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Autonomes Fahren – Wie kann die nötige Funktionssicherheit in hochkomplexen Szenarien hergestellt werden?

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Um die Antwort vorwegzunehmen: Das entscheidende Plus an funktionaler Sicherheit entsteht durch das konstruktive Zusammenwirken von On-Board-Systemen und IT-Backends.

Emissionsfreie Mobilität und hochautomatisiertes Fahren sind die bestimmenden Zukunftsthemen für Automotive-OEM und Zulieferer. Eingebettete Systeme (ES) im Fahrzeug (On-Board) sind dabei zusammen mit hochleistungsfähigen Backend-IT-Systemen (Off-Board) die Wegbereiter zur Realisierung dieser ambitionierten Ziele. Der Schlüssel liegt in der intelligenten Verbindung beider Welten.

Auf dem Weg zur Realisierung hochautomatisierter und autonomer Fahrfunktionen sehen sich etablierte OEM, Zulieferer und Engineering-Dienstleister der Aufgabe gegenüber, neuartige und hochkomplexe Kundenfunktionen wirtschaftlich zu realisieren. Zugleich verändert sich der Markt rapide durch das Auftreten von neuen und unkonventionellen Mitspielern wie Google, Apple, Tesla, Faraday, Uber und anderen, die sowohl technologisch wie auch bezüglich der verfolgten Geschäftsmodelle teilweise radikal neue Wege gehen. Dieser Wettbewerb kommt überwiegend aus der Welt der IT und versteht das Auto vor allem als „fahrende Software“.

Der bewährte, von den Premium-OEMs und ihren Zulieferern vielfach erprobte Technologiezugang basiert auf der mehr oder weniger autarken Funktionsdarstellung mittels On-Board-Sensorik und eingebetteten Systemen im Fahrzeug. Das ist das Erfolgsrezept mit dem das vormals noch weitgehend mechanische oder mechatronische System Automobil seit mehr als 20 Jahren um immer mehr Elektronik und Software technologisch erweitert wird. Und dies überaus erfolgreich: Viele Fahrzeugfunktionen wurden nach und nach komplett als eingebettete Systeme mit integrierter Software realisiert. An der Spitze der Entwicklung stehen heute komplexe Fahrerassistenzsysteme bis hin zum hochautomatisierten Fahren (Automatisierungsgrad Level 3 / Conditional Automation). Wie gesagt, das alles On-Board und im Wesentlichen ohne aktive Kommunikation mit der Außenwelt!

Noch vielfach komplexer ist die Verwirklichung von Funktionen mit den geforderten höheren Automatisierungsgraden (Level 4 und höher / High und Full Automation bzw. Autonomes Fahren). Insbesondere im urbanen Umfeld, z.B. sicheres Passieren einer mehrspurigen städtischen Kreuzung, stellen sich hier extrem schwierigere Aufgaben die heute noch nicht sicher bewältigt werden können.

Würden wir auf der ausschließlichen Basis einer – autark arbeitenden – On-Board Systemlösung das Vertrauen entwickeln, Kinder im Vorschulalter von einem autonomen Fahrzeug und ohne Begleitung Erwachsener zu den am anderen Ende der Großstadt wohnenden Großeltern bringen zu lassen? Das ist kaum vorstellbar!

Um solche hochkomplexen und hochkritischen Anwendungsfälle funktional sicher umsetzen zu können, braucht man neue Lösungen: Ein erfolgversprechender Ansatz besteht darin, bestimmte Teilfunktionen der Gesamtaufgabe aus dem Fahrzeug herauszunehmen und in ein IT-Backend auszulagern oder dort redundant zu realisieren. Dabei geht es beispielsweise um rechenintensive Anteile der Darstellung und Interpretation des digitalen Weltbilds, die Verarbeitung großer Datenmengen, die Bestimmung von Handlungsalternativen in der Fahrstrategie mittels KI-Methoden (KI = Künstliche Intelligenz), die kontinuierliche Erweiterung der Szenario-Wissensbasis (Continuous Learning), das Voraussehen des Verhaltens anderer Verkehrsteilnehmer, die Plausibilisierung der eigenen Fahrtrajektorie sowie ganz schlicht das Monitoring des Fahrzeugs und der Fahrstrecke von einem anderen Ort aus.

Es ist gewiss kein Zufall, dass die oben genannten neuen Marktplayer von Anfang an den Nutzen von IT-Lösungen erkannt und die damit verbundene Flexibilität in der Entwicklung, der Validierung und der revolutionären Veränderung des Gesamtsystems Automobil oder allgemeiner von Mobilitätskonzepten insgesamt für sich nutzbar zu machen suchen.

Aus diesem Spannungsfeld erwächst ein enormer Druck auf die etablierten OEM, Zulieferer und Engineering-Dienstleister. Beide technologischen Ansätze haben ihre Stärken und Schwächen, es kommt darauf an, bezüglich künftiger Mobilitätslösungen die Vorteile der IT-Welt (u.a. Verarbeitung großer Datenmengen, schnelle Updates, Einsatz KI-Methoden, Deep Learning) mit den Vorteilen der ES-Welt (u.a. enge Verzahnung von HW und SW, hohe Effizienz, kompakte Algorithmen, Echtzeitfähigkeit) zu verknüpfen.

Die entscheidende daraus erwachsende technologische Anforderung ist die Vernetzungsfähigkeit der Teilsysteme und Systeme im Gesamtverbund. Es geht dabei um sichere, nein, um hochsichere und absolut verlässliche Datenverbindungen in hoher Bandbreite. Nur dann, wenn dies gewährleistet ist, lassen sich funktional sichere Anwendungen (Safety) in einem heterogenen Systemumfeld aus IT- und ES-Systemen darstellen. Gleichzeitig müssen natürlich höchste Maßstäbe an die Datensicherheit (Security) gelegt werden, denn es gilt, „Ohne Security gibt es keine Safety“.

Die technologischen Eckpunkte für die Einhaltung der funktionalen Sicherheit von IT-Backends sind:

  • Funktionsabhängig definierte End-to-End-Latenz < 20 ms … < 1 sec (Laufzeit von On-Board zu IT-Backend und zurück)
  • 7×24-Verfügbarkeit und technischer Third-Level Support
  • Schutz der Daten-Integrität vor Cyber-Angriffen
  • Anonymisierung der Daten
  • Kontinuierliche Aktualisierung der Schutzmaßnahmen
  • Skalierungsfähigkeit der Services

Mit dem Aufkommen des Mobilfunkstandards 5G sind die Grundlagen für hochsichere Datenverbindungen mit geringen Latenzen (“Signallaufzeit“, Verzögerung zwischen dem Auslösen und dem tatsächlichen Durchführen einer Aktion oder Reaktion) gelegt. Die hochsichere Vernetzung zwischen den eingebetteten Systemen in den Fahrzeugen mit den geeigneten IT-Backends wird so einen maßgeblichen Beitrag für die weiteren Evolutionsschritte in der Fahrerassistenz hin zu verlässlichen höheren Automatisierungsfunktionen und zum autonomen Fahren leisten.

Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch mittels dieses holistischen Lösungsansatzes der Weg zum alle Verkehrsszenarien beherrschenden fahrerlosen Auto („autonomes Fahren“ im eigentlichen Wortsinne) noch weit ist. Da mag jetzt der eine oder andere einwenden, wieso denn, das geht doch, Google macht das doch schon. Auch andere haben schon gezeigt, dass sich Autos ohne Fahrereingriff im Verkehr bewegen können. Ja und nein! Hier muss man relativieren, das ist noch lange nicht die erforderliche technologische Reife für den Masseneinsatz unter beliebigen realen Verkehrsbedingungen. – Machen wir doch den Lackmustest und rufen uns noch einmal das obige Szenario in Erinnerung: Würden wir die eigenen Kinder im Vorschulalter von einem solchen autonomen Fahrzeug und ohne Begleitung Erwachsener zu den am anderen Ende der Großstadt wohnenden Großeltern bringen zu lassen? – Dann, wenn wir diese Frage ohne Zögern mit JA beantworten können, erst dann haben wir das Ziel erreicht, nicht eher.

Mittel- bis langfristig wird es zu einer weitgehenden technologischen Konvergenz der IT-Welt und der ES-Welt kommen. Die Ansätze dazu sehen wir schon heute. Z. B. gibt es immer mehr dedizierte KI-Chips, die sowohl im ES- als auch im IT-Umfeld Verwendung finden. U. a. ist es diese Entwicklung, die als Treiber und Wegbereiter die einst völlig getrennten Welten ES und IT einander näherbringt. Ein weiterer Transformationsdruck entsteht durch die hochkomplexen und vielfachen Abhängigkeiten unterliegenden neuen Automatisierungsfunktionen. Paradoxerweise sind es dabei gerade die aus der menschlichen Perspektive heraus eher einfach zu beschreibenden Use Cases (z.B., das Auto soll völlig selbständig von Adresse A zu Adresse B fahren), die nach einer ganzheitlichen Betrachtung rufen und so den Konvergenzprozess vorantreiben.

Die Drei von der (Diesel-)Tankstelle

Die deutschen Automobilhersteller, sich selbst als Premium verstehend, sind dabei, die Marke German Engineering und Made in Germany insgesamt massiv zu beschädigen. Über Jahre hinweg haben sie – offenbar fast alle – sowohl die Verbraucher als auch die Politik hinters Licht geführt. – So einfach kann die Welt sein! Kein Wort davon, dass sich Politik und Verbraucher freilich auch allzu gerne haben täuschen lassen. Da wir in einem Rechtsstaat leben muss man indessen scharf unterscheiden zwischen dem Betrug durch den Einbau von Software zur Vortäuschung günstiger Abgaswerte auf dem Prüfstand, wie er zumindest VW, Audi und Porsche zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte, und dem Ausnutzen von letztlich legalen Schlupflöchern in den Richtlinien zur Messung der Schadstoffemissionen, wie es mehr oder weniger von allen Herstellern weltweit praktiziert wird.

Bezüglich der offensichtlichen Betrugsfälle kann es keine Nachsicht geben. Die betreffenden Hersteller haben über Jahre hinweg Gewinne gescheffelt auf Kosten und zu Lasten von Verbrauchern und der Allgemeinheit. Man muss dies in aller gebotenen Schärfe anprangern und darf nicht Ruhe geben, bis Abhilfe geschaffen ist. Und da es sich um Betrug handelt müssen auch strafrechtliche Konsequenzen gezogen werden. So ist es jedenfalls dann, wenn der einfache Staatsbürger die Grenze des Erlaubten überschreitet und deswegen kann es hier keine Ausnahmen geben, wenn nicht der Glaube an die Rechtsstaatlichkeit insgesamt Schaden nehmen soll.

Eine ganz andere Sache ist indes die Divergenz zwischen den gemessenen Emissionen auf dem Prüfstand und den tatsächlichen Schadstoffemissionen im realen Fahrbetrieb. Aufgabe der Automobilhersteller war und ist es, dafür Sorge zu tragen, dass die gesetzten Grenzwerte in der definierten Prüfprozedur und natürlich auch ohne Manipulationen am Prüfling eingehalten werden. Fahrzeuge, die dieser Prüfung standhalten dürfen vom Hersteller verkauft werden und darf der Verbraucher erwerben im Vertrauen auf viele Jahre Nutzungszeit – ohne nachträglich verfügte Einschränkungen und schon gar nicht mit der Aussicht auf Fahrverbote. Alle Beteiligten wussten von Anfang an, dass diese Prüfprozedur vor allem der Vergleichbarkeit der verschiedenen Modelle dient. Allen war von Anfang an klar, dass die Emissionen im realen Fahrbetrieb deutlich über den in der Prüfprozedur gemessenen Werten liegen. Vor allem wussten es die Hersteller selbst, die dies aber nur allzu gern verschwiegen, aber ebenso wusste die Politik darüber Bescheid und natürlich war es auch für jeden einigermaßen interessierten Verbraucher kein Geheimnis. Alle gemeinsam haben lieber auf die ach so schönen, weil niedrigen CO2-Emissionen geschaut und sich über den Beitrag zur Rettung des Weltklimas gefreut. Nichtsdestotrotz tragen nicht alle den gleichen Anteil an Verantwortung. Bei alledem muss man festhalten, dass, entgegen der teilweise hysterischen Diskussion,  die verkehrsbedingte Emission von Stickoxiden in den letzten 25 Jahren dramatisch zurückgegangen ist, wie die Daten des Umweltbundesamtes belegen.

Der Verbraucher denkt zunächst einmal an sich und seinen eigenen Vorteil. Er darf und soll in einer Marktwirtschaft wirtschaftlich handeln, deswegen darf man es ihm nicht verdenken, wenn er sich in seinen Kaufentscheidungen auch an den Vorgaben der Politik orientiert und z.B. Steuervorteile oder niedrige Betriebskosten beim Diesel einkalkuliert. Natürlich muss er zu einem gewissen Grade auch darauf bauen, dass die Hersteller ihm Produkte anbieten, aus denen er den gewünschten Nutzen tatsächlich ziehen kann. So funktioniert freie Wirtschaft in einem demokratischen Staatswesen. Vor allem sollte der Verbraucher auf die Politik vertrauen dürfen, darauf, dass die gegenwärtigen und zukünftigen Rahmenbedingungen für seine privaten Investitionen stabil und vorhersehbar sind. Drohende Fahrverbote sind gerade kein Ausdruck von Verlässlichkeit und gehen auf das Konto der Politik, nicht auf das der Justiz, die ja wiederum nur auf der Basis politischer Vorgaben und Gesetze entscheidet.

Tatsache ist, dass die Politik höchst widersprüchliche Rahmenbedingungen geschaffen hat. Einerseits definiert sie ein Zulassungsverfahren für Dieselfahrzeuge, das ziemlich offensichtlich wenig praxisgerecht ist. Andererseits setzt sie für bestimmte Schadstoffemissionen mehr oder weniger völlig willkürliche Grenzwerte fest. Die erlaubten Stickoxidemissionen am Arbeitsplatz sind etwa 24-mal höher als im Straßenverkehr. Warum? Weil man sich am Arbeitsplatz ja nur etwa 8 Stunden täglich aufhält und dort ja nur gesunde Erwachsene tätig sind … und was da noch für absonderliche Begründungen kommen. Aber an der verkehrsbelasteten Kreuzung steht man die ganzen langen 24 Stunden eines Tages, insbesondere Kranke und Kleinkinder. – Tatsache ist, dass der Grenzwert für die Stickoxide von der Weltgesundheitsorganisation in der Höhe von 40 mg/m^3 empfohlen wurde. Ja dann muss es damit ja wohl seine Richtigkeit haben. Großes Fragezeichen.

Es gibt nicht eine einzige Studie, in der die direkte toxikologische Wirkung der Exposition von Stickoxiden dieser Konzentration nachgewiesen werden konnte. Vielmehr ist es so, dass höhere Konzentrationen von Feinstaub eine krankmachende Wirkung auf Menschen haben. Feinstaub? Stickoxide? Ist das nicht dasselbe? Nein, ist es nicht. Feinstaub wird emittiert durch alles Mögliche: Industrie, Haushalte, von Benzinmotoren genau wie von Dieseln, Verkehr allgemein, z.B. Bremsabrieb, die Wetterlage nicht zu vergessen – alles hat einen Einfluss. Unter anderem eben auch die Stickoxide. Und weil man sie so gut messen kann, schaut man nun eben auf die Stickoxidkonzentrationen. Sie dienen gewissermaßen als Indikator für schlechte Luft. Niemand fragt mehr, ob die Stickoxide selbst in der fraglichen Konzentration überhaupt gesundheitsschädlich sind. Genau das ist aber wichtig, weil der Diesel als Emittent der Stickoxide damit in Sippenhaft genommen wird. Die Diskussion darüber trägt Züge von Hysterie. Näheres zur Feinstaubemission und den möglichen Zusammenhängen mit vorzeitigen Sterbefällen s. hier: Feinstaub PM 10, Feinstaub PM 2,5.

Ein Dieselfahrverbot wäre etwa so, als würde man dem Alkoholiker das Trinken verbieten, weil er angeblich nur so von seiner Sucht loskommt. – Der Konsum von Alkohol ist es, was ihn krank macht, nicht das Trinken. Diese Unterscheidung zu treffen erscheint in der gegenwärtigen Diskussion manchem offensichtlich schon zu anspruchsvoll. Hier ist eine nüchterne wissenschaftliche Betrachtung jenseits aller Ideologien erforderlich. Daher brauchen wir keine Gerichtsentscheidungen, sondern politische Weichenstellungen mit einem Mindestmaß an Weitblick.

Der schwarze Peter liegt damit zuallererst bei der Politik, nicht bei den Automobilherstellern, die die ausgehandelten Vorgaben – jenseits der angesprochenen Betrugsfälle – allzu buchstabengetreu umgesetzt haben. Man mag das beklagen, aber so funktioniert nun einmal jedes rechtstaatliche Gemeinwesen. Regeln müssen eingehalten werden, sie müssen aber nicht in vorauseilendem Gehorsam übererfüllt werden. Offenbar sind doch die von der Politik und den Lobbyisten der Automobilindustrie ausgehandelten Mess- und Zulassungsverfahren zu lasch und nicht praxisgerecht. Dass dabei die Automobilindustrie über ihre Lobbyisten kräftig Einfluss genommen hat ist nach Lage der Dinge ihr gutes Recht. Die Politik indessen vertritt in Gestalt ihrer gewählten Vertreter daneben auch das Interesse der Menschen, es ist ihre Aufgabe, Regeln vorzugeben bzw. auszuhandeln, die dem Gemeinwohl zuträglich sind. Dafür vor allem ist sie verantwortlich … und dieser Verantwortung ist sie nicht gerecht geworden! Dabei muss sie selbstredend auch für Verlässlichkeit sorgen. Deswegen ist der Diesel-Skandal im Hinblick auf die drohenden Fahrverbote in erster Linie ein Ausdruck politischen Versagens bis in die höchsten Spitzen hinein und abermals ein Beleg dafür, dass dieses Land seit Jahren unter Wert regiert wird. Im Übrigen sei daran erinnert, dass der städtische Personennahverkehr mit Bussen und Taxis fast ausschließlich mit Dieselfahrzeugen abgewickelt wird, ebenso der Lieferverkehr. Die wirtschaftlich negativen Folgewirkungen eines Dieselfahrverbots werden alle spüren. Gerichte kümmert das zunächst einmal nicht.

Der drohende oder bereits eingetretene Wertverlust für Dieselfahrzeuge geht voll auf das Konto der Nichtentscheider, Abwiegler und Aussitzer in der Politik. Unterm Strich tragen sie die Hauptverantwortung. In der gegenwärtigen Situation ist es daher die vorrangige Aufgabe der Politik, Dieselfahrer vor Fahrverboten zu schützen oder sie entsprechend zu entschädigen. Sich hinter Gerichtsentscheiden zu verstecken ist ein Ausdruck von Hilflosigkeit und politischem Unvermögen. Drohende Fahrverbote sind nicht höhere Gewalt, sondern das Ergebnis verfehlter Politik. Die Politik ist daher aufgerufen zur aktiven Gestaltung von tragfähigen Rahmenbedingungen. Für billigen Wahlkampf und Fingerzeigen auf die die Zeichen der Zeit verschlafenden Automobilindustrie taugt dieses Thema jedenfalls nicht.

Und welche Rolle spielt der Verbraucