rationale Beurteilung des durch Corona entstehenden Risikos kann daher nur in der Bezugnahme auf die allgemeinen oder individuellen Risiken für Krankheit und Tod erfolgen. Im Folgenden wollen wir dafür insbesondere das altersspezifische Sterberisiko als Vergleichsmaßstab wählen. Die Frage ist also, wird das ohnehin für jedermann und jederzeit bestehende Sterberisiko durch die Corona-Gefahren signifikant erhöht? Und wenn, in welchem Maße und mit welchem Effekt? Oder ist dieser Einfluss fallweise vielleicht sogar vernachlässigbar?

Grundlegender Ansatz zur Risikoeinschätzung

Wir betrachten dazu Personen unterschiedlichen Alters und gegebener Kontakthäufigkeit und vergleichen die neu entstehenden Sterberisiken durch die Corona-Gefahren sowohl untereinander wie auch mit den bestehenden Grundrisiken.

Die relevanten Zahlen kommen vom RKI mit dem Stand 17.08.2020:

COVID-19-Fälle insgesamt = 224014

COVID-19-Todesfälle insgesamt= 9232

COVID-19-Genesene insgesamt = 202100

Daraus leiten wir die Anzahl der aktuell Infektiösen (COVID-19-Infektiöse) zu 12682 ab. Nur wer akut infektiös ist, kann andere Personen anstecken. Es sind zunächst also diese knapp 13000 Personen, von denen eine Gefahr für die weitere Verbreitung von COVID-19 ausgeht.

In diesem Zusammenhang drängt sich die berechtigte Frage auf, was ist, wenn es tatsächlich doch viel mehr Infizierte gibt? Das ist das Problem der Dunkelziffer. Da nicht alle über 80 Mio. Menschen in Deutschland kurzfristig getestet werden können, besteht immer die Gefahr, dass viele Positiv-Fälle unentdeckt bleiben. Es könnte also 20000, 40000 oder noch viel mehr akut Infektiöse geben, ohne dass dies in den Zahlen des RKI ausgewiesen wird. Entsprechend wäre selbstredend auch das Infektionsrisiko möglicherweise um mehrere 100% größer. Die vom RKI diesbezüglich dokumentierten Zahlen würden damit die Realität nur unvollständig, vielleicht sogar unfreiwillig geschönt wiedergeben.

Das Problem der unerkannt Infizierten: Die Dunkelziffer

Was für einen Sinn macht denn bei dieser Ausgangslage überhaupt die Bestimmung des Infektionsrisikos oder des Sterberisikos? Ist das nicht ein Stochern im Nebel? Erfreulicherweise nicht. Im Anhang wird gezeigt, dass zumindest die tatsächlichen COVID-19-Erkrankungs- und Sterberisiken in erster Näherung weitgehend unabhängig von der unzweifelhaft bestehenden Unsicherheit bezüglich der Anzahl der Infizierten sind. Dies gilt jedenfalls dann, wenn wir unterstellen, dass sowohl die validen COVID-19-Erkrankungsfälle als insbesondere auch die Anzahl der vom RKI genannten COVID-19 Sterbefälle als vertrauenswürdig angesehen werden können (s. Tabelle 2).

In der Kurzform kann man sich die Begründung folgendermaßen plausibel machen: Nehmen wir an, wir hätten ad hoc einen hochsicheren Corona-Schnelltest zur Verfügung und könnten binnen eines Tages alle 83 Mio. Menschen in Deutschland testen, mit dem Ergebnis, dass 2,5 Millionen Menschen positiv getestet würden. Was änderte sich dadurch? – Die Anzahl der Infizierten verzehnfachte sich. Das wäre bereits alles! Sowohl die Anzahl der COVID-19-Erkrankungen (die Hospitalisierten) als auch die COVID-19-Todesfälle blieben gleich. Wir hätten zwar die 10-fache Anzahl an Infizierten, effektiv aber auch nur ein Zehntel des Risikos für einen ernsten Verlauf oder Todesfolge. Im Ergebnis bliebe sich das gleich, ja man könnte sogar konstatieren, dass das effektive Risiko offenbar viel kleiner ist, als gedacht.

Nur als Randbemerkung: Gegenwärtig durchspielen wir im Grundsatz genau dieses Szenario. Die absoluten Infektionszahlen steigen, gleichzeitig gehen der Hospitalisierungsgrad und das Sterberisiko zurück (s. Tabelle 2).

Tabelle 2: COVID-19 Fallanalysen (Stand 2020-08-18). Quelle: RKI

Der Anteil der positiv Getesteten liegt derzeit unter 1% mit weiter sinkender Tendenz. Die Zahl der COVID-19-Todesfälle stagniert. Die effektive Todesrate sinkt seit dem Höhepunkt im April mit 7% auf jetzt weniger als 1%, teilweise gar 0,5%.

Kommen wir nun zu der angekündigten Analyse bezüglich der effektiven Erkrankungs- und Sterberisiken aufgrund von Corona.

Vorgehen zur Ableitung einer sinnvollen Risikobeurteilung

Was ist überhaupt ein Risiko? Es kann quantifiziert werden als die Wahrscheinlichkeit für das Eintreten eines definierten ungünstigen Ereignisses. Das maximal ungünstigste Ereignis ist fraglos der Tod. Durch das Sterberisiko wird die Wahrscheinlichkeit quantifiziert, in einem bestimmten Zeitabschnitt abzuleben. Für das allgemeine Sterberisiko gibt es valide Zahlen für alle Altersgruppen. Im Hinblick auf COVID-19 werden je nach Quelle unterschiedliche Angaben zum Sterberisiko gemacht, die zum Teil um mehr als 50% voneinander abweichen. Indessen kommt es bei unserer Betrachtung nicht darauf an, das durch Corona erhöhte altersgruppenspezifische Sterberisiko exakt zu bestimmen (das müssen medizinische Studien leisten), das Ziel ist vielmehr, den Vergleich mit dem bestehenden Grundrisiko vorzunehmen. Wir werden sehen, dass in Abhängigkeit von der Kontakthäufigkeit in fast allen Altersgruppen das von Corona ausgehende Sterberisiko deutlich kleiner ist, als das allgemeine Sterberisiko, teilweise sogar erheblich kleiner (bis zu einem Faktor 100).

Es macht Sinn, drei Aspekte separat zu analysieren und zueinander in Bezug zu setzen.

A. Das allgemeine Sterberisiko einer Altersgruppe bei Abwesenheit von Corona.

B. Das spezifische Sterberisiko einer Altersgruppe bei bestehendem Infektionsrisiko (aber noch nicht erfolgter Infektion).

