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Versorgungssicherheit mit Windstrom – eine theoretische Analyse

Einführung

Im Beitrag wird die Frage beleuchtet, inwieweit auf der Basis von Windkraft eine velässliche Versorgung mit Strom hergestellt werden kann. Wir konzentrieren uns dabei auf das grundsätzliche Potentail in der Erzeugung von Windstrom und blenden die praktisch bestehenden Limitierungen (minimale Windgeschwindigkeit unterhalb derer kein Strom produziert wird, begrenzter Erntefaktor aufgrund physikalischer Rahmenbedingungen, Abschaltung von Windrädern bei zu starkem Wind) aus.

Zunächst zusammenfassend die verwendeten Begriffe und Definitionen:

\begin{align} v_W &= \text{Windgeschwindigkeit} \\ \notag
v_{Wind} &= \text{Zufallsvariable Windgeschwindigkeit} \\ \notag
\overline{v_W} &= \text{Mittlere Windgeschwindigkeit} \\ \notag
v_N &= \text{Nenn-Windgeschwindigkeit} \\ \notag
P_W &= \text{Stromleistung aus Wind} \\ \notag
P_{Wind} &= \text{Zufallsvariable Stromleistung aus Wind} \\ \notag
\overline{P_W} &= \text{Mittlere Windleistung} \\ \notag
P_N &= \text{Nenn-Windleistung} \\ \notag
V &= \text{Versorgungsgrad} \\ \notag
&= \text{Stromangebot in Bezug auf den Strombedarf} \\ \notag
VR &= \text{Versorgungsrisiko } \\ \notag
&= \text{Wahrscheinlichkeit} \, P(V \lt 1) \\ \notag
VS &= \text{Versorgungssicherheit } \\ \notag
&= \text{Wahrscheinlichkeit} \, P(V \ge 1) \\ \notag
\end{align}

Die Verteilung der Windgeschwindigkeit

Der Wind gehorcht der Weibullverteilung mit den Parametern \(\lambda\) und \(\alpha\). Der letztgenannte Wert heißt Formfaktor. Für die vorherrschenden Windverhältnisse in Mitteleuropa kann man den Formfaktor \(\alpha = 2\) ansetzen. In Süddeutschland liegt der Wert etwas darunter, an der Küste etwas darüber bei bis zu \(\alpha =2.5 \).

\begin{align} P(v_{Wind} \lt v_W) = 1-e^{-\left(\dfrac{v_W}{\lambda}\right)^{\LARGE\alpha}} \end{align}

Die Formel gibt die Wahrscheinlichkeit dafür an, dass die tatsächliche Windgeschwindigkeit \(v_{Wind}\) zu einem willkürlich gesetzten Zeitpunkt \(t\) kleiner als die definierte Geschwindigkeit \(v_W\) ist.

In Abb. 1 sind typische Graphen für die Verteilung der Windgeschwindigkeit bei unterschiedlichen Formfaktoren dargestellt.

Abbildung 1: Verteilung der Windgeschwindigkeit bei unterschiedlichen Formfaktoren \(\alpha = 1.5 \cdots 2 \cdots 2.5\).

Bei gegebenen Parametern bestimmt sich die mittlere Windgeschwindigkeit zu

\begin{align} \overline{v_W} = E(v_{Wind}) = \lambda \cdot \Gamma\left(1+\frac{1}{\alpha}\right) \end{align}

Somit kann man bei bekanner mittlerer Windgeschwindigkeit umgekehrt auch den Parameter \(\lambda\) errechnen.

\begin{align} \lambda = \frac{\overline{v_W}}{\Gamma\left(1+\frac{1}{\alpha}\right)} \end{align}

Die Verteilung der Windleistung

Für ein ideales Windrad ergibt sich die resultierende Windstromleistung \(P_W\) aus der Nennleistung \(P_N\) und der Nenn-Windgeschwindigkeit \(v_N\) gemäß

\begin{align} P_W = P_N \cdot \left(\frac{v_W}{v_N} \right)^3 \end{align}

Demnach lässt sich aus der abgegebenen Leistung umgekehrt die Windgeschwindigkeit bestimmen.

\begin{align} v_W = v_N \cdot \left(\frac{P_W}{P_N} \right)^{\LARGE \frac{1}{3} }\end{align}

Auf dieser Basis können wir nun die Verteiung der Leistungsabgabe folgendermaßen beschreiben:

\begin{align} P(P_{Wind}\lt P_W) &= 1-e^{-\left(\dfrac{v_N}{\lambda}  \left(\dfrac{P_W}{P_N} \right)^{\LARGE {\frac{1}{3}} } \right)^{\LARGE \alpha}} \\ \notag
&= 1-e^{-\left(\Gamma\left(1+ \LARGE \frac{1}{\alpha}\right)\dfrac{v_N}{\overline{v_W}}  \left(\dfrac{P_W}{P_N} \right)^{\LARGE {\frac{1}{3}} } \right)^{\LARGE \alpha }} \\ \notag
& = 1-e^{-\left(\Gamma\left(1+ \LARGE \frac{1}{\alpha}\right)^3 \left(\dfrac{v_N}{\overline{v_W}} \right)^3 \dfrac{P_W}{P_N} \right)^{\LARGE \frac{\alpha}{3}}} \\ \notag \end{align}

Die produzierte Windstromleistung ist demnach Weibull-verteilt mit dem Formfaktor \(\frac{\alpha}{3} \). Abbildung 2 zeigt Beispiele für die Verteilung der Leistungsabgabe bei Formfaktoren um \(\alpha = 2\).

Abbildung 2: Verteilung der Leistungsabgabe bei unterschiedlichen Formfaktoren \(\alpha = 1.5 \cdots 2 \cdots 2.5\).

Generische Darstellung der Leistungsverteilung

Der Erwartungswert der Leistung bestimmt sich zu

\begin{align} \overline{P_W} &= E(P_{Wind}) \\ \notag
&= \Gamma\left(1+\dfrac{3}{\alpha}\right) \cdot \Gamma\left(1+\dfrac{1}{\alpha}\right)^{-3} \left(\dfrac{v_N}{\overline{v_W}} \right)^{-3} \cdot P_N \\ \notag
&= \frac{\Gamma\left(1+\dfrac{3}{\alpha}\right) }{\Gamma\left(1+\dfrac{1}{\alpha}\right)^3} \cdot \left(\frac{\overline{v_W}}{v_N} \right)^3 \cdot P_N \end{align}

Für den Formfaktor \( \alpha = 2\) erhalten wir die Vereinfachung:

\begin{align} \overline{P_W} &= \frac{\Gamma\left(1+\dfrac{3}{2}\right) }{\Gamma\left(1+ \LARGE \frac{1}{2}\right)^3} \cdot \left(\frac{\overline{v_W}}{v_N} \right)^3 \cdot P_N \\ \notag
&= \frac{6}{\pi}\cdot \left(\frac{\overline{v_W}}{v_N} \right)^3 \cdot P_N\end{align}

Wenn \(P_W = \overline{P_W} \) gesetzt wird, dann gibt die obige Formel die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses \(P_{Wind}\lt \overline{P_W} \) wieder. Bei einer Erhöhung der Windstromproduktion um den Faktor \(q\) ist folglich \(P(q \cdot P_{Wind}\lt \overline{P_W} ) \) die Wahrscheinlichkeit, dass weniger Windstrom als \(\frac{\overline{P_W}}{q} \) produziert wird. Das ist also das Ereignis \(P_{Wind}\lt \frac{\overline{P_W}}{q} \). Eingesetzt in Formel (7) erhalten wir

\begin{align} P(P_{Wind}\lt \frac{\overline{P_W}}{q}) &= 1-e^{{-\left( \Gamma \left(1+\LARGE \frac{1}{\alpha}\right)^3 \left( \dfrac{v_N}{\overline{v_W}} \right)^3 \cdot \dfrac{\overline{P_W}} {q\cdot P_N} \right) ^{\LARGE \frac{\alpha}{3}}} } \\ \notag
&= 1-e^{-\left( \Gamma\left(1+ \LARGE \frac{3}{\alpha}\right) \LARGE \frac{1} {q } \right) ^{\LARGE \frac{\alpha}{3}}} \end{align}

Im Ergebnis ist daher die Wahrscheinlichkeit des Ereignisses unabhängig von der mittleren Windgeschwindigkeit.

Für Formfaktor \( {\alpha} = 2\) folgt der unmittelbar auswertbare Zusammenhang:

\begin{align} P(P_{Wind}\lt \frac{\overline{P_W}}{q}) &= 1-e^{-\left( \Gamma\left(1+ \LARGE \frac{3}{2}\right) \LARGE \frac{1} {q } \right) ^{\LARGE \frac{2}{3}}} \\ \notag
&= 1-e^{-\left( \LARGE \frac{ 3 }{4} \LARGE \frac{\sqrt{\pi}} {q} \right) ^{\LARGE \frac{2}{3}}} \end{align}

Analyse zum Versorgungsgrad

Der Versorgungsgrad \(V = V(t)\) ist das Verhältnis zwischen dem auf einen Zeitpunkt \(t\) bezogenen Leistungsangebot und dem entsprechenden Leistungsbedarf. Formal also \(V = \frac{P_{Wind}}{P_{Bedarf}}\). Wenn nun, wie oben, die Windstromproduktion um den Faktor \(q\) erhöht und \(P_{Bedarf} =\overline{P_W} \) gesetzt wird, dann ist das Ereignis \(V \lt 1 \) identisch mit \(P(q \cdot P_{Wind}\lt \overline{P_W} ) \). Daher erhalten wir die von der Windgeschwindigkeit und der induzierten Windleistung formal unabhängige Darstellung des Versorgungsgrads in Termen des Produktionsfaktors \(q\).

\begin{align} P(V \lt 1) = 1-e^{-\left( \Gamma\left(1+\LARGE \frac{3}{\alpha}\right) \LARGE \frac{1} {q } \right) ^{\LARGE \frac{\alpha}{3}}} \end{align}

bzw.

\begin{align} P(V \lt 1) = 1-e^{-\left( \LARGE \frac{ 3 }{4} \LARGE \frac{\sqrt{\pi}} {q} \right) ^{\LARGE \frac{2}{3}}} \end{align}

Bezogen auf einen vorgegebenen Versorgungsgrad \(g\) statt 1 ergibt sich

\begin{align} P(V \lt g) = 1-e^{-\left( \Gamma\left(1+ \LARGE \frac{3}{\alpha}\right) \LARGE \frac{g} {q } \right) ^{\LARGE \frac{\alpha}{3}}} \end{align}

bzw.

\begin{align} P(V \lt g) = 1-e^{-\left( \LARGE \frac{ 3 }{4} {\LARGE \sqrt{\pi} } \LARGE \frac{g} {q} \right) ^{ \LARGE \frac{2}{3}}} \end{align}

Wir haben nun einen vollständigen Überblick über die erzielbaren Versorgungsgrade in Abhängigkeit von der Windstromproduktion in Einheiten des Strombedarfs. Wir müssen also nicht konkrete Windgeschwindigkeiten oder Leistungsfaktoren betrachten und können demgemäß grundsätzliche Aussagen zur Versorgungssicherheit bzw. zum Versorgungsgrisiko ohne nähere Kenntnis der Gegebenheiten am Aufstellungsort treffen. Wir müssen lediglich die Verteilung der Windgeschwindigkeiten kennen, genauer, den Formfaktor \(\alpha\) der entsprechenden Weibullverteilung.

Versorgungssicherheit und Versorgungsrisiko

Die resultierenden graphischen Verläufe für die Versorgungssicherheit \(\text{VS} = P(V \ge 1) \) und das Versorgungsrisiko \(\text{VR} = P(V \lt 1) \) bei unterschiedlichen Formfaktoren \(\alpha\) sind in den Abbildungen 3 und 4 dargestellt.

Abbildung 3: Versorgungsrisiko bei unterschiedlichen Formfaktoren \(\alpha = 1.5 \cdots 2 \cdots 2.5\).

Abbildung 4: Versorgungssicherheit bei unterschiedlichen Formfaktoren \(\alpha = 1.5 \cdots 2 \cdots 2.5\).

Die tatsächliche Windverteilung in Deutschland gehorcht näherungsweise der Weibullverteilung mit dem Formfaktor \(\alpha = 2\). Für die grundsätzlichen Aussagen reicht es daher aus, diesen Formfaktor zu betrachten.

Nach Formel (13) bestimmt sich das Versorgungsrisiko zu

\begin{align} \text{VR} &= P(V \lt 1) \\ \notag &= 1-e^{-\left( \LARGE \frac{ 3 }{4} \LARGE \frac{\sqrt{\pi}} {q} \right) ^{\LARGE \frac{2}{3}}} \end{align}

und entsprechend die Versorgungssicherheit

\begin{align} \text{VS} &= P(V \ge 1) \\ \notag &= e^{-\left( \LARGE \frac{ 3 }{4} \LARGE \frac{\sqrt{\pi}} {q} \right) ^{\LARGE \frac{2}{3}}} \end{align}

Abbildung 5: Versorgungsrisiko bei einem Formfaktor von \(\alpha = 2\).

Abbildung 6: Versorgungssicherheit bei einem Formfaktor von \(\alpha = 2\).

Die Graphen in Abb. 5 und Abb. 6 zeigen das theoretische Versorgungsrisiko und entsprechend die Versorgungssicherheit aus der Produktion von Windstrom unter idealen Bedingungen (verlustfrei, 100-prozentige Verfügbarkeit, keine Abschaltung) als Wahrscheinlichkeitsverteilung. Auf der x-Achse ist der Umfang der Windstromproduktion in Vielfachen des Strombedarfs (Produktionsfaktor q) aufgetragen. Die y-Achse in Abb. 5 zeigt das theoretische Versorgungsrisiko und die y-Achse in Abb. 6 die resultierende Versorgungssicherheit als Funktion des Produktionsfaktors q.

Aufgrund der Herleitung erkennen wir, dass die theoretische Versorgungssicherheit und entsprechend auch das Versorgungsrisiko unmittelbar aus dem Verhältnis zwischen der Gesamtproduktion an Windstrom und dem jeweiligen Bedarf, also dem Produktionsfaktor q abgeleitet werden kann.

Einige Zahlenbeispiele: Wenn der Produktionsfaktor \(q = 1\) ist (also genausoviel Strom produziert wird, wie im Mittel benötigt wird), dann liegt die Versorgungssicherheit bei 0,3 (= 30 %) und das Versorgungsrisiko bei 0,7 (= 70 %). Vielfach wird diese Situation bereits als „Autarkie“ bezeichnet, obwohl es eigentlich nur „bilanzielle Autarkie“ ist und man tatsächlich in den überwiegenden Zeitabschnitten eines Jahres auf externe Stromlieferungen angewiesen ist.

Sofern der Produktionsfaktor nur bei \(q = 0.5\) liegt, dann erhalten wir eine Versorgungssicherheit von 0,15 (= 15 %) und ein Versorgungsrisiko von 0,85 (= 85 %). Wenn im Jahresverlauf summarisch doppelt soviel Strom als benötigt produziert (Produktionsfaktor \(q = 2\)), so ergibt sich eine theoretische Versorgungssicherheit von 0,47 (= 47 %) und ein Versorgungssrisiko von 0,53 (= 53 %) .

Man entnimmt den Graphen, dass die theoretische Versorgungssicherheit mit wachsendem Produktionsfaktor zunächst schnell steigt und das Versorgungsrisiko entsprechend sinkt. Allerdings ist der Aufwand für eine deutliche Reduzierung des Versorgungsrisikos am Ende doch sehr hoch: Selbst bei einem Produktionsfaktor von \(q = 10\) liegt das Versorgungsrisiko immer noch bei 0,23 (= 23 %), also Versorgungssicherheit 0,77 (= 77 %). Und sogar bei \(q = 100\), wenn also der in der Jahressumme benötigte Windstrom den Bedarf um den Faktor 100 übersteigt – was ja in der Praxis überhaupt nicht finanzierbar ist – bleibt das Versorgungsrisiko bei 0,055 (= 5,5 %). Wir erhalten also lediglich eine Versorgungssicherheit 0,955 (= 95,5 %). Trotz des utopisch hohen Aufwandes wäre zeitanteilig an 16 Tagen eines Jahres die Stromversorgung nicht gewährleistet.

