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Humanismus und Politik

Der Humanismus ist eine große Errungenschaft des europäischen Geistes. Er ist ein Produkt von Renaissance und Aufklärung und wurde erkämpft gegen den erbitterten Widerstand der Kirche. Seinem Wesen nach steht Humanismus für aufgeklärte Menschlichkeit losgelöst von religiösen Denkverboten und obrigkeitsstaatlichen Zwängen.  Menschsein heißt freies Denken und freie Entfaltung der Persönlichkeit im Rahmen einer allgemein akzeptierten gesellschaftlichen und politischen Ordnung. Daher impliziert humanistische Haltung  auch und gerade den Gebrauch des Verstandes, was heute leider in Vergessenheit zu geraten droht. Humanismus ohne Vernunft ist bloße Gefühligkeit.

Humanismus im Verein mit romantischer Verklärung, Realitätsverlust, naiver Hilfsbereitschaft und Selbstaufgabe ist Humanismus ohne Verstand, das ist infantil.

Der infantile Humanismus ist keine Errungenschaft, sondern eine dekadente Fehlentwicklung. Unter der Ägide der linkspopulistischen Meinungsführerschaft insbesondere von Seiten der Grünen, der SPD, der Linken und der Merkel-CDU sowie kirchlicher Assistenz ist das abstruse Postulat des infantilen Humanismus in Deutschland zur Maxime politischen Handels geworden.

Kurzum: Die Grünen, die SPD, die Linken und die Merkel-CDU sind die Parteien des infantilen Humanismus. Sie sind nicht die Parteien von Kants praktischer Vernunft, weil sie ihr Streben und Tun auf vorgeblichen Zwängen und fragwürdigen Fakten gründen. Ihr  Wollen und Handeln sprießt auf dem Boden einer romantisch verklärten Weltsicht. Auf Wunschdenken im Widerspruch zu aller Erfahrung und geschichtlicher Evidenz. Politik, die nicht auf den nüchternen Realitäten basiert ist nicht mutig oder gar visionär, sondern gefährlich, brandgefährlich. Zweimal in der jüngeren deutschen Geschichte hat dies Deutschland und Europa in schreckliches Chaos gestürzt.

Das in der deutschen Politik derzeit herrschende bizarre Dreigestirn von weltfremder Tagträumerei, überbordender Bürokratie und formal-rechtlichen Zwängen erhebt den infantilen Humanismus in den Augen seiner Vertreter in den Rang einer vermeintlichen politischen Alternativlosigkeit. Dieses Denken und Handeln  macht den infantilen Humanismus für das Staatswesen insgesamt so gefährlich, ja existenzbedrohend. Der infantile Humanismus  ist gegen die Vernunft gerichtet und taugt daher nicht als Vorlage für eine allgemeine Handlungsmaxime im Sinne Kants.

Es gibt eine Alternative, sie heißt Humanismus mit Vernunft und Augenmaß. Angewandt auf die ungesteuerte Zuwanderung von Hunderttausenden und den weltweit bereitstehenden Millionen von weiteren potentiellen Zuwanderern mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen und Motivationslagen erfordert der adulte Humanismus:

  1. Einwanderung nach definierten Kriterien (im Minimum positiver Beitrag zum Gemeinwohl, keine Belastung der Sozialkassen, klar erkennbare Integrationsbereitschaft und -fähigkeit).
  2. Asyl für politisch Verfolgte, und nur für diese.
  3. Temporärer Schutz für Kriegsflüchtlinge (ohne einklagbare Rechtsansprüche)

Digitale Müllsammler

Diese Diskussion (s. Link) zeigt einmal mehr, wie sinnlos Auseinandersetzungen auf einer Plattform wie LinkedIn, Xing, Facebook, … letzten Endes sind. – Ja, freie Meinungsäußerung ist eine grandiose demokratische Errungenschaft, die wir uns verdient haben und die man gar nicht hoch genug schätzen kann. Zensur dagegen ist ein Übel, ein ganz großes Übel. Trotzdem wünsche ich mir manchmal so etwas wie Zensur, und zwar Selbstzensur vom jeweils eigenen Oberstübchen der Kommentatoren. Angesichts der vorstehend zitierten Diskussion mag man das nachvollziehen können, sie steht hier indessen nur exemplarisch für viele andere.