C. Das spezifische Sterberisiko einer Altersgruppe bei einer vorliegenden COVID-19-Infektion.

Durch A wird die Risikoreferenz gesetzt: Weniger Sterberisiko geht im statistischen Mittel nicht. Fraglos wird durch Corona das Sterberisiko grundsätzlich erhöht. Es ist interessant, zu sehen, wie hoch der Effekt einer COVID-19-Erkrankung (also das Sterberisiko nach C) im Vergleich zu den Grundrisiken hier tatsächlich ist. Unter B betrachten wir das resultierende Sterberisiko als Verkettung der Teilrisiken

B1: Kontakt mit akut ansteckenden Infizierten – B2: Infektion – B3: Ernsthafte Erkrankung (Hospitalisierung) – B4: Todesfolge

COVID-19-Letalität und allgemeines Sterberisiko

Die Teilrisiken B3 und B4 ergeben zusammen das Sterberisiko bei einer vorliegenden COVID-19-Infektion, also die Letalität. In [5] sind diese Werte aus einer chinesischen Studie über mehr als 44.000 Infizierten direkt dokumentiert. Aus den Daten des RKI nach [1] und [2] lässt sich gleichfalls eine Letalität ableiten, die sich indes moderat von den Zahlenwerten nach [1] unterscheidet. In Abb. 1 (COVID-19-Letalität und allgemeines Sterberisiko) sind die erhaltenen altersgruppenspezifischen Letalitätswerte aufgetragen. Für mittlere und hohe Lebensalter ergeben sich vernachlässigbare Unterschiede zwischen den beiden Letalitätskurven. Bei den jüngeren Infizierten (25 Jahre) liegt die aus den Daten des RKI erhaltene Letalität nur bei 0,00045 (orangefarbene Kurve) im Vergleich zu 0,002 (rote Kurve). Das klingt nach einem großen Unterschied, indessen steht aber auch der höhere Letalitätswert für ein letzten Endes sehr geringes COVID-10-Sterberisiko von 1:500 bzw. 0,2% (bei dieser Altersgruppe).

Im Folgenden beziehen wir uns für Jüngere auf die pessimistischeren Werte nach [5] (gelbe Kurve mit gelben Kreisen) und passen die Letalitätswerte für Ältere in Richtung der ungünstigeren Werte des RKI an (grüne Kurve mit grünen Quadraten). Im Ergebnis erhalten wir den roten Graphen in Abb. 1. Angemerkt sei, dass durch die aktuellen Zahlen des RKI (s. Tab. 2) eine weiterhin stark zurückgehende Letalität dokumentiert wird. Im Sinne einer Negativabgrenzung bleiben wir dennoch bei den höheren Werten. Damit können wir sicherstellen, dass das tatsächlich bestehende Risiko eher noch kleiner ist, als das in der nachfolgenden Risikobetrachtung abgeleitete.

Abbildung 1: COVID-19-Letalität und allgemeines Sterberisiko. Dargestellt sind die altersgruppenspezifischen COVID-10-Sterberisiken bei nachgewiesener Infektion mit dem Corona-Virus, einmal abgeleitet aus den Daten des RKI ([1] und [2]), zum anderen übernommen aus einer chinesischen Studie [5]. Die rote Kurve steht für die im Text herangezogene COVID-19-Letalität. Das allgemeine Sterberisiko (ohne Corona) ist zum Vergleich aufgetragen.. Man beachte die logarithmische Skalierung.

Der besseren Übersichtlichkeit halber sind in Abb. 2 die beiden relevanten Kurven nochmals dargestellt.

Abbildung 2: COVID-19-Letalität und allgemeines Sterberisiko. Dargestellt sind das allgemeine Sterberisiko (ohne Corona) und das Sterberisiko bei einer bereits vorliegenden COVID-19-Infektion (Letalität). Man beachte die logarithmische Skalierung.

Vergleicht man nun die rote Kurve mit der blauen der grundsätzlich bestehenden allgemeinen Sterberisiken, so erkennt man, dass, wie nicht anders zu erwarten, das Sterberisiko durch eine vorliegende COVID-10-Infektion erhöht wird. Die Erhöhung ist nicht dramatisch, aber signifikant. Doch ist dieser direkte Vergleich überhaupt aussagefähig? Es wird hier ja unterstellt, man sei bereits mit dem Corona-Virus infiziert, was ja derzeit tatsächlich nur für etwa 0,3% der Bevölkerung zutrifft, akut sogar nur für ca. 0,015%. Für 99,7% besteht das Risiko in der Form nicht bzw. nur sehr indirekt über die Gefahr einer möglichen aber dennoch relativ unwahrscheinlichen Infektion.

Formale Risikobestimmung

Sehr viel sinnvoller ist die Betrachtung der gesamten Risikokette nach B1-B2-B3-B4, wie oben skizziert. Das Risiko B1 für den Kontakt mit einer akut ansteckenden Person hängt unmittelbar ab von der Kontakthäufigkeit. Wir variieren hierzu die Anzahl der Kontaktpersonen von 5 Personen pro Tag über 10, 20 und 50 Personen pro Tag und betrachten ein differenziertes Kontaktprofil mit 20, 10, 10, 10, 5, 3 bzw. 2 Kontakten pro Tag bei den unterschiedlichen Lebensaltern 25, 40, 50, 60, 70, 80 bzw. 90. Aus den Kontakthäufigkeiten können wir nun leicht die statistischen Wahrscheinlichkeiten für die Begegnung mit einer infektiösen Person errechnen und in der Folge die Infektionswahrscheinlichkeit B2 sowie das daraus abgeleitete Erkrankungsrisiko B3 (Hospitalisierung) und letztlich das Sterberisiko B4 bestimmen. Da wir insbesondere an Letzterem interessiert sind, berechnen wir das Sterberisiko mittels der Letalität direkt aus B2.

Der formelmäßige Zusammenhang ist wie folgt:

Sterberisiko B4 = Anzahl Kontakte pro Tag * Infektionsrisiko * Letalität

Nicht jeder Kontakt führt zu einer Infektion. Eine Ansteckung im Vorbeigehen ist sehr unwahrscheinlich. Wenn wir hier von Kontakten sprechen, dann meinen wir schon ein Minimum an Innehalten und beieinanderstehen. Zur Erinnerung: auch die Corona Warn-App dokumentiert nur Kontakte mit einer Verweildauer von mindestens 15 Minuten in weniger als 2 m Abstand. Das tatsächliche Ansteckungsrisiko bei einer normal-distanzierten Begegnung mit Fremden oder Bekannten pro individuellem Kontakt ohne Maske kann auf etwa p_K = 10% abgeschätzt werden, bei einem längeren oder sorgloserem Kontakt vielleicht p_K = 20%. Das Infektionsrisiko bestimmt sich daher zu

Infektionsrisiko = p_K * COVID-19-Infektiöse / Einwohnerzahl

Damit können wir nun die Sterberisiken für die unterschiedlichen Kontaktprofile leicht bestimmen.

