Impfquote vs. 7-Tage-Inzidenz
(Am Ende des Textes finden sich Updates mit Datenstand 01.12.2021, 15.12.2021 und 01.01.2022)
In der Grafik (s. Abb. 1) sind die Impfquoten verschiedener Länder gegen die jeweiligen 7-Tage Inzidenzen aufgetragen. Auf den ersten Blick erkennt man keinen Zusammenhang. Es gibt Länder mit hoher Impfquote und niedriger Inzidenz (z.B. Portugal), sowie solche mit niedriger Impfquote und hoher Inzidenz (z.B. Österreich), so wie man das erwartet. Das Gegenteil sieht man aber auch: Länder mit niedriger Impfquote und niedriger Inzidenz (z.B. Schweden) und solche mit relativ hoher Impfquote und gleichzeitig aber auch höherer Inzidenz (z.B. Island).
Abbildung 1: Impfquote vs. 7-Tage-Inzidenz in ausgewählten Ländern (x-y-Diagramm) – Datenstand 16.11.2021
Ist da überhaupt eine statistische Korrelation?
Idealerweise würde man eine Korrelation von -1 oder nahe daran erwarten, also einen eindeutig negativen Zusammenhang zwischen Impfquote und Inzidenz. Tatsächlich liegt die statistische Korrelation bei einem Koeffizienten von -0,15. Die Korrelation ist also nicht Null, sie ist aber so gering, wie etwa die mögliche Wechselbeziehung zwischen dem Verkauf von Waschpulver in München und den Tageshöchsttemperaturen in Wanne-Eickel. Mit anderen Worten: Es gibt keine Korrelation. Jedenfalls bestand sie nicht zum Zeitpunkt der Datenerhebung.
Abbildung 2: Impfquote vs. 7-Tage-Inzidenz in ausgewählten Ländern (Säulendiagramm) – Datenstand 16.11.2021
Welche Folgerungen kann man daraus ableiten?
Natürlich darf man daraus nicht schließen, dass Impfen nichts bringt. Eine direkte Auswirkung auf die Inzidenzen hat die Impfquote aber offensichtlich nicht. Das ist indes nicht verwunderlich! Zwar schützt die Impfung gut vor schweren Verläufen, sie kann aber Infektionen unter Geimpften und zwischen Geimpften und Ungeimpften nicht unterbinden. Hier liegt der Schutz etwa zwischen 70 % und 90 %, das ist sogar weniger, als Masken und Abstand in vielen Situationen gewährleisten können. Die Impfung kann also Masken und Abstand nicht ohne Weiteres ersetzen.
Bei dieser Ausgangslage ist damit klar: Es gibt keine Pandemie der Ungeimpften. Die Pandemie betrifft alle. Das liegt schon in der Bedeutung des Wortes. Die Ungeimpften kann man schlechterdings nicht für den begrenzten Infektionsschutz der Impfung verantwortlich machen – und erst Recht nicht für die über die Zeit nachlassende Impfwirkung.
Schutzwirkung der Impfung
Wie man mittlerweile aus Studien weiß, verringert sich die Schutzwirkung bereits im Verlaufe von einigen Monaten nach der Impfung. In Abhängigkeit vom Impfstoff und dem Alter des Impflings ist der Schutz in vielen Fällen bereits nach 4 – 7 Monaten stark reduziert und mitunter kaum noch vorhanden. Das ist sicher mit ein Grund für die hohe Inzidenz bezüglich der schweren Verläufe und auch für die Todesfälle unter den Geimpften in der Altersgruppe 60+. Rechnerisch ist die Impfquote hier mit 85,6 % sehr hoch, aber die Zweitimpfung liegt vielfach schon mehr als 6 Monate zurück. Insbesondere für die vulnerablen Gruppen gibt es deswegen derzeit keine realistische Alternative zur Auffrischungsimpfung. Genau dies rechtzeitig zu planen und umzusetzen hat die Politik – leider zum wiederholten Male – verabsäumt.
Trotz dieser Fakten wirft man seitens der Politik den Ungeimpften gerne Verantwortungslosigkeit und unsolidarisches Verhalten vor. Man redet mittlerweile gar unverblümt von einer möglichen Impfpflicht.
Sind die Ungeimpften verantwortungslos und unsolidarisch?
Doch trifft dies wirklich zu? Sind die Ungeimpften Schuld daran, wenn die Belegung der Intensivstationen an die Kapazitätsgrenze gerät? Wenn das Pflegepersonal auf den Intensivstationen überlastet wird? Wenn heute weniger Intensivstationen betrieben werden können als noch vor einem Jahr, weil das Pflegepersonal fehlt?
Geimpfte Patienten machen – u.a. aus den o.g. Gründen – zwar bereits 45 %, der Neueinweisungen in der Altersgruppe 60+ aus. Richtig ist aber, dass die Ungeimpften unter den Hospitalisierten einen überproportional hohen Anteil stellen. Deswegen tragen die Ungeimpften zweifellos einen Teil der Verantwortung. In einer ersten unreflektierten Reaktion mag man Ihnen gar die Schuld an der Situation im Krankenhaus zuweisen. Doch ist dies allzu einseitig und greift zu kurz, denn die Ursachen für die relativ hohe Belegung der Intensivstationen und die Belastung des Pflegepersonals liegen tiefer. Die Gründe sind schon seit längerem bekannt. Die Entscheider haben aber nicht gehandelt.
Pandemie der Unfähigen
Im Verlauf der letzten Monate wurde die Bettenkapazität auf Intensivstationen um mindestens 4000 reduziert. Die Begründung dafür lässt aufhorchen: Es fehlen nicht etwa die technischen Geräte, sondern das Pflegepersonal. Und weil das Pflegepersonal knapp ist, müssen die (noch) Einsetzbaren über ihre Belastungsgrenze hinausgehen. Wer trägt dafür die Verantwortung?
Weder die Geimpften noch die Ungeimpften kann man dafür verantwortlich machen. Unabhängig von der pandemischen Lage muss man daher festhalten, dass zuvorderst andere in die Pflicht zu nehmen sind, die es an Solidarität und Verantwortung haben missen lassen. In erster Linie sind da zu nennen:
- Politiker, die nicht rechtzeitig vorgesorgt haben, sei es durch Planung der Auffrischungsimpfung oder durch Vorgaben an die Gesundheitsinfrastruktur.
- Krankenhausträger und Krankenhausbetreiber, die die Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal so gestaltet haben, dass jenes die Flucht ergreift.
- Und nochmals die Politik, die es versäumt hat, praxisgerechte Vorgaben für die Behebung des Pflegenotstands zu machen.
Die verantwortlichen Politiker haben fahrlässig unzumutbare Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal geschaffen bzw. hingenommen. Das nenne ich wirklich verantwortungslos. Es wird aber offensichtlich klaglos akzeptiert. Die wirtschaftlichen Zwänge erfordern dies, wird dazu gerne gesagt.
Sarkastisch könnte man hinzufügen: Jetzt muss man nur noch die Intensivbettenkapazität um weitere 2.000 Betten reduzieren, dann hat man schon bei einer Inzidenz von 100 die „Katastrophe“. – Mich wundert, wie wenig dies in den Medien thematisiert wird. Besonders perfide finde ich, dass man nun pauschal die Gruppe der Ungeimpften zu Sündenböcken erklärt und damit von den eigenen Versäumnissen ablenkt. Offenbar ist man damit wirklich erfolgreich.
Es ist keine Pandemie der Ungeimpften, sondern eine Pandemie der Unfähigen, der Ignoranten und der Pflichtvergessenen.
Solidarität vs. Individualität
Indem man das individuelle und im Rahmen demokratischer Freiheitsrechte liegende Verhalten Einzelner als unsolidarisch zu qualifiziert, öffnet man damit die Büchse der Pandora. Wenn wir das tun, sind alsbald auch Raucher, Alkoholtrinker, Autofahrer, (Extrem-) Sportler und Übergewichtige, die direkt oder indirekt für zehntausende Tote p. a. sorgen und das Gesundheitssystem nachweisbar belasten unsolidarisch. Die Liste könnte man noch weiter fortführen, man sieht aber schon daran, dass man in eine Sackgasse gerät.