In der analogen Welt sieht man sich von Angesicht zu Angesicht, man hört die Argumente der anderen, man reagiert darauf, man antwortet, macht eigene Vorschläge … die Diskussion nimmt ihren Lauf und gebiert ein Ergebnis oder auch nicht. Vor allem bleiben die Diskutanten mehr oder weniger dicht an der Frage dran. Zurecht gilt es als unfein und störend, vom Thema abzuweichen. Und wenn doch einmal jemand nicht bei der Sache bleibt, über Gott und die Welt schwadroniert und derart den anderen die Zeit stiehlt, dann läuft er mindestens Gefahr, sich böse Blicke einzufangen oder eine Rüge einzuholen.

Offenbar gelten diese Regeln in der digitalen Welt nicht. Allzu viele haben keinerlei Hemmungen, die Ausgangsfrage beliebig umzudeuten, neu zu interpretieren und dergestalt doch endlich einmal das loszuwerden, was sie – bei allem Mangel an Sachwissen – schon immer sagen wollten. Dass das meiste davon am Thema vorbeigeht, wen kümmert’s? Von der Sache keinen blassen Schimmer, was soll’s? Keine Ahnung, aber eine steile These, warum auch nicht? – Ach, wer wird denn so kritisch sein? Hauptsache, man hat seine Botschaft platziert. Und überhaupt muss man das völlig anders machen. Ganz nach dem Motto: Ich habe zwar kein Wissen zum Thema, und eigentlich auch nur eine völlig unausgegorene Meinung, aber ich sag sie schon ´mal … und während ich sie niederschreibe, wird sie zur vermeintlichen Wahrheit. Da steht sie schließlich – schwarz auf weiß! Nicht immer aber auch nicht selten unverständliches Kauderwelsch; unbekümmert und locker auch noch die niedrigsten Anforderungen an Klarheit der Aussage unterschreitend. Einfach nur dahingeschmissene Satzfetzen, Plunder, Trödel, Müll! Rechtschreibung, Satzzeichen, Stil, … was für ein Aufwand, soll ich vielleicht erst denken? Dafür habe ich keine Zeit … und das ist mir gar nicht der Mühe wert. – Wie gesagt, nicht immer, und selbstverständlich gibt es auch durchdachte Beiträge und Kommentare, auf die das alles nicht zutrifft, aber dennoch, es sind bei Weitem keine Ausnahmen.

Noch nie Hammer und Nagel in der Hand gehabt, aber ich kann euch sagen, wie der Nagel in die Wand kommt: Es ist doch klar, nach dem Querdenkerparadigma muss man den Nagel festhalten und die Wand ruckartig darauf zu bewegen. Die Experten haben doch alle keine Ahnung, ich weiß es besser. Im Silicon Valley machen die das alles schon. Das könnte jetzt sofort schon umgesetzt werden, wenn die *-Lobby das nicht blockieren würde. Hey, man braucht gar keine Brücke zu bauen, man muss nur den Fluss umleiten, das ist viel einfacher. Reden wir hier gerade über Elektromobilität? Ja – und über Verkehrsstaus in der Stadt und, äh, hmh, Fernreisen, Kreuzfahrten, Bratwürste und Konzertsaalarchitektur. Oder nein, eigentlich geht es doch mehr darum, dass ich schon immer dagegen war. Gegen was? Natürlich gegen Autos, insbesondere gegen stinkende Diesel. Ach was, ist doch egal!

Ja, so läuft das hier. Und weil da alle, nein, nicht alle, aber sehr viele mitmachen, wird das Medium, die Plattform und letzten Endes das Internet insgesamt zur gigantischen Müllhalde des Nichtwissens, der Halbwahrheiten, der Verwirrungen, der Ablenkungen, der Nichtigkeiten. Aber sicher, die Müllhalde ist auch voller Wertstoffe, manches kann man wiederverwenden und daraus Neues machen. Man kann Kleinodien des Wissens darin finden und überraschende Entdeckungen machen. Es gibt winzige Nuggets und veritable Goldklumpen – sie sind aber verschüttet unter der Masse des achtlos dahingeworfenen Abfalls.

Und deswegen sind wir dazu verdammt, als digitale Müllsammler den Datenschutthaufen zu durchforsten, in der Hoffnung, hin und wieder auf ein brauchbares Stück zu stoßen. Leider passiert das nur allzu selten.