Risikoanalyse in Abhängigkeit von der Kontakthäufigkeit

Für die genannten unterschiedlichen Kontaktprofile ist in Abb. 3 das resultierende spezifische Sterberisiko durch Corona dargestellt. Man erkennt, dass bei weniger als 20 Kontakten pro Tag das durch Corona zusätzlich entstehende Sterberisiko über alle betrachteten Altersgruppen hinweg kleiner ist, als das das allgemeine Grundrisiko bei Abwesenheit von Corona. Sogar bei 50 Kontakten pro Tag bleibt das Risiko für die Mehrheit der Altersgruppen unter dem allgemeinen Sterberisiko. Bei 5 Kontakten pro Tag liegt das Corona-Sterberisiko teilweise um eine Zehnerpotenz unter dem bestehenden allgemeinen Sterberisiko. Im Falle des als realitätsnah angesehenen Kontaktprofils (gepunktete orangefarbene Kurve) bleiben wir insbesondere für die Älteren teilweise um mehr als den Faktor 10 unter dem altersspezifischen Grundrisiko. Bei den 25-Jährigen liegen wir auf dem Niveau des allgemeinen Sterberisikos, dies ist indes von geringerer Bedeutung, da diese Altersgruppe ein sehr niedriges Grundrisiko aufweist. Dazu weiter unten mehr.

Anzumerken bleibt, dass wir bei den Gruppen der 25- und 40-Jährigen das Ansteckungsrisiko pro Kontakt auf p_K = 20% taxiert haben, bei allen anderen auf p_K = 10%. Für die von der Anzahl der Kontakte abhängige Bestimmung des Infektionsrisikos haben wir ferner die o.g. Eckdaten des RKI zugrunde gelegt, also aktuell 12682 COVID-19-Infektiöse bei 83. Mio. Einwohnern. Das entspricht einem pauschalen Infektionsrisiko von etwa 0,015% (= 1:6500) pro Kontakt mit sicherer Virusübertragung, bzw. 0,0015% (= 1:65000) pro Kontakt mit 10%-iger Übertragungswahrscheinlichkeit.

Abbildung 3: Spezifisches Sterberisiko durch Corona in Abhängigkeit vom Lebensalter. Man beachte die logarithmische Skalierung. Aufgetragen ist das spezifisch auf Corona zurückzuführende Sterberisiko bei unterschiedlichen Kontaktprofilen.

In Abb. 4 sind dieselben Risikoverläufe dargestellt, nun aber mit linearer statt logarithmischer Skalierung. Bis zum Alter von 50 liegen die Kurven alle so nah an der Nulllinie, dass die Unterschiede kaum erkennbar sind. Bei den Altersgruppen 70, 80 und 90 erkennt man aber unmittelbar, wie klein das durch Corona induzierte zusätzliche Sterberisiko im Vergleich zum altersbedingt bestehenden hohen Sterberisiko ohne Corona ist.

Abbildung 4: Spezifisches Sterberisiko durch Corona in Abhängigkeit vom Lebensalter. Aufgetragen ist das spezifisch auf Corona zurückzuführende Sterberisiko bei unterschiedlichen Kontaktprofilen. Im Unterschied zu Abb. 3 hier in linearer Skalierung.

Effektives Sterberisiko in der „Corona-Pandemie“

Wir haben hier nur das spezifisch durch Corona hinzu gekommene Risiko betrachtet. Natürlich will man auch wissen, wie sich das kumulierte Sterberisiko nun darstellt: Grundrisiko ohne Corona + zusätzliches Sterberisiko durch Corona. Die betreffenden Kurven für die unterschiedlichen Kontaktprofile sind in Abb. 5 dargestellt. Als Referenz ist die Kurve für die Sterbewahrscheinlichkeit ohne Corona ebenfalls mit aufgeführt (gestrichelte blaue Kurve). Wie kaum anders zu erwarten, führt das zusätzliche Risiko durch Corona im Wesentlichen zu einer Vertikalverschiebung der Sterberisikoverläufe nach Lebensalter, eine etwas größere Verschiebung bei der jüngeren Altersgruppe, eine etwas kleinere Verschiebung bei den höheren Lebensaltern.

Abbildung 5: Sterberisiko mit Corona in Abhängigkeit vom Lebensalter. Aufgetragen ist das resultierende Gesamt-Sterberisiko (Grundrisiko plus Zusatzeinfluss durch Corona) bei unterschiedlichen Kontaktprofilen. Man beachte die logarithmische Skalierung.

Man muss hier gar nicht ins Detail gehen, um zu erkennen, dass die resultierenden Sterberisiken unter Einbeziehung der Corona-Gefahr bei maximal 20 Kontakten pro Tag (grüne, gelbe, orangefarbene Kurven und die punktierte Linie) sich nur geringfügig vom bestehenden allgemeinen Sterberisiko abheben. Sogar bei 50 Kontakten pro Tag liegt die resultierende Kurve fast deckungsgleich auf dem Niveau der allgemeinen altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten, wie sie in [3] für Männer mit der Jahresreferenz 1986/88 ausgewiesen wird. Etwas flapsig könnte man also sagen, 50 sorglose Kontakte pro Tag sind im Hinblick auf das kumulierte Sterberisiko wie eine Zeitreise zurück in die 1980er Jahre. Das ist weitab von einem Katastrophenszenario.

Bei einem Minimum an vernünftigen Verhalten dürften für die meisten Menschen die Kontaktprofile mit 20 und weniger effektiv zu zählenden Kontakten machbar sein. Damit liegen wir beim resultierenden Sterberisiko durch Corona so nahe an der altersspezifischen Basissterbewahrscheinlichkeit (blaue Kurve), dass man schon in den Bereich der statistischen Unschärfe gerät. Linear interpoliert entspräche etwa die orangefarbene Kurve mit 20 Kontakten pro Tag der allgemeinen Sterbewahrscheinlichkeit für Männer (ohne Corona) um das Jahr 2000 (s. [3]).

Sterberisiko ohne und mit Corona im Vergleich

Im nachfolgenden Balkendiagramm (s. Abb. 6) sind die Sterbewahrscheinlichkeiten ohne und mit Corona nochmals sehr prägnant dargestellt.

Abbildung 6: Sterberisiko ohne und mit Corona in Abhängigkeit vom Lebensalter. Dargestellt sind das Grundrisiko ohne Corona (blau) und das Zusatzrisiko durch Corona (rot). Zugrunde gelegt ist das differenzierte Kontaktprofil mit 20, 10, 10, 10, 5, 3 bzw. 2 Kontakten pro Tag bei den unterschiedlichen Lebensaltern 25, 40, 50, 60, 70, 80 bzw. 90. Die Säulenhöhe markiert das resultierende Gesamtrisiko. Man beachte die logarithmische Skalierung.

Die blauen Balken zeigen das allgemeine Sterberisiko ohne Corona, die roten Balken darüber offenbaren den zusätzlichen Einfluss durch die Corona Gefahr. Die Bezugsgröße ist hier das differenzierte Kontaktprofil mit 20, 10, 10, 10, 5, 3 bzw. 2 Kontakten pro Tag bei den unterschiedlichen Lebensaltern 25, 40, 50, 60, 70, 80 bzw. 90. Die Grafik spricht für sich!

Es fällt auf, dass die Corona-bedingten Zusatzrisiken bei den Jüngeren höher ausfallen als bei den Älteren. Ein deutlich gesteigertes zusätzliches Risiko bei der ersteren Altersgruppe, im Gegensatz dazu ein kaum sichtbares Corona-Zusatzrisiko bei den ganz Alten. Das scheint der beobachteten auffallend hohen COVID-19-Letalität bei Menschen über 60 zu widersprechen.