Allein 330.00 Todesfälle jährlich sind die Folge von Herz-Kreislauferkrankungen – einige 10.000 davon vermeidbar bei halbwegs gesundheitsbewusster Lebensführung. Vor dem Tod steht nicht selten der Krankenhausaufenthalt und damit letztlich eine zumindest teilweise vermeidbare Belegung von Krankenbetten.
Es ist völlig unangebracht, die Gruppe der Covid-19-Ungeimpften isoliert der Verantwortungslosigkeit zu bezichtigen (auch wenn es sicher einige darunter geben mag, die Kritik verdienen, weil sie sich allzu sorglos verhalten). Solidarität ist immer eine freiwillige Leistung, sie ist keine Bringschuld. Wenn sie zur Pflicht wird, ist es keine Solidarität mehr.
Die Absurdität des an Ungeimpfte gerichteten pauschalen Vorwurfs unsolidarischen Verhaltens ist offenkundig.
Update vom 01.12.2021
In den meisten Ländern sind die Inzidenzzahlen trotz Erhöhung der Impfquote weiter gestiegen. In Portugal und Spanien haben sich die Werte verdoppelt. Der Korrelationskoeffizient beträgt nun -0,09. Die Wechselbeziehung zwischen Impfquote und Inzidenz ist daher nochmals unschärfer als Mitte November (s. Abb. 1.1). Es gibt also keine Korrelation zwischen der Impfquote und den Inzidenzzahlen.
Abbildung 1.1: Impfquote vs. 7-Tage-Inzidenz in ausgewählten Ländern (x-y-Diagramm) – Datenstand 01.12.2021
Update vom 15.12.2021
Die Inzidenzzahlen in Ländern mit vormals niedrigen Infektionszahlen sind weiter gestiegen, in Ländern mit hoher Inzidenz sind sie gefallen. Die Impfquoten-Musterschüler Portugal und Spanien haben es „geschafft“, ihre Inzidenzwerte innerhalb von 4 Wochen um den Faktor 3 bzw. 6 zu erhöhen. Zugleich wurde überall weiter geimpft. Der Korrelationskoeffizient liegt nahezu unverändert bei -0,07. Nach wie vor gilt daher: Es gibt keine Korrelation zwischen Impfquote und Inzidenzzahlen.
Was ebenfalls auffällt: Die Panikmache in Deutschland ist beispiellos. Haben vielleicht doch die Recht, die sagen, die Situation in den deutschen Krankenhäusern hat weniger mit Corona, aber viel mit dem hausgemachten und von politischer Seite geduldeten Pflegenotstand zu tun? Im Laufe des Jahres hat man die Kapazität an Intensivbetten um 4000 reduziert („stillgelegt“) und nichts dafür getan, die Arbeitsbedingungen in der Pflege zu verbessern.
Abbildung 1.2: Impfquote vs. 7-Tage-Inzidenz in ausgewählten Ländern (x-y-Diagramm) – Datenstand 15.12.2021
Update vom 01.01.2022
Der Korrelationskoeffizient liegt nun bei +0,35. Es gibt also eine schwach-positive Korrelation: Je höher die Impfquote, desto größer die Inzidenz (s. Abb. 1.3). Keine Frage, das ist nicht die gewünschte Form der Wechselbeziehung. Es ist definitiv die falsche Richtung. Man kann sich die Realität halt nicht stricken.
Die Impfquoten-Musterschüler Portugal und Spanien sind mittlerweile als Hochrisikogebiete eingestuft. Desgleichen u.a. Frankreich, Italien und Dänemark. Das rigide Corona-Management in Italien und Frankreich konnte ebenfalls nicht verhindern, dass sich dort die Inzidenzzahlen im Verlauf der letzten 6 Wochen vervielfacht haben – trotz gleichzeitig gestiegener Impfquote. Auch in andern Ländern ist das der Fall (s. Abb. 1.4).
Dafür wird man nun wohl Omikron verantwortlich machen. Immer gut, wenn es einen Schuldigen gibt. Nach wie vor gilt natürlich: Inzidenzen sind nur Indizien für ein mögliches Risiko. Eigentlich geht es um die schweren Krankheitsverläufe. Auch wenn die Impfung vor Omikron weniger schützt als vor Delta, bleibt immerhin noch eine gewisse Schutzwirkung. Insbesondere Gefährdete mit vielen Kontakten können daher ihr eigenes Erkrankungsrisiko mit einer Impfung substanziell reduzieren. Gewiss, ein egoistisches Motiv, aber es kann wirken.
Abbildung 1.3: Impfquote vs. 7-Tage-Inzidenz in ausgewählten Ländern (x-y-Diagramm) – Datenstand 01.01.2022
Abbildung 1.4: Verlauf von Impfquote und Inzidenz über 6 Wochen. Die Pfeile zeigen, wie sich die Impfquoten und vor allem die Inzidenzen vom 16.11.2021 bis zum 01.01.2022 entwickelt haben. In fast allen Ländern gibt es eine Bewegung hin zu höheren Inzidenzen bei gleichzeitig leicht gestiegenen Impfquoten.
Quellen:
[1] Corona-in-Zahlen für Deutschland und weltweit – aktuelle COVID-19 Kennzahlen
[2] Video: tagesthemen 21:45 Uhr – tagesthemen – ARD | Das Erste
(„Ungeimpfte sind unsolidarisch“ – Kommentar von Sarah Frühauf, MDR: https://www.daserste.de/information/nachrichten-wetter/tagesthemen/videosextern/tagesthemen-21-45-uhr-202.html)
[3] Corona-Impfung: So lange wirken Biontech, Moderna und Co. | BR24
[4] Wie lange schützt der Impfstoff von Biontech, Moderna und Astrazeneca | Spektrum
[5] „Impfen ist ein patriotischer Akt“ – Spahn will den Druck auf Ungeimpfte im Herbst erhöhen
[6] Ärztekammer kritisiert Beschluss zu Kinderimpfungen scharf
[7] Coronavirus: Fakten und Infos | Deutsche Krankenhausgesellschaft e. V. (dkgev.de)
[8] Die Corona-Pandemie: Alter ist der dominierende Risikofaktor
[9] Die ominöse Herdenimmunität
[10] Paul-Ehrlich-Institut: Corona Sicherheitsbericht
[11] Wer treibt die Infektionen? Geimpfte oder Ungeimpfte?
[13] „An oder mit“ der Corona verstorben – oder „mit“ der Impfung
Ungeimpfte verhalten sich aus einem Grund unsolidarisch und verantwortungslos: Sie belasten das Gesundheitssystem zusätzlich und auf Kosten all jener, die trotz Impfung im Krankenhaus landen bzw. all jenen, die aktuell nicht geimpft werden können: Kinder. Durch eine einfache Maßnahme (Impfung) könnte man die Situation an den Krankenhäusern zumindest etwas entspannen bzw. sich auf die anderen Versäumnisse konzentrieren.
Wurde versäumt, mehr Krankenhauspersonal auszubilden und Pflegekräfte deutlich besser zu bezahlen? Absolut.
Wollen Ungeimpfte im Fall der Fälle trotzdem im Krankenhaus behandelt werden? Natürlich! Obwohl sie zu dem Problem maßgeblich beigetragen haben. Eine Impfpflicht wird deswegen diskutiert, weil die Alternative nicht umsetzbar ist: Ungeimpften (die sich aber impfen lassen könnten) die Corona-Behandlung verweigern.
Ungeimpfte ruhen sich auf der Annahme aus, dass sie nicht schwer krank werden (oft zutreffend, aber ein Glücksspiel) und dass sie im Härtefall trotzdem behandelt werden. Sie wollen aber kein persönliches Risiko eingehen, das mit einer Impfung einhergeht (wenn auch sehr gering). Sie tragen selbst nicht zur Entlastung des Gesundheitssystems bei, wollen aber davon profitieren. Das ist inkonsequent und daher verantwortungslos.