Algorithmen und andere Missverständnisse

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) fordert in einem Namensartikel von Heiko Maas in der Zeit eine Charta der digitalen Grundrechte. Unter Artikel 4 steht da „Kein Mensch darf zum Objekt eines Algorithmus werden.“

Der Terminus Algorithmus soll hier großzügig als Metapher für eine maschinengestützte Faktenverarbeitung und Entscheidung verstanden werden. Eigentlich geht es hier im Kern um „Künstliche Intelligenz“, nicht banal um singuläre Algorithmen auf der Ebene von Kochrezepten. Die Formulierungen im zitierten Artikel 4 sind nicht gerade auf der Höhe der Zeit und spiegeln ein rückwärtsgewandtes Verständnis von künstlicher Intelligenz wider. Künstliche Intelligenz erschöpft sich nicht in der banalen Abbildung logisch folgerichtiger Schlüsse.

Künstliche Intelligenz erhebt den Anspruch, in komplexen Situationen und auf Basis unsicherer und unvollständiger Informationen zu nachvollziehbaren und im Einklang mit menschlichen Verhaltensweisen stehenden vertretbaren Entscheidungen zu kommen. Und dies mit größerer Sicherheit und schneller, als dies ein Mensch je könnte.

Ein Beispiel: Nehmen wir ein Auto kurz vor einem unvermeidlichen Crash. Der Fahrer kann sich nur noch entscheiden, ob er die Mutter mit Kind auf der rechten Straßenseite oder das ältere Ehepaar links davon überfährt. In beiden Fällen mit vermutlich tödlichen Konsequenzen. Was soll er tun? – Es gibt keine allgemeingültige Regel dafür, weil jeder Fall spezifische Besonderheiten aufweist: Beim Fahrer, seinem Lebenshintergrund, seinen konkreten Erfahrungen, aber auch bei den potentiellen Opfern, ihrem Verhalten, oder ganz banal ihrem Aussehen. Der Fahrer wird sich irgendwie entscheiden und sich danach dafür verantworten müssen. Dafür haben wir Regeln, die wir Gesetze nennen, ergänzt um manchmal ungeschriebene ethische Grundsätze.

Wie verhält es sich bei der „künstlichen Intelligenz“? Bezüglich der Entscheidungsgrundsätze nicht wesentlich anders. Der Unterschied liegt vor allem darin, dass bei der maschinellen Entscheidung u. U. keine natürliche Person für die eventuellen Folgen verantwortlich gemacht werden kann. Das ist aber im Kern kein Problem eines Algorithmus oder der künstlichen Intelligenz, sondern unseres Rechtssystems. Die „künstliche Intelligenz“ selbst könnte dabei sehr viel besser als der durchschnittliche Mensch im Hinblick auf die tatsächliche Unfallfolgenminimierung auf Basis der geltenden juristischen und allgemein akzeptierten ethischen Grundsätze entscheiden.

Der menschliche Fahrer mit eigenem Kleinkind wird das Lenkrad erschreckt in Richtung auf das ältere Paar herumreißen, auch dann, wenn Mutter und Kind in 9 von 10 Fällen bei genauerer Evaluierung wahrscheinlich nur leicht verletzt werden würden. Umgekehrt wird der Fahrer, der in der älteren Frau seine Mutter zu erkennen glaubt impulsiv in die andere Richtung lenken und damit möglicherweise einen folgenschweren Fehler begehen. Ist das besser, als sich im Vorfeld genaue Gedanken zu machen und intelligente Regeln zu formulieren? Ist das gerecht?

Eine echte „künstliche Intelligenz“ wird innerhalb von Bruchteilen von Sekunden genau die Entscheidung treffen, die bei Abwägung aller Optionen und potentiellen Folgen im Hinblick auf Schäden für Leib und Leben, Sachschäden, Rechtsfolgen und Kosten unter Abwägung der Risiken und Eintrittswahrscheinlichkeiten insgesamt das Optimum darstellt. Dazu muss man neben den rein physikalischen Risikoeinschätzungen „nur“ noch die juristischen und metaphysisch-ethischen Grundsätze in gleicher Weise abbilden – Das ist es, was den Kern eines solchen „Algorithmus“ ausmacht. Es sind nicht die Lerndaten. Letzten Endes haben diese nur den Charakter von situativ unscharfen Konfigurationsparametern, mehr nicht. Entscheidend sind die immanenten Metadaten und die das Verhalten beschreibenden Zusammenhänge (Metaregeln). Und natürlich kann man diese Metadaten, Regeln und Verhaltensbeschreibungen – im engeren Sinne wäre dies der Algorithmus – einer kritischen Prüfung unterziehen und bewerten. Wenn man so will, ist das der Algorithmus-TÜV.