Wird das Sterberisiko durch Corona nennenswert erhöht?

Auf den ersten Blick vermeintlich noch unklarer wird die Situation, wenn wir direkt die altersgruppenspezifischen Erhöhungen im Sterberisiko miteinander vergleichen.

Wir werfen dazu einen Blick auf Abb. 7. Auf der linken Achse ist die prozentuale Erhöhung des Sterberisikos durch Corona aufgetragen. Sie gilt für die farbigen Kurven mit 5 bis 50 Kontakten pro Tag und das differenzierte Kontaktprofil mit 20, 10, 10, 10, 5, 3 bzw. 2 Kontakten pro Tag bei den unterschiedlichen Lebensaltern 25, 40, 50, 60, 70, 80 bzw. 90 (punktiert). Auf der rechten Achse kann man das Sterberisiko ohne Corona ablesen (blau gestrichelte Linie).

Ein Beispiel: Für die Altersgruppe 40 Jahre weist die grüne Kurve auf der linken Achse einen Wert von 16% auf. Demnach erhöht sich für 40-Jährige das allgemeine Sterberisiko mit durchschnittlich 5 Kontakten pro Tag durch Corona um 16% (also um den Faktor 1,16). Für 80-Jährige erhöht sich das Risiko indessen nur um etwa 6% (also um den Faktor 1,06), für 90-Jährige mit 2 Kontakten pro Tag gar nur um etwa 1% (orangefarbene, punktierte Linie) – das ist kaum messbar. Nochmals extremer wird der Unterschied, wenn man die Erhöhung des Sterberisikos durch Corona bei 25-Jährigen im differenzierten Kontaktprofil mit den Werten bei den 90-Jährigen vergleicht: Es sind 91% mehr im ersten Fall, aber nur 1,3% bei den ganz Alten. Wie kann es angesichts dessen zu der vielfach höheren Anzahl an COVID-19-Sterbefällen bei den Alten im Vergleich zu den Jüngeren kommen?

Bevor wir diese Frage beantworten, wollen wir die Prozentangaben im Hinblick auf das Sterberisiko kurz einordnen. Es ist mittlerweile Allgemeinwissen, dass Bewegung der Gesundheit zuträglich ist, das ist durch zahlreiche Studien belegt. Teilweise werden bereits für moderat intensive Alltagsbewegung eine Reduzierung des Sterberisikos von 19 % und bei höher intensivem Ausdauertraining und Sport von 39 % genannt (s. [12]). Schon damit wird klar: Die abgeleiteten höheren Sterberisiken durch Corona bewegen sich im Bereich von Individualentscheidungen der eigenen Lebensführung. Ähnliches kann man natürlich auch von gesunder Ernährung und dem Verzicht auf potentiell krankmachende Genussmittel (Tabak, Alkohol, Zucker) oder eben deren bewusstem Genuss sagen.

Abbildung 7: Erhöhung des Sterberisikos durch Corona in Abhängigkeit vom Lebensalter. Die farbigen Kurven mit 5 bis 50 Kontakten pro Tag und das differenzierte Kontaktprofil mit 20, 10, 10, 10, 5, 3 bzw. 2 Kontakten pro Tag bei den unterschiedlichen Lebensaltern 25, 40, 50, 60, 70, 80 bzw. 90 (punktiert) zeigen auf der linken Achse die prozentuale Erhöhung des Sterberisikos im entsprechenden Lebensalter an. Das bestehende Grundrisiko ohne Corona wird mittels der blau-gestrichelten Kurve dargestellt (rechte Achse). Man beachte die logarithmische Skalierung in beiden Achsen.

Größere relative Risikosteigerung durch Corona bei den Jungen als bei den Alten

Es besteht nur scheinbar ein Widerspruch, den wir im Folgenden aufklären.

Wie man Abb. 6 entnehmen kann, hat die Altersgruppe der25-Jährigen statistisch gesehen auch inklusive des Corona-bedingten zusätzlichen Sterberisikos immer noch eine vielfach höhere Überlebenswahrscheinlichkeit (ca. 65-fach) im Vergleich zur Gruppe der 80-Jährigen (man beachte die logarithmische Skalierung). Verglichen mit den 90-Jährigen ist dieser Wert gar um den Faktor 210 höher. Das bleibt bezüglich der tatsächlichen Sterbezahlen natürlich nicht ohne Folge und erklärt die vermeintliche Unstimmigkeit.

In [6] sind u.a. die Todesraten für die Gruppe der 20-29-Jährigen und die Gruppe der 80-89-Jährigen dokumentiert. Den 8 COVID-19-Toten im Alter zwischen 20 und 30 stehen 3704 COVID-19-Sterbefälle im Alter zwischen 80 und 90 gegenüber, das sind 463-mal so viele.

Um die Auflösung des Widerspruchs an einem Beispiel plausibel zu machen: Nehmen wir zwei Trinkbecher. Den ersten machen wir halbvoll mit Wasser, den zweiten füllen wir bis knapp unter den Rand. In beiden Bechern markieren wir den Füllstand. Nun lassen wir aus geringer Höhe einen Kieselstein in den ersten Becher fallen. Was beobachten wir? Das Wasser gerät in Wallung und schwappt hoch, bleibt aber unterhalb des Becherrands. Nur einige weniger Spritzer gehen darüber hinaus. Wir nehmen den Kieselstein heraus und betrachten den Füllstand im ersten Becher: keine merkliche Veränderung.

Kommen wir zum zweiten Becher. Aus der gleichen Höhe wie zuvor lassen wir den Kieselstein in den Becher fallen. Was passiert? Wieder kommt das Wasser in Wallung. Weil aber der Füllstand sehr hoch ist, schwappt nun einiges vom Inhalt über den Rand hinaus. Wenn wir den Stein herausnehmen, sehen wir, dass die Füllmenge im zweiten Becher deutlich sichtbar unterhalb der Füllstandmarkierung liegt.

In beiden Fällen war die äußere Anregung dieselbe, in Relation zum Inhalt war die Einwirkung beim ersten Becher sogar doppelt so stark. Trotzdem konstatieren wir im Ergebnis einen signifikanten Unterschied zu Ungunsten der Situation beim zweiten Becher mit der in Relation nur halb so starken äußeren Einwirkung.

Die wenigen Wasserspritzer aus dem ersten Becher stehen für die sehr niedrigen COVID-19-Todesraten bei den 20-29-Jährigen. Der viel höhere Verlust an Füllmenge im zweiten Becher entspricht der im Vergleich so überaus beträchtlicheren relativen und absoluten COVID-19-Sterblichkeit bei den über 80-Jährigen.

Was man der oben zitierten Sterbegrafik in [6] übrigens auch entnehmen kann: Nur etwa 0,2% aller Todesfälle bei den 20-29-Jährigen und etwa 1% bei den 80-89-Jährigen gehen tatsächlich auf COVID-19 zurück. Nach wie vor sind also die „allgemeinen Sterberisiken“ in einer angesichts der vorherrschenden Pandemie-Stimmung fast surreal anmutenden Weise dominant gegenüber der von COVID-19 ausgehenden Gefahr. Sogar in der Altersgruppe der besonders gefährdeten über 80-Jährigen sterben unglaubliche 99% aufgrund von anderen Todesursachen.