Investitionseffizienz

Es ist unmittelbar einleuchtend, dass sich die Investitionskosten proportional mit dem Produktionsfaktor erhöhen oder erniedrigen. Das Verhältnis zwischen der erreichten Versorgungssicherheit \(\text{VS(q)} = P(V(q) \ge 1) \) bei gegebenem Produktionsfaktor \(q\) ist daher ein Maß für die Investitionseffizienz.

Nun kann man fragen, wie sich die Versorgungssicherheit mit dem Produktionsfaktor ändert.

In Abbildung 5 sind die Verläufe des Quotienten Versorgungssicherheit / Produktionsfaktor für die Formfaktoren \(\alpha = 1.5 \cdots 2 \cdots 2.5\) dargestellt.

Abbildung 7: Quotient Versorgungssicherheit / Produktionsfaktor für die Formfaktoren \(\alpha = 1.5 \cdots 2 \cdots 2.5\). Beispiel: Für den Formfaktor \(\alpha = 2\) erhalten wir bei \(q = 0.2\) einen Quotienten von \(0.15\) und somit eine Versorgungssicherheit von \(V = q \cdot 0.15 = 0.03\). Wenn nun der Produktionsfaktor auf \(q = 0.6\) erhöht wird, ist der Quotient \(0.3 \) und die Versorgungssicherheit \(V = q \cdot 0.3 = 0.18\), d.h., die Versorgungssicherheit steigt überproportional mit dem Produktionsfaktor.

Der Quotient Versorgungssicherheit / Produktionsfaktor erreicht an einem bestimmten Wert \(q_{max}\) für den Produktionsfaktor sein Maximum. Diesen Wert bestimmt man zu

\begin{align} q_{max} = \Gamma\left(1+\frac{3}{\alpha}\right) \cdot \left(\frac{\alpha}{3}\right)^{\LARGE\frac{3}{\alpha}} \end{align}

Für die Herleitung s. Versorgungssicherheit mit Windstrom – eine theoretische Analyse | sumymus.

Für \(\alpha = 1.5\) bekommen wir z.B.

\begin{align} q_{max} &= \Gamma\left(1+\frac{3}{1.5}\right) \cdot \left(\frac{1.5}{3}\right)^{\LARGE\frac{3}{1.5}} \\ \notag
&= \Gamma\left(3\right) \cdot \left(\frac{1}{2}\right)^{2}\\ \notag
&= \frac{1}{2} \end{align}

Aus dem Vorstehenden entnimmt man, dass die Investitionseffizienz zunächst einmal ansteigt und dann nach Erreichen eines Maximums – in Abhängigkeit vom Formfaktor \(\alpha\) – wieder abfällt. Für \(\alpha = 1.5 \cdots 2.0 \cdots 2.5\) werden die jeweiligen Maxima mit Effizienzwerten von \(\frac{P(VS(q))}{q} = 0.271 \cdots 0,308 \cdots 0.340\) bei Produktionsfaktoren \(q_{max} = 0.500 \cdots 0.724 \cdots 0.885\) erreicht. Bei größeren Produktionsfaktoren ist die Investitionseffizienz in jedem Falle geringer.

Man erhält daher bei Erhöhung des Produktionsfaktors in der Relation einen immer geringeren Zuwachs an Versorgungssicherheit. Bei \(\alpha = 2\) sind das z.B. die Produktionsfaktoren \(q \gt q_{max} = 0.724 \) (s. Abb. 7, rechts des Maximums der blauen Kurve). Bei ausschließlicher Betrachtung der Windstromproduktion und ohne die Berücksichtigung von (teuren) Speichern ist daher der Ausbau der Windkraft wesentlich über die Grenze \(q_{max}\) hinaus zumindest ineffizient.