Daher ist der Vorwurf der Verantwortungslosigkeit alles andere als absurd, sondern einfach nur konsequent.
Bzgl. der Einleitung „Impfquote vs. 7-Tage-Inzidenz“: Fairerweise müsste man auch alle weiteren Maßnahmen einberechnen. Gibt es einen Lockdown, Teillockdown, Maskenpflicht? Wie häufig wird getestet und sind Tests kostenlos? Wer wird getestet? Wie ist die Impfquote verteilt? Und, besonders wichtig: Wie verhält sich die Bevölkerung in den jeweiligen Ländern? Insofern taugt die Aussage „Es gibt keine Korrelation“ nicht als Beweis dafür, dass Impfen unnötig sei.
Natürlich respektiere ich Ihre Meinung, gleichzeitig halte ich die von Ihnen vorgebrachten Argumente in dieser Pauschalität für nicht stichhaltig.
Was Ihre Einwände zur Berücksichtigung von Begleit- oder Alternativmaßnahmen wie Maskenpflicht, Lockdown, Testhäufigkeit angeht, so will ich Ihnen nicht widersprechen. Für einen umfassenden Vergleich muss man das alles bedenken und in der Gesamtwirkung würdigen. Dabei müsste man sogar kulturelle Unterschiede, klimatische Bedingungen, Bevölkerungsdichte oder etwa Wohnsituationen mit einbeziehen. – Konkret war mir hier aber nur der direkte Bezug zwischen Inzidenz und Impfquote wichtig. Insofern sich hier kein eindeutiger Zusammenhang zeigt, so ist auch dies eine Aussage.
Um ganz hinten zu beginnen: Ich habe keinesfalls behauptet, die fehlende Korrelation spreche gegen die Impfung. Explizit steht im Text: „Natürlich darf man daraus nicht schließen, dass Impfen nichts bringt.“ Die fehlende Korrelation bezieht sich explizit auf die Infektionszahlen, nicht auf die Hospitalisierung. Der positive Effekt der Impfung auf die Reduzierung der schweren Verläufe wurde ausdrücklich hervorgehoben. Es wurde auch der Grund für die relativ hohe – und absolut vermeidbare – Belegung von 45 % der Intensivbetten durch Ältere genannt: Die Politik hat es sträflich verabsäumt, diese Gruppe der Geimpften rechtzeitig mit der Auffrischungsimpfung versorgen. Wer war hier verantwortungslos?
Selbstverständlich gibt es die völlig uneinsichtigen Ungeimpften, die weder sich noch andere mittels der Impfung oder durch sonstige Selbstbeschränkungen schützen wollen und so zur weiteren Erhöhung der Infektionszahlen und später auch zur Hospitalisierung beitragen. Diese Ungeimpften verhalten sich „unsolidarisch“. Es gibt aber ebenso die anderen, die sich nicht impfen lassen wollen (aus welchen Gründen auch immer) sich dabei aber selbst höchst umsichtig verhalten. Bezüglich dieser Gruppe gibt es absolut keinen Grund, von unsolidarischem Verhalten zu sprechen.
Und sind denn Geimpfte solidarisch, die sich nun ohne Maske und Abstand „ins Getümmel stürzen“. Wohl kaum, angesichts der Tatsache, dass die Impfung nicht vor künftiger Ansteckung und Verbreitung schützt.
Wollten Sie denn ernsthaft in Erwägung ziehen (wenn dies rechtlich möglich wäre), Ungeimpfte nicht mehr im Krankenhaus zu behandeln? Mörder und Totschläger schon, aber nicht Ungeimpfte???
Indem man damit beginnt, das individuelle und im Rahmen demokratischer Freiheitsrechte liegende Verhalten Einzelner als unsolidarisch zu qualifizieren, öffnet man die Büchse der Pandora. Wenn wir so weitermachen, könnte das ziemlich übergriffig enden:
o Raucher sind unsolidarisch – etwa 120.000 sterben jährlich daran … davor belegen sie Krankenhausbetten und nehmen Intensivbettkapazitäten in Beschlag
o Alkoholtrinker sind unsolidarisch – 35.000 Verkehrsunfälle mit Toten und Verletzen, 20.000 sterben unmittelbar an Alkohol … davor belegen sie Krankenhausbetten und nehmen Intensivbettkapazitäten in Beschlag
o Autofahrer sind unsolidarisch – 60.000 Schwerverletzte jährlich … sie belegen Krankenhausbetten und nehmen zum Teil auch Intensivbettkapazitäten in Beschlag
o (Extrem-) Sportler sind unsolidarisch – pro Jahr allein 45.000 Verletzte beim Skifahren, davon 8.000 mit stationärer Behandlung, nicht selten auch teure Operationen und Arbeitsausfälle
o Übergewichtige sind unsolidarisch – 35.000 adipöse Patienten p.a., die nur wegen ihrer Fettleibigkeit im Krankenhaus behandelt werden müssen. Zugleich ist Adipositas ein Covid-19-Riskofaktor (etwa 2-fach höheres Risiko für eine Hospitalisierung); ebenso ist es ein Krebsrisikofaktor (mit einer teilweise 50 % – 90 % erhöhter Sterblichkeit und ITS-Belegung). Gegenüber Normalgewichtigen haben Adipöse ein mehrfach erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen … das alles mit der Folge von Krankenhausaufenthalt und in vielen Fällen auch Belegung von Intensivbettkapazitäten
…
Die Liste könnte man noch weiter fortführen, man sieht aber schon daran, dass man in eine Sackgasse gerät. Allein 330.00 Todesfälle jährlich sind die Folge von Herz-Kreislauferkrankungen – einige 10.000 davon vermeidbar bei gesundheitsbewusster Lebensführung. Vor dem Tod steht nicht selten der Krankenhausaufenthalt und damit letztlich eine zumindest teilweise vermeidbare Belegung von Krankenbetten. Von den Kosten im Gesundheitssystem ganz zu schweigen.
Es macht keinen Sinn, die Gruppe der Covid-19-Ungeimpften isoliert der Verantwortungslosigkeit zu bezichtigen (auch wenn es einige durchaus verdienten). Solidarität ist immer eine freiwillige Leistung, sie ist keine Bringschuld. Wenn sie zur Pflicht wird, ist es keine Solidarität mehr.
Völlig anders sieht es aus bei Politikern und Krankenhausbetreibern. Sie haben fahrlässig unzumutbare Arbeitsbedingungen für das Pflegepersonal geschaffen bzw. hingenommen. Das nenne ich wirklich verantwortungslos. Es wird aber offensichtlich klaglos akzeptiert. Die wirtschaftlichen Zwänge erfordern dies, wird dazu gerne gesagt. Jetzt muss man nur noch die ITS-Kapazität um weitere 2.000 Betten reduzieren, dann hat man schon bei einer Inzidenz von 100 die „Katastrophe“. – Mich wundert, wie wenig dies in den Medien thematisiert wird. Besonders perfide finde ich, dass man nun pauschal die Ungeimpften zu Sündenböcken erklärt und damit von den eigenen Versäumnissen ablenkt. Offenbar ist man damit wirklich erfolgreich.
Die Politik hat durch ihr unsagbar schlechtes Pandemie-Management das Problem in dieser Schärfe erst geschaffen. Zuvorderst muss man dabei die Kommunikationsstrategie der Angst- und Panikmache anprangern. Wenn man die Menschen mit infantilen Versatzstücken berieselt (z.B. Pieks statt Impfung) und ihnen Angst macht, statt an ihre Vernunft zu appellieren, dann verhalten sie sich wohl auch wie Kinder, sind verängstigt und werden bockig. Die Kommunikation zu den Impfstoffen war von Anfang ein einziges Chaos und strotzte nur so vor Widersprüchen. Das lässt sich so schnell nicht wieder kitten. Da wurde viel Vertrauen verspielt.