Nehmen wir ein einfaches Modell: Es gibt einen Input \(x\) und es gibt einen Konfigurationsparameter \(p\). Der Algorithmus \(A\) bestimmt nach Maßgabe des Konfigurationsparameters \(p\) aus dem Input \(x\) den Output \(y\), formal \(A_{p}(x)  \rightarrow {y}\). Bei einem lernenden Algorithmus ist das nicht anders, nur dass eben hier der Parameter \(p\) nicht oder nur ungefähr bekannt ist. Das ändert doch aber nichts an der grundsätzlichen algorithmischen Formulierung. Der Algorithmus beschreibt den Satz von Regeln, wie bei gegebenen \(p\) aus dem Input \(x\) der Output  \(y\) bestimmt wird. Das kann geprüft und bewertet werden. Und es kann auch geprüft und bewertet werden, wie sich die Regeln bei Variation von \(p\) verändern, Variationen und stochastische Unschärfen eingeschlossen.

Bei lernender Software geht es i. d. R. nicht darum, aus dem Nichts heraus algorithmische Lösungen zu entwickeln. Der Ansatz ist vielmehr, bestehende Lösungen systematisch zu verbessern verbunden mit der Fähigkeit zur situativen Adaption und Optimierung. Vernünftige lernende Software basiert zunächst auf Problemverständnis und Erfahrungswissen. Genau so arbeiten auch wir Menschen.

Am Beispiel der Linsensuppe wird deutlich, dass auch Venkatasubramanian (zitiert in „Es genügt nicht, Algorithmen zu analysieren„) das so sieht: Da ist die Rede von einem Koch (das ist jemand, der kochen kann, der also das nötige Problemverständnis hat). Der Koch fragt die Gäste nach ihren Rezepten (da steckt das Erfahrungswissen). Erst jetzt beginnt die Zubereitung. Was den Algorithmus ausmacht ist am Ende nicht das banale Rezept für die Linsensuppe, sondern die Einhaltung der grundlegenden Regeln und die Berücksichtigung der Zusammenhänge (Metadaten-/regeln). Im konkreten Beispiel: Gewürze sind Zutaten und keine Hauptbestandteile, Zyankali als Gewürz ist verboten, …, die Reihenfolge der Zubereitungsschritte orientiert sich an biochemischen Gesetzmäßigkeiten, …, die Suppe wird nicht kochend serviert, eine Gabel als Essbesteck wird gar nicht erst probiert, … Diese Metadaten und Regeln machen den Algorithmus aus und können evaluiert werden. Der Algorithmus bildet die Fähigkeiten eines Kochs ab. Das kann bewertet und überprüft werden. Ob die Suppe am Ende schmeckt ist genauso unbestimmt, wie auch im Falle des menschliches Kochs. Das wäre aber auch nicht Gegenstand des TüV-Zertifikats (im Sinne der Forderung des BMJV).

Deswegen: Ja, man kann Algorithmen prüfen, man muss sie sogar prüfen. Indessen ist dieser Prozess nicht trivial und erfordert die Kenntnis des Kontexts. Das ist gewiss nicht neu, es ist aber insofern komplexer, als die Algorithmen über die wir hier reden den Anspruch erheben, intelligentes Verhalten abzubilden. Im engeren Sinne sind daher nicht die Lerndaten relevant, sondern die Regeln für die Verarbeitung derselben. Das ist der Algorithmus!

Die Forderung des BMJV nach einem Algorithmen-TÜV ist daher nicht ganz falsch, sie muss aber weiter gefasst werden. Es ist absolut nicht trivial, das Verhalten eines komplexen, intelligentes Handeln widerspiegelnden Algorithmus zu analysieren. Wir reden hier von einem Testat über eine „künstliche Intelligenz“. Das ist ähnlich schwierig, wie die Beurteilung eines Menschen. Dafür brauchen wir letzten Endes so etwas wie Computerpsychologie, auch wenn das zum jetzigen Zeitpunkt noch wie Science Fiction klingt.