Realitätsbezug

Natürlich wird man in der Praxis nicht ausschießlich auf die Stromversorgung mit Windkraft bauen und daneben auch andere Erneuerbare wie z.B. Solarstrom oder Biomasse mit einbeziehen. Ist dann die obige Überlegung obsolet und die Versorgungssicherheit in Summe doch zu gewährleisten? Leider nein! Es bleibt die grundsätzliche Problematik der Wetterabhängigkeit. Wenn wir z.B. annehmen, dass 50 % des Bedarfs aus sicheren Quellen kommen (was dann allerdings Photovoltaik ausschließen würde) und damit nur die restlichen 50 % über die Windkraft erzeugt werden müssen, dann laufen wir am Ende auf dieselbe Problematik zu, nur eben mit einem graduell etwas reduziertem Risiko. Statt eines Versorgungsrisikos von 60 % hätte man dann z.B. „nur“ ein Risiko von 30 %. Die erforderliche Versorgungssicherheit von 99,9 % und höher ist auf diesem Wege – also ohne Importe, Speicher oder Backup-Kraftwerke – nicht erreichbar.

Brauchen wir Elektromobilität?

Tesla macht es vor: E-Fahrzeuge sehen chic aus, sind trendig und können obendrein auch noch sportlich sein. Kein Zweifel, für einen – relativen – Newcomer liefert Tesla wirklich anständige Fahrzeuge, ja, man darf schon sagen, richtig gute. Im Hinblick auf neue Konzepte für Antrieb, Infotainment und Fahrerassistenz ist das zunehmend eine ernsthafte Konkurrenz für deutsche Premiummarken. Grundsätzlich zumindest!

Aber ebenfalls kein Zweifel: Jeder der bekannten deutschen Hersteller BMW, Daimler und VW/Audi/Porsche, wäre jederzeit in der Lage, ein technisch mindestens gleichwertiges Produkt auf die Straße zu bringen und hätte dies auch schon vor 3 Jahren tun können. Das gleiche gilt für Japaner, Franzosen und andere. Um es ganz klar zu formulieren: Ein Elektrofahrzeug ist alles in allem technisch einfacher, als die hochgezüchteten Verbrenner nicht nur der deutschen Premium Marken. Es gibt nur eine große technische Herausforderung: Die Batterie.

Nichtsdestotrotz, pragmatisch gesehen ist das Potential da und die technische Umsetzungsfähigkeit gegeben. Warum haben die vielgescholtenen Hersteller dann nicht schon längst ein zum Tesla S vergleichbares E-Fahrzeug auf den Markt gebracht? Offenbar fehlt noch der unternehmerische Mut. Oder gibt es andere Gründe? Zumindest einmal diesen:

(1) Sie wollen und müssen mit ihren Fahrzeugen Geld verdienen. Man kann durchaus bezweifeln, dass dies mit E-Limousinen a la Tesla derzeit überhaupt möglich ist. Tesla selbst schafft es offenbar nicht in die Gewinnzone (s. hier). Es gibt noch einen weiteren Faktor: Die klassischen Produkte der Premium Marken verkaufen sich wie warme Semmeln. Gewissermaßen steht ihnen daher ihr eigener Erfolg im Wege. Warum sollten sie jetzt schon einen Zwang zur Neuorientierung verspüren? Diese Zeit wird gewiss kommen, aber ist sie wirklich schon jetzt? Dazu später.

Es gibt außerhalb der Sphäre der Automobilhersteller noch einem zweiten Grund, der gegenwärtig nicht gerade für Elektromobilität spricht.

(2) Der deutsche Strommix (25% Braunkohle, …, 26% erneuerbare Energien) resultiert in ca. 500 – 600g CO2/kWh. Ein Tesla S Performance (2014) ist mit einem gemittelten Verbrauch von ca. 24 kWh/100 km (EPA) angegeben (in der Praxis sind es, je nach Nutzung, dann doch deutlich mehr). Nun kann sich jeder leicht ausrechnen, dass dies zu einem äquivalenten CO2-Ausstoß von ca. 120 – 144 g / km führt. E-Fahrzeuge vom Schlage eines Tesla S sind daher – zumindest auf Basis des deutschen Strommix‘ – derzeit auch umweltpolitisch KEIN echter Schritt nach vorn und leisten KEINEN signifikanten Beitrag zur Verbesserung der CO2 Bilanz.

Und auch wenn man den kompletten Produktionszyklus und die Aufwände für die Energieerzeugung und den Transport mit einbezieht, bleibt für die Elektromobilität nur ein kleiner Vorteil von etwa 10% geringeren Emissionen: Damit erreicht man praktisch gesehen die Messbarkeitsstufe. Angesichts der Tatsache, dass der Anteil des Individualverkehrs an den gesamten CO2 Emissionen in Deutschland gerade einmal bei etwa 10 – 12% liegt, heißt dies was genau? – Es bedeutet Folgendes: Wenn wir alle zusammen ab sofort auf Elektromobilität umsteigen, dann sparen wir etwa 1% der CO2 Emissionen ein. In Worten „ein einziges Prozentpünktchen“! – Das Weltklima werden wir so nicht beeindrucken und noch weniger werden wir es mit dieser Maßnahme retten können.

Zurück zur Frage Tesla vs. Diesel Limousine. Nun mag man betreffend Punkt 2 einwenden, der Tesla S liege damit als relativ große und schwere Limousine gut im Rennen. Uneingeschränkt ja! Er liegt aber nicht nennenswert besser, als vergleichbare Diesel-Limousinen bei insgesamt ähnlichen Fahrleistungen (tendenziell agiler im Antritt, dafür i. d. R. schwächer in der Vmax und mit sehr viel geringerer Reichweite). Und hinsichtlich der erzielten Erlöse nach Punkt (1) spielen die genannten konventionellen Konkurrenzprodukte für die Hersteller geradezu die Rolle der Cash-Cow. Ausgehend vom Status quo wäre es, wirtschaftlich gesehen, grob unvernünftig, auf diese Erträge zu verzichten. Genauso, wie es umgekehrt vernünftig ist, dass Tesla E-Fahrzeuge und nicht etwa Diesel anbietet.

Die großen und schweren Diesel- und Benzin-Limousinen werden ja gerne als Dinosaurier bezeichnet, die früher oder später aussterben werden. Vielleicht! Unter den gegenwärtigen Randbedingungen (Energiemix) ist indes der Tesla S gleichfalls ein Dinosaurier. Man muss sich in Erinnerung rufen, vor 65 Millionen Jahren sind nicht nur die „bösen“ fleischfressenden Dinos ausgestorben, die „sanften“ pflanzenfressenden hat das gleiche Schicksal ereilt. Eine Überlebenschance – um im Bild zu bleiben – gibt es aber für smarte Lösungen a la BMW i3 und andere dieser Art.

Der Hauptvorteil eines E-Antriebs liegt in dem erreichbaren hohen Wirkungsgrad von über 90%, dahingegen liegen die klassischen Verbrenner nur bei etwa 35% – 45%. Dieser Vorteil lässt sich indes nur dann wirklich realisieren, wenn der Strom regenerativ erzeugt wird (Wasserkraft, Windkraft, Solar, …). Punkt! Bei der Stromerzeugung mittels Braunkohle, Steinkohle oder z.B. auch Erdgas hat man unterm Strich nichts oder fast nichts gewonnen und das Problem der CO2 Emission nur verlagert. Und die Wirkungsgrade von Kraftwerken liegen aus physikalischen Gründen auf ähnlichem Niveau wie die von Verbrennungskraftmaschinen im Auto. Bei Braun- oder Steinkohle ist zudem der CO2 Ausstoß deutlich höher. Über die Nutzung von Abwärme (Kraftwärmekopplung) kann man den Wirkungsgrad graduell erhöhen, das Grundproblem aber bleibt bestehen.

Kommen wir zu den Nachteilen des E-Antriebs. Das Hauptproblem ist, dass man die benötigte elektrische Energie nicht wirklich gut speichern kann. Die Energiedichte von Li-Ion-Akkus liegt derzeit bei ca. 0,1 – 0,2 kWh/kg, Superbenzin oder Diesel dagegen bieten ca. 12 kWh/kg, das ist der 60- 120-fache Wert. Und auch wenn man den ca. doppelten Wirkungsgrad des E-Motors berücksichtigt, bleibt effektiv eine nutzbare 30 – 60-fach höhere Energiedichte bei den fossilen Kraftstoffen. Der 85-kWh-Akku des Tesla S wiegt 600 kg; ca. 7 kg (etwa 8,4 l) Diesel enthalten die gleiche Energiemenge. Unter Berücksichtigung des Motorwirkungsgrads steckt daher in 14 kg Diesel (etwa 17 l) die gleiche effektiv für Vortrieb nutzbare Energiemenge.

Übrigens: Die genannten 17 l Diesel emittieren bei effektivster Nutzung in der Verbrennung etwa 45 kg CO2, das ist ungefähr die gleiche Menge, die in einem mit deutschem Strommix vollgeladenen Tesla-S-Akku steckt (42 – 51 kg CO2), und die er sich dann auch als CO2-Ausstoß anrechnen lassen muss.

Mit anderen Worten: Es gehört schon eine gehörige Portion Blauäugigkeit dazu, zu glauben, Elektromobilität in der aktuellen Entwicklungsstufe sei bereits die Lösung. Sie ist es erst dann, wenn die elektrische Energie regenerativ erzeugt wird und eine deutlich effektivere Speichermethode verfügbar ist (z.B. Akkus mit günstigeren Energie- und Leistungsdichten, Brennstoffzellentechnologie). Auf dem Übergang dahin kann man sich, bei vernünftiger Betrachtung, jegliche Form von „Glaubenskriegen“ sparen.

Damit ist das Thema für’s erste erledigt, könnte man meinen. Falsch!

Meiner Meinung nach ist JETZT der richtige Zeitpunkt, ernsthaft mit der Entwicklung vollelektrischer Fahrzeuge zu beginnen. Keine Verzichtsautos, keine Benziner mit Elektromotor, sondern Elektrofahrzeuge mit den Genen von Effizienz, Umweltfreundlichkeit und dem vom Kunden erwarteten Spaßfaktor. E-Autos fahren macht unbändigen Spaß. Beschleunigen, wie an der Schnur gezogen, leise wie eine Nähmaschine, und beim Bremsen wird die kinetische Energie wieder in die Batterie zurück gespeist. BMW hat es mit dem i3 vorgemacht: dieses Konzept ist ausbaufähig. Und zwischen 3 und 8 ist noch viel Platz für weitere Modelle. Wer jetzt startet, wird noch vor dem Ende des Jahrzehnts, wenn die Preise für Rohstoffe wieder auf Normalmaß gestiegen sind mit einem Modell oder einer kleinen Modellpalette am Markt sein können. Zugleich steigt der Anteil erneuerbarer Energien im Strommix weiter an und damit wird auch ökologisch gesehen Elektromobilität zu einer seriösen Alternative.

Keine Frage, heute ist der Markt für E-Fahrzeuge wirtschaftlich gesehen noch völlig unattraktiv.  Kaum jemand verdient Geld damit. Das kann aber schon zu Beginn des nächsten Jahrzehnts ganz anders werden. Es gibt eine Reihe von Synergien zwischen Elektromobilität, Connected Car Lösungen und Autonomiekonzepten (hochautomatisiertes und autonomes Fahren). Gegenwärtig wird die Technologie getrieben von den neu in den Mobilitätsmarkt eindringenden Digitalisierungsgiganten Google und Apple, begleitet von einigen noch kleinen innovativen und agilen Mitspielern wie Tesla. In dieser Gemengelage wird intelligente  Elektromobilität ein wichtiger Faktor sein und kann schon bald zur Wachstumslokomotive werden. Wer dann ohne Produkt dasteht wird es schwer haben, den Anschluss zu gewinnen.

Für die deutsche Wirtschaft, sogar für Deutschland insgesamt würde es fatal sein, sollte dieser Markt sich ohne uns entwickeln. Dann müssen sich auch unsere Politiker umstellen. Ohne eine prosperierende Automobilindustrie werden die Brötchen hier sehr schnell kleiner werden. Und ein Europa ohne ein leistungs- und zahlungsfähiges Deutschland kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

(Bild: ©BMW)