Ein anderen Punkt ist z.B. die Ziel-Impfquote. Wir liegen heute bei den vulnerablen Gruppen bei weit über 80 % – mehr als man es sich zu Beginn des Jahres erträumt hatte. Die erreichte Gesamtquote von knapp 67 % sollte nach der Aussage von Regierungs-Virologen gar die sogenannte Herdenimmunität gewährleisten. Eigentlich müsste die Pandemie beendet sein, und so hat man das auch vorhergesagt bzw. den Leuten versprochen. Es ist nicht eingetroffen und man hätte das schon vor Monaten wissen und sich darauf vorbereiten können (s. Beitrag zur Herdenimmunität vom März d. J.: https://blog.sumymus.de/die-ominoese-herdenimmunitaet).
Herzlichen Dank für die ausführliche Antwort. Das hilft mir, Ihren Standpunkt besser zu verstehen.
Diese Aussage hier ist der Knackpunkt: „Es gibt aber ebenso die anderen, die sich nicht impfen lassen wollen (aus welchen Gründen auch immer) sich dabei aber selbst höchst umsichtig verhalten. Bezüglich dieser Gruppe gibt es absolut keinen Grund, von unsolidarischem Verhalten zu sprechen. Und sind denn Geimpfte solidarisch, die sich nun ohne Maske und Abstand „ins Getümmel stürzen“. Wohl kaum, angesichts der Tatsache, dass die Impfung nicht vor künftiger Ansteckung und Verbreitung schützt.“ → vollkommen richtig.
Noch eine Anmerkung zu dieser Aussage: „Wollten Sie denn ernsthaft in Erwägung ziehen (wenn dies rechtlich möglich wäre), Ungeimpfte nicht mehr im Krankenhaus zu behandeln?“ → Nicht ernsthaft. Das richtet sich eher als Gedankenspiel an den typischen lautstarken unsolidarischen Impfverweigerer/Covidioten/Verschwörungstheoretiker. Einer, der gegen die Impfung, „Big Pharma“ und „die Schulmedizin“ wettert, dann aber im Krankenhaus behandelt werden will. Eine Art Verzichtserklärung würde diese Leute etwas glaubwürdiger machen 😉
Vielen Dank für diese aufschlußreiche Darstellung der Nicht-korrelation. Seit Wochen habe ich nach einer Möglichkeit gesucht, wie man dies am besten darstellen kann. Mich stört schon lange das grotteenfalsche Mantra -hohe Impfquote, niedrige Inzidenzen und umgekehrt-, das Experten, Politik und Medien von morgens bis abends verbreiten.
2G Regeln sind keine Lösung , sondern Teil des Problems, wie selbst ein bekannter Virologe inzwischen zugeben muss.
Ich würde mir wünschen, dass die Wissenschaft inzwischen untersucht hätte, wo Ansteckungen schwerpunktmäßig stattfinden und dann adaequate und punktgenaue Maßnahmen vorschlagen würde. Leider heißt ihre Pauschalantwort nur Impfen, Impfen, Boostern, Doppel-Boostern..mit zweifelhaftem Erfolg.
Wenn Impfen die einzige Antwort auf die Corona Pandemie wäre, dann wundert es mich, dass die Industrienationen den Afrikanern die Impfstoffe vorenthalten. Sind sie weniger wert als wir, oder wollen wir bei uns die Pandemie besiegen auf deren Kosten. Gott sei Dank hat in Afrika bereits eine natürliche Immunisierung eingesetzt, und die Inzidenzen sind mit wenigen Ausnahmen trotzdem sehr gering.
Ich stimme Ihnen weitgehend zu.
Die Impfung ist hilfreich, weil sie das Risiko von schweren Krankheitsverläufen drastisch reduziert. Vermutlich ist sie aber nicht das geeignete Mittel zur Beendigung der Pandemie, weil es damit nicht gelingt, die Infektionszahlen nachhaltig zu senken.
Und tatsächlich braucht Afrika wohl eher keine Impfkampagne, da die Inzidenzen ausnahmslos sehr niedrig sind (und der Anteil der sehr Alten und damit potentiell besonders Gefährdeten eher gering ist).