Resümee

Aus den vorliegenden Daten zu den Fallzahlen der mit dem Corona-Virus Infizierten, der Genesenen und den COVID-19-Todesfällen haben wir durch Vergleich mit den altersspezifischen Sterbewahrscheinlichkeiten aus der Vor-Corona-Zeit das vom Virus ausgehende tatsächliche Risiko bestimmt. Es zeigt sich, dass dieses Zusatzrisiko relativ gering ist und sich einordnet in die Höhe der individuellen Lebensrisiken aufgrund persönlicher Entscheidungen zur Lebensführung (z.B. betreffend Gesundheitsvorsorge, Ernährung und Sport).

Tatsächlich sind Herz-Kreislaufversagen mit 36% aller Fälle und Krebs mit 25% die häufigsten Todesursachen, mehr als eine halbe Million sterben jedes Jahr daran. Sogar Stürze (16.201 in 2018) liegen mit einem Anteil von 1,7% aller Todesursachen noch klar über der Anzahl der COVID-19-Todesfälle. Hat man deswegen schon erwägt, Haushaltsleitern zu verbieten? Die Anzahl der Suizide ist in etwa auf dem Niveau der durch Corona bedingten Todesfälle.

Fakt ist: Nur etwa 0,2% aller Todesfälle bei den 20-29-Jährigen und etwa 1% bei den 80-89-Jährigen gehen tatsächlich auf COVID-19 zurück. Das steht im Einklang mit dem abgeschätzten COVID-19-Sterberisiko als Endprodukt der Kette „Kontakt mit akut ansteckenden Infizierten“ – „Infektion“ – „Ernsthafte Erkrankung (Hospitalisierung)“ – „Tod“. Unter Zugrundelegung eines differenzierten Kontaktprofil mit 20, 10, 10, 10, 5, 3 bzw. 2 Kontakten pro Tag bei den unterschiedlichen Lebensaltern 25, 40, 50, 60, 70, 80 bzw. 90 hatten wir für die Gruppe der Jüngeren (25 Jahre) ein Zusatzrisiko von 20 % erhalten, was hier allerdings nicht durchschlägt, weil das Sterberisiko von 25-Jährigen per se vernachlässigbar ist (s. o.). Bei den sehr Alten (über 80) liegt das Zusatzrisiko nur bei 1 – 4 %. Das tagesbezogene Sterberisiko vergrößert sich hier für die 80-Jährigen von 1:6083 auf 1:5871 und für die 90-Jährigen von 1:1825 auf 1:1802 – das sind kaum wirklich nennenswerte Unterschiede.

Der Anteil der positiv Getesteten liegt derzeit unter 1% mit weiter sinkender Tendenz. Die Zahl der COVID-19-Todesfälle stagniert. Die effektive Todesrate ist seit dem Höhepunkt im April mit 7% auf weniger als 1% gefallen, und sie sinkt weiter, teilweise auf 0,5%.

Es erscheint völlig klar, dass diese Zahlen eine weitere Beeinträchtigung des öffentlichen Lebens und der Wirtschaft in der bisherigen Form in keiner Weise rechtfertigen. Man muss vielmehr genau hinschauen, welche Verbote überhaupt noch ihren Sinn erfüllen. Das gilt sicher für Massenveranstaltungen mit wahllosen und engen Kontakten. Nahezu alles andere muss aber auf den Prüfstand. Das heißt nicht, die Corona-Gefahr zu leugnen, es heißt vielmehr, der tatsächlichen bestehenden Gefahr mit Vernunft und Augenmaß zu begegnen. Gutmeinend erlassene Verbote helfen da nicht weiter, schon gar nicht Denkverbote.

Das Gerede von der Corona-Pandemie „als der größten Herausforderung seit dem zweiten Weltkrieg“ ist grob fahrlässig und hat im Ergebnis einen beträchtlichen Schaden in nahezu allen Lebensbereichen angerichtet. Diese Aussage ist ein politischer Kakophemismus, der durch die Fakten nicht ansatzweise gedeckt wird. Sogar auf dem Höhepunkt der sogenannten ersten Welle waren die Intensivbettkapazitäten in Deutschland nur zu etwa 6% ausgelastet. Vermutlich sind viele an anderen Krankheiten gestorben, weil die Bettenkapazitäten für potentielle COVID-19-Patienten reserviert worden waren (mussten). Von den wirtschaftlichen Auswirkungen und mittelbaren Kollateralschäden ganz zu schweigen.

Quellen

[1] Corona-Infektionen (COVID-19) in Deutschland nach Altersgruppe und Geschlecht (Stand: 24. August 2020). Statista

[2] Todesfälle mit Coronavirus (COVID-19) in Deutschland nach Alter und Geschlecht (Stand: 24. August 2020). Statista

[3] Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten der Männer in Deutschland. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB)

[4] Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten der Frauen in Deutschland. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB)

[5] Sterblichkeitsrate nach Risikogruppen – Für wen ist das Coronavirus besonders gefährlich? RTL.de, 08. Juni 2020

[6] Altersabhängigkeit der Todesraten im Zusammenhang mit COVID-19 in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 432-3; DOI: 10.3238/arztebl.2020.0432

(Grafik 1: https://www.aerzteblatt.de/callback/image.asp?id=107167, Grafik 2: https://www.aerzteblatt.de/callback/image.asp?id=107168)

[7] Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) – 17.08.2020 – AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. RKI

[8] Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) 18.08.2020 – AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. RKI

[9] Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) 19.08.2020 – AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. RKI

[10] Todesursachen – Zahl der Todesfälle. Statistisches Bundesamt

[11] Verteilung der häufigsten Todesursachen in Deutschland im Jahr 2018. Statista

[12] Bewegung senkt Sterberisiko um bis zu 40 Prozent. Universität Wien, 2011

Anhang

Begründung für die Annahme der Unabhängigkeit des effektiven COVID-19-Erkrankungs- und Sterberisikos von der Dunkelziffer bezüglich der Anzahl der Infizierten

Das Infektionsrisiko wird direkt durch der Anzahl der akut Infizierten determiniert. Die Dunkelziffer bezüglich der Anzahl der Infizierten führt daher unmittelbar zu einem entsprechenden Fehler bei der Bestimmung des Risikos. Das pauschale Infektionsrisiko wird nach der Formel

Infektionsrisiko = COVID-19-Infektiöse / Einwohnerzahl

berechnet. Doppelte Anzahl an Infizierten, heißt also auch doppeltes Infektionsrisiko.

Infektionsrisiko_RKI sei das Infektionsrisiko ohne Dunkelziffer, Infektionsrisiko_eff das effektive Infektionsrisiko inklusive der als bekannt gedachten Dunkelziffer.