Wie sinnvoll ist die Frauenquote?

Von der hohen gesellschaftspolitischen Warte aus gesehen klingt die Quotenforderung angesichts der steigenden Anzahl hochqualifizierter Frauen zunächst einmal logisch. Und vor allem, sie ist politisch korrekt. Aber sind Forderungen nach einer Quote in Top-Führungspositionen auch zweckdienlich? Sind sie überhaupt gerechtfertigt? Da habe ich meine Zweifel.

Über die vermeintlich offensichtliche Gerechtigkeitsfrage hinaus wird gerne als Zusatzargument für die Sinnhaftigkeit genannt, Frauen hätten ja einen ganz anderen Führungsstil und würden schon deswegen dem Unternehmen gut tun. Das ist insofern ein Kurzschluss, als dass man damit allgemein Frauen zugeschriebene Attribute wie z. B. Empathie und Harmoniebedürfnis vorschnell auf die Gruppe karrierebewusster Frauen überträgt. Sie haben es geschafft, unter Männern und mit den Spielregeln der Männer ihre jeweilige Karrierestufe zu erreichen. Warum? Weil sie sich ihrem Umfeld angepasst haben und sich danach verhalten. Für die Führungskultur sind sie ein bunter Tupfen. Ihr Beitrag für die dringend benötigte Neuausrichtung in der Führungskultur ist ebenso wahrscheinlich positiv oder negativ wie der eines zufällig ausgewählten männlichen Kollegen.

Wenn man die Führungsaufgabe auf einen Kernsatz reduzieren will, geht es darum, mit den Mitarbeitern im konstruktiven und auf Augenhöhe geführten Dialog zusammenzuarbeiten, gemeinsam nach Lösungen zu suchen und am Ende die Entscheidungen zu treffen. Intelligent, kreativ, fachlich qualifiziert müssen vor allem die Mitarbeiter sein. Die Führungskraft braucht Entscheidungs- und Kommunikationsfähigkeit. Sie muss in der Lage sein, ihre Mitarbeiter zu begeistern und mitzunehmen. Sie muss Hindernisse beseitigen und die Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Arbeiten schaffen. Die alles entscheidende Grundlage dafür ist Vertrauen, nicht Kontrolle. Dafür vor allem trägt sie die Verantwortung – und sie steht dabei zugleich vor und hinter ihren Mitarbeitern.

Wie sieht die Realität aus? Vielfach trifft man auf egomanische Managementstrukturen, Kontrolle statt Vertrauen, Entscheidungskonzentration statt Delegation von Verantwortung und im Ergebnis operatives Heißlaufen mit wenig Effekt und frustrierte Mitarbeiter. Hans-Jürgen Kugler von Kugler Maag Cie fasst das folgendermaßen zusammen: „Die meisten Firmen funktionieren passabel, obwohl es ein Management gibt“. Diese Feststellung so formulieren zu müssen ist frappierend und erschreckend zugleich. Wie kann dies sein nach Jahrzehnten immer raffinierterer Human Resources Methoden und Leadership Forschung. Sind die Personaler nicht in der Lage, die richtigen Personen auszuwählen? Oder dürfen sie es nicht, weil gerade in den höheren Führungspositionen andere und damit vielfach sachfremde Kriterien wichtiger sind? Letzteres dürfte die Wahrheit nicht allzu sehr verfehlen.

Richtig ist daher, dass die Kriterien für die Besetzung von Führungspositionen geändert werden müssen. Falsch ist, dass dies als Geschlechterfrage wahrgenommen und dargestellt wird. Was ändert sich, wenn der Egomane durch die Egomanin ersetzt wird? Richtig, die Anrede.

Letzten Endes sind die Quotenforderungen vom Symptom her gedacht, nicht von der Ursache. Und auch nicht vom vernünftigen Ziel einer neuen Führungskultur.

Drei Anmerkungen zur Quote im Hinblick die Rolle der Qualifikation, der Zielrichtung und der Gerechtigkeitsfrage:

  1. Im Hinblick auf die Karrierechancen wird die Bedeutung der fachlichen Ausbildung und des Könnens überschätzt – bei Frauen UND bei Männern.
    Es ist geradezu naiv, zu glauben, dass die wie auch immer definierte Qualifikation entscheidend ist für die Besetzung einer Führungsposition. Das fängt schon damit an, dass objektive Kriterien in den meisten Fällen gar nicht existieren. Karriere macht im Zweifel nicht die Person mit dem besseren Abschluss, nicht die mit dem größeren Können, sondern, in Abhängigkeit von den selbst gesetzten Präferenzen, die mit dem größeren Einsatz (natürlich auch im Netzwerk), dem Durchsetzungsvermögen, dem Willen, und, wenn man so will, dem Ego. Man kann es dabei drehen und wenden wie man will: Wer da ist, die Arbeit sucht, sich einsetzt und die Aufgabe erledigt – meinetwegen kaum besser als mittelmäßig – wird jedenfalls als Macher wahrgenommen. Im Konjunktiv funktioniert das nicht, auch nicht bei besten Potentialen („könnte“ die Arbeit hervorragend erledigen, ist aber nach 16:30 nicht mehr da, kann nicht für drei Wochen auf Dienstreise, …). Das mag man beklagen und für ungerecht halten. Gleichviel, es ist Fakt. Und es ist bei näherem Hinsehen nicht so abwegig, wie es auf den ersten Blick vielleicht erscheint. Die daraus sich ableitende politische Aufgabe ist daher nicht die Quote, sondern die konsequente politische Hilfestellung für die Gestaltung eines familienkompatiblen Umfelds (Kita, Kindergarten, Schule, Ganztagsbetreuung, …).


  2. Top down vs. Bottom up: Wieso eigentlich redet man immerzu über die Besetzung von Führungspositionen im Top-Management?
    Das ist etwa so, als würde man beim Hausbau mit dem Dachstuhl beginnen. Fangen wir doch da an, wo alles beginnt: Auf dem Boden (der Tatsachen)! Dort, wo die Fülle der Arbeiten tatsächlich anfällt und Führung unmittelbar erlebt wird und Wirkung zeigt. Zunächst einmal reden wir hier also vom unteren und mittleren Management. Wenn man für karrierebewusste Frauen im Beruf wirklich etwas tun will, dann muss man auf dieser Ebene beginnen. Nur dort kann man in der Breite wirklich einen merklichen Effekt erzielen und wird mittel- bis langfristig zu einer stärkeren Durchdringung kommen – auch im Top-Management. Die Frauenquote im Aufsichtsrat oder im Vorstand ist doch eigentlich nur ideologische Augenwischerei. Ohne Substanz! Symbolpolitik für eine kleine und ohnehin privilegierte Minderheit.


  3. Männer und Frauen sind gleichberechtigt, haben gleiche Rechte und Pflichten, sind gleichgestellt.
    Geschlechtsspezifische Unterschiede spielen keine Rolle, sofern sie für die Erledigung der Aufgabe keine Bedeutung haben. Das ist Realität! Weitgehend auch im Berufsleben. Gleichstellung bedeutet doch aber nicht, dass gleiche Chancen auch im gleichen Verhältnis realisiert werden. Gleichstellung ist ein Versprechen auf gleiche Chancen, nicht die Vorgabe gleicher Biografien. Und auch keine Garantie auf Karriere. Jedenfalls nicht bei Männern. Warum sollte es bei Frauen anders sein? – Die Quote will offensichtlich die Gleichstellung im Ergebnis. Das ist etwa so, als würde man im Spielcasino die Gewinne am Tisch gleichmäßig verteilen, mit der Begründung, es herrsche ja auch Chancengleichheit (jeder Vergleich hinkt, auch dieser). Das ist absurd!

Deswegen ist die Quote als Lösungsansatz ähnlich sinnhaft, wie das Kaltbad für den fiebernden Patienten: Die Temperatur sinkt, der Patient wird aber nicht gesund. – Gehen wir doch an die Ursachen: die Führungskultur. Dann bekommen wir am Ende mehr von dem, was uns alle zusammen voran bringt: Männer und Frauen, die führen können. Frauen und Männer, die Führung nicht als Selbstdarstellung verstehen, sondern als Dienstleistung an ihren Mitarbeitern und damit in bestem Sinne auch für das Unternehmen.

Wenn man über die Symbolpolitik hinaus tatsächlich mehr erreichen will, dann muss man die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpacken, insbesondere die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine Aufgabe gleichermaßen für den Staat und die Wirtschaft – doch ohne Zweifel: Die Quote ist bequemer und billiger und damit lassen sich ideologische Feindbilder trefflich zementieren.