Bekanntlich hat nicht jeder Infizierte wirklich ernsthafte Symptome. Nach den letzten Zahlen des RKI sind derzeit (KW 30 in 2020 und später), quer über alle Altersklassen maximal 10% der dokumentierten Infizierten hospitalisiert, also so krank, dass sie stationär behandelt werden müssen. Noch im April waren es 20% (s. Tabelle 2). Wir dürfen davon ausgehen, dass nahezu alle ernsthaft an COVID-19 Erkrankten in der Statistik erfasst werden. Demnach ist also die (absolute) Anzahl der COVID-19-Erkrankten vertrauenswürdig, nicht aber der (relative) Hospitalisierungsgrad, wie er vom RKI ausgewiesen wird.

Dazu folgende Überlegung:

COVID-19-Hospitalisierungsgrad_RKI = COVID-19-Erkrankte / COVID-19-Infizierte

Der Zähler ist verlässlich und fix, der Nenner stark mit Unsicherheit behaftet. Doppelt so viele Infizierte (Dunkelziffer), heißt daher halber Hospitalisierungsgrad.

Für Gesunde bleibt demnach das tatsächliche COVID-19-Erkrankungsrisiko unabhängig von der Unschärfe bezüglich der Anzahl der Infizierten. Bei der doppelten Anzahl an Infizierten aufgrund einer möglichen Dunkelziffer, verdoppelt sich zwar das effektive Infektionsrisiko, das wird aber kompensiert durch den in entsprechendem Maße halbierten effektiven Hospitalisierungsgrad, denn die absolute Anzahl der Hospitalisierten liegt fest:

Infektionsrisiko_eff * COVID-19-Hospitalisierungsgrad_eff = Infektionsrisiko_RKI * COVID-19-Hospitalisierungsgrad_RKI

Ähnlich verhält es sich mit dem COVID-19-Sterberisiko. Das vom RKI ausgewiesene spezifische COVID-19-Sterberisiko (Letalität) liegt seit Mitte des Jahres bei unter 1% mit weiter sinkender Tendenz (s. Tabelle 2). Es ist wie folgt definiert:

COVID-19-Sterberisiko = COVID-19-Todesfälle / COVID-19-Infizierte

(jeweils bezogen auf gleiche Zeitabschnitte).

Auch hier dürfen wir wieder davon ausgehen, dass die validen COVID-19 Todesfälle nahezu vollständig in der Statistik des RKI dokumentiert sind. Für Gesunde bleibt daher das effektive COVID-19-Sterberisiko unbeeinflusst von der Unsicherheit bezüglich der Dunkelziffer betreffend der Infizierten. Bei der im Beispiel doppelten Anzahl an Infizierten, verdoppelt sich das Infektionsrisiko. Das wird kompensiert durch das dann in gleichem Maße halbierte effektive COVID-19-Sterberisiko, denn die absolute Anzahl der Sterbefälle liegt fest:

Infektionsrisiko_eff * COVID-19-Sterberisiko_eff = Infektionsrisiko_RKI * COVID-19-Sterberisiko_RKI

Insgesamt dürfen wir daher sowohl beim Erkrankungsrisiko (Hospitalisierungsgrad) als auch beim Sterberisiko (Letalität) die absoluten Zahlen des RKI unmittelbar verwenden. Gleichviel, wie hoch die Anzahl der COVID-19-Infizierten tatsächlich ist (Dunkelziffer) und wie viele Falsch-Positive darunter auch sein mögen: bezogen auf das Erkrankungs- und Sterberisiko für die Gesamtpopulation ändert sich dadurch nichts. Entscheidend für das effektiv bestehende Risiko sind ausschließlich die absoluten Zahlen betreffend der Hospitalisierung und der spezifischen COVID-19-Todesfälle.

Gefahr Corona Virus – Wie groß ist das Risiko wirklich?

Nackte Zahlen sagen nicht alles

Täglich werden vom Robert-Koch-Institut (RKI) die neuen Corona-Fallzahlen verkündet und auf die vom Corona Virus ausgehende Gefahr hingewiesen. Drei Zahlenwerte werden dabei vor allem genannt: 1. Die Anzahl der COVID-19 Fälle insgesamt. 2. Die kumulierten COVID-19 Todesfälle. 3. Die Anzahl der von COVID-19 Genesenen. Per 17.08.2020 sind das die folgenden Fallzahlen:

  • COVID-19-Fälle insgesamt = 224014
  • COVID-19-Todesfälle insgesamt= 9232
  • COVID-19-Genesene insgesamt = 202100

Die ganz wichtige weitere Zahl wird – aus welchen Gründen auch immer – nicht genannt. Es ist die Anzahl der aktuell Infektiösen, also die der tatsächlich ansteckenden Personen. Man kann diese Zahl leicht aus den obigen Werten berechnen.

  • COVID-19-Infektiöse = COVID-19-Fälle – COVID-19-Genesene – COVID-19-Todesfälle

Aktuell (per 17.08.2020) beläuft sich die Anzahl der akut ansteckenden Personen (COVID-19-Infektiöse) auf 12682.

Bei Lichte betrachtet ist es nur die letztgenannte Zahl, von der eine Gefahr für die weitere Verbreitung des Corona-Virus ausgeht, denn anstecken kann man sich nur bei akut infizierten Personen. Was heißt dabei „akut infiziert“? Nach mehrfach bestätigten Studien besteht nur innerhalb der ersten 7 – 14 Tage nach der Infektion eine Ansteckungsgefahr. Wenn Sie also jemand treffen, der vor 3 Wochen positiv getestet wurde und keine Symptome zeigt, brauchen Sie sich keine Gedanken um Ihre Gesundheit zu machen.

Die Zahlen richtig interpretieren und kühlen Kopf bewahren

In Presse Funk und Fernsehen wird teilweise in unverantwortlicher Weise Panik geschürt. Im Ergebnis überschätzen die Menschen das Risiko für eine ernsthafte Erkrankung an COVID-19 um Größenordnungen. Einer der Gründe dafür ist die wenig differenzierte Berichterstattung des RKI. Die absoluten Zahlen von sogenanntem Neuinfizierten zu nennen, ist zweifellos eine wichtige Information, sie sagt aber nicht alles aus. Vor allem muss diese Zahl auch in Bezug gesetzt werden zu den insgesamt vorgenommenen Tests. Aktuell werden pro Woche mehr als 500000 Tests durchgeführt. Positiv sind weniger als 1% (KW 29: 0,6%, KW 30: 0,8%) davon. Zum Vergleich: Im April waren teilweise 9% der Tests positiv. Man sieht schon daran: Es ist fahrlässig, angesichts dieser Zahlen von einer zweiten Welle zu reden.

Dabei muss man auch sehen, dass die Falsch-Positiv-Rate bei den Tests nicht vernachlässigbar ist. Man kann abschätzen, dass bei Anwendung des RT-PCR-Tests auf eine Gruppe mit niedriger Infektionswahrscheinlichkeit (was für die Allgemeinheit nach wie vor zutreffen dürfte) teilweise bis zu 60% der positiv Getesteten tatsächlich gar keine Virenträger sind (Basis: Testsensitivität 70%, Testspezifität 95%, Prävalenz 5%). Immerhin kann man einem negativen Testat vertrauen: 98% der negativ Getesteten sind tatsächlich negativ.

Das Bild dreht sich um, wenn Risikogruppen mit einer hohen Prävalenz (Prätest-Infektionswahrscheinlichkeit) getestet werden. In diesem Fall sind nur 7% der positiv Getesteten in Wahrheit negativ. Umgekehrt tragen dann allerdings 24% der negativ Getesteten das Virus in sich, sind also positiv (Basis: Testsensitivität 70%, Testspezifität 95%, Prävalenz 50%).

Nach dem Vorstehenden kann man festhalten, dass die Aufregung um gegebenenfalls steigende Infektionszahlen verfrüht ist, solange die Testergebnisse nicht durch mindestens einen weiteren Test bestätigt werden. Denn die Unsicherheit singulärer RT-PCR-Tests bei Anwendung auf Niedrigrisikogruppen ist hoch. – Könnte denn eine Blitzampel mit einer Fehlerquote von 60% rechtssichere Bußgeldbescheide begründen?

Wir haben oben gesehen, dass derzeit weniger als 1% der Testergebnisse positiv ausfallen. Bei aller Unsicherheit bezüglich der Testaussagen sieht man schon daran: Das Risiko, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren ist bei Weitem nicht so hoch, wie dies die teilweise alarmistische Berichterstattung nahelegt.

Auch wenn man sich infiziert hat: Leichte Befunde und Krankheitsverläufe sind die Regel. In 80% der Fälle haben die Infizierten keine oder nur milde Symptome. Damit soll die Gefahr nicht verharmlost werden, denn natürlich gibt es auch die schweren Verläufe, die insbesondere Menschen mit Vorerkrankungen treffen. Immerhin jeder 6. bis 7. Betroffene muss stationär behandelt werden.

Unterstellt, die Anzahl der insgesamt Infizierten (COVID-19-Fälle insgesamt) spiegele die Realität vollständig wider, es gebe also keine Dunkelziffer, liegt die dokumentierte Letalität (Sterblichkeit) deutschlandweit bei etwa 4 bis 5%. Der Vollständigkeit halber sei hier angemerkt, dass in einer räumlich begrenzten Studie auf der Basis eines vollständigen Screenings eine deutlich niedrigere Letalität von unter 0,4% bestimmt wurde. Der Grund dafür ist die potentiell hohe Dunkelziffer unerkannt Infizierter. Inwiefern dieser niedrigere Wert auf die größere Population in Deutschland übertragbar ist, kann derzeit nicht gesagt werden. In Unkenntnis der Dunkelziffer an Infizierten muss man sich seriöser Weise am höheren Wert orientieren.

Wie groß ist das Risiko für das Individuum wirklich?

Angesichts der sich teilweise überschlagenden und dabei auch widersprüchlichen Medienberichterstattung, fällt es dem Einzelnen schwer, die tatsächlich vom Corona-Virus ausgehende Gefahr realistisch einzuschätzen und sein eigenes Risiko zu veranschlagen. Dabei kann dieses Risiko relativ einfach aus den vom RKI übermittelten Zahlen bestimmt werden.

Wir haben oben gesehen, dass es derzeit 12682 akut ansteckende Personen (COVID-19-Infektiöse) gibt. Deutschland hat etwa 83 Mio. Einwohner. Demnach beläuft sich der Anteil der infektiösen Mitbürger auf 0,0153%, d.h., etwa 1 von 6544 Menschen ist akut ansteckend.

Was heißt das?

Jemand der täglich mit 65 unterschiedlichen Personen Kontakt hat, wird im Mittel alle 100 Tage auf einen an COVID-19 erkrankten und akut infektiösen Menschen treffen. Wer nur mit max. 18 Personen pro Tag Kontakt hat, wird statistisch nur einmal im Jahr in die Nähe eines akut Infizierten kommen.

Natürlich geht es hier um Mittelwerte. Wer in einem Landkreis oder einer Stadt mit höherer Dichte an akut Infizierten lebt, wird mit höherer Wahrscheinlichkeit bzw. häufiger mit ansteckenden Personen in Kontakt kommen. Nehmen wir Hamburg: Der Anteil der akut Infektiösen liegt dort bei 0,022%. Wer täglich mit 18 unterschiedlichen Personen in Kontakt kommt, wird also im Mittel etwa alle 8 Monate einem konkreten Infektionsrisiko ausgesetzt sein.

Das gleiche gilt natürlich auch umgekehrt. In Mecklenburg-Vorpommern (das Bundesland mit den niedrigsten Infektionszahlen) ist der Anteil der akut Infektiösen mit einem Wert von 0,0033% fast 5-mal geringer als im deutschlandweiten Schnitt. Wer dort 18 Personen pro Tag nahe kommt, wird im Mittel nur alle 4 bis 5 Jahre auf einen Infizierten treffen.

Auch wenn man mit einem Infektiösen Kontakt hat, heißt dies noch nicht, dass man sich auch selbst infiziert. Das konkrete Risiko hängt von vielen Faktoren ab. Relevant sind auf jeden Fall die Nähe, die Intensität und die Dauer des Kontakts. Schon einfache Vorsichtsmaßnahmen sind geeignet, das Ansteckungsrisiko deutlich zu reduzieren. Bei einem normal-distanzierten Kontakt unter Fremden oder entfernt Bekannten (kurzes Gespräch) liegt das Risiko vermutlich auch ohne Maske unter 10%. Mit Maske vielleicht bei 1%. Enger und langanhaltender Kontakt unter Freunden („Party mit Saufgelage“) hebt das Risiko mit einiger Sicherheit in Richtung 100%. Nach diesen Vorüberlegungen wollen wir nun das individuelle tägliche COVID-19-Krankheitsrisiko für drei Musterpersonen auf Grundlage der mittleren deutschlandweiten Infektionsgeschehens abschätzen. Wir verwenden dabei die folgenden Eckwerte:

  • Tatsächliches Ansteckungsrisiko bei einer normal-distanzierten Begegnung mit Fremden oder Bekannten pro individuellem Kontakt ohne Maske 10%.
  • Tatsächliches Ansteckungsrisiko bei einer sehr sorglosen oder länger andauernden Begegnung mit Fremden oder Bekannten pro individuellem Kontakt ohne Maske 50%.
  • Tatsächliches Risiko für einen ernsteren Verlauf bei nachgewiesener Infektion (Ausbruch der Krankheit und stationäre Behandlung) 20%.
  • Tatsächliches Sterberisiko bei stationärer Behandlung 25%, (entsprechend einer Letalität von 5% bei nachgewiesener Infektion).

Person A: 1x pro Woche im Supermarkt (20 Personen), 1x pro Woche im Restaurant (5 Personen), 1x Treffen mit Bekannten oder Familienangehörigen (10 Personen). A hat im Mittel Kontakt mit 5 Personen pro Tag.

A ist vernünftig und bleibt im Kontakt ohne Maske lieber etwas reservierter (Ansteckungsrisiko pro Kontakt 10%). Das individuelle tägliche Infektionsrisiko von A liegt demnach bei ca. 1:1300 (= 5*0,000153), sein Erkrankungsrisiko (A infiziert sich tatsächlich) bei 1:13000 (= 0,1*5*0,000153). Das individuelle tägliche Risiko für einen ernsteren Verlauf eines potentiellen Krankheitsgeschehens bei A kommt damit auf 1:65000 (= 0,2*0,1*5*0,000153), sein tägliches Corona-Sterberisiko beläuft sich demnach auf 1:260000 (= 0,00038% = 0,25*0,2*0,1*5*0,000153).

Um das richtig einzuschätzen: Werfen Sie 18-mal hintereinander eine Münze. Wiederholen Sie diesen Prozess jeden Tag aufs Neue, immer wieder. An dem Tag, an welchem 18-mal hintereinander Zahl fällt, ist Person A tot und an COVID-19 verstorben.

Übrigens, das statistische tägliche Sterberisiko für einen 80-jährigen Mann liegt auch ohne Corona schon bei 1:5200 (= 0,019%), mithin also etwa 50-mal höher als das spezifische Risiko durch Corona. Wobei dieser Vergleich insofern schief ist, als dass das individuelle COVID-19-Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei einem 80-Jährigen gegenüber Personen mittleren Alters per se deutlich erhöht ist. Vergleichen wir also das berechnete COVID-19-Sterberisiko für Person A mit dem allgemeinen Sterberisiko für einen Menschen mittleren Alters.

Für 50-Jährige liegt das tägliche Sterberisiko bei etwa 1:120000 (= 0,00082%). Das für Person A zusätzlich entstehende Risiko durch Corona liegt demnach etwa halb so hoch. D.h., Corona erhöht das tägliche Sterberisiko für Person A von 0,00082% auf 0,0012%. Etwas Bewegung an frischer Luft oder die Reduktion des Fleischkonsums um wenige Prozent dürfte diese Risikoerhöhung locker kompensieren, denn nach wie vor sind Herz-Kreislauferkrankungen aufgrund mangelnder Bewegung und falscher Ernährung die Haupttodesursachen.

Person B: 1x pro Woche im Supermarkt (20 Personen), 3 Tage Heimarbeit (0 Personen), 2 Tage in der Firma (10 Personen) 2x Essen in der Kantine (20 Personen), 1x Treffen mit Bekannten oder Familienangehörigen (20 Personen). B hat im Mittel Kontakt mit 10 Personen pro Tag.

B ist vernünftig und bleibt im Kontakt ohne Maske lieber etwas reservierter (Ansteckungsrisiko pro Kontakt 10%). Das individuelle tägliche Infektionsrisiko von B liegt demnach bei ca. 1:650 (= 10*0,000153), sein Erkrankungsrisiko (B infiziert sich tatsächlich) beträgt also 1:6500 (= 0,1*10*0,000153). Das individuelle tägliche Risiko für einen ernsteren Verlauf eines potentiellen Krankheitsgeschehens bei B errechnet sich damit zu 1:32500 (= 0,2*0,1*10*0,000153), sein tägliches Corona-Sterberisiko beläuft sich demzufolge auf 1:130000 (= 0,00077% = 0,25*0,2*0,1*10*0,000153).

Unterstellt, B habe mittleres Alter, erhöht sich sein allgemeines tägliches Sterberisiko pauschal von 0,00082% auf knapp 0,0016%. Auch das ist leicht auszugleichen durch ein Minimum an gesünderer Ernährung und Sport. Übrigens, das Risiko im Straßenverkehr ums Leben zu kommen liegt für Personen mit einer durchschnittlichen jährlichen Fahrleistung von 15000 km bei etwa 0,0075% pro Jahr.

Person C: 2x pro Woche im Supermarkt (20 Personen), 5 Tage in der Firma (50 Personen), am Wochenende Party oder Disco (50 Personen). C hat im Mittel Kontakt mit 20 Personen pro Tag.

C ist unvernünftig und schert sich um nichts (Ansteckungsrisiko pro Kontakt 50%). Das individuelle tägliche Infektionsrisiko von C liegt demnach bei ca. 1:325 (= 20*0,000153), sein Erkrankungsrisiko (C infiziert sich tatsächlich) bei 1:653 (= 0,5*20*0,000153). Das individuelle tägliche Risiko für einen ernsteren Verlauf eines potentiellen Krankheitsgeschehens bei C kann somit auf 1:3267 (= 0,2*0,5*20*0,000153) abgeschätzt werden. Sein pauschales tägliches Corona-Sterberisiko errechnet sich daraus zu 1:13000 (= 0,0077% = 0,25*0,2*0,5*20*0,000153).

Unterstellt, C gehöre der jüngeren Generation an (20-30 Jahre), erhöht sich sein allgemeines tägliches Sterberisiko pauschal von 0,000137% auf knapp 0,0078%. Das ist nun schon eine signifikante Steigerung, eine fast 60-fach erhöhte Sterbewahrscheinlichkeit! Allerdings: Hier bleibt unberücksichtigt, dass Jüngere ein deutlich reduziertes Risiko für einen schweren COVID-19-Krankheitsverlauf mit stationärer Behandlung und Todesfolge haben. Stellt man dies mit einer Hospitalität von 10% statt 20% und einem Sterberisiko bei stationärer Behandlung von 5% (entsprechend einer Letalität von 0,5%) statt 25% in Rechnung, so kommt man beim individuellen täglichen Corona-Sterberisiko für C auf 1:130000 (= 0,00077% = 0,05*0,1*0,5*20*0,000153). Das ist derselbe Wert, wie bei Person B.

Resümee

Natürlich muss jeder für sich selbst bewerten, inwiefern die hier exemplarisch bestimmten Corona-Risiken individuell als bedrohlich oder als eher niedrig angesehen werden. Nach meiner persönlichen Einschätzung sind die Risiken für Gesunde in der Gesamtschau und verglichen mit anderen Lebensrisiken nicht ungewöhnlich hoch. Anders mag es aussehen für Menschen mit Vorerkrankungen und insbesondere für Ältere mit Vorerkrankungen. Diese Gruppe hat grundsätzlich ein höheres Sterberisiko, das nun durch Corona noch weiter erhöht wird.

Gewiss ist das Verbot von Massenveranstaltungen nach wie vor sinnvoll. Wahllose und fahrlässig enge Kontakte mit Fremden sollte man fraglos vermeiden. Umgekehrt muss man gefährdete Personen aktiv schützen, dabei ist auch das Tragen einer Maske in Situationen mit einem unvermeidlichen engeren Kontakt grundsätzlich sinnvoll. Ansonsten darf man die Kirche im Dorf lassen und zu einer vernünftigen Normalität zurückkehren.

Quellen:

[1] Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) – 17.08.2020 – AKTUALISIERTER STAND FÜR DEUTSCHLAND. Robert-Koch-Institut

[2] Altersspezifische Sterbewahrscheinlichkeiten der Männer in Deutschland. Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB)

[3] Sterblichkeitsrate nach Risikogruppen – Für wen ist das Coronavirus besonders gefährlich? RTL.de, 08. Juni 2020

[4] Altersabhängigkeit der Todesraten im Zusammenhang mit COVID-19 in Deutschland. Dtsch Arztebl Int 2020; 117: 432-3; DOI: 10.3238/arztebl.2020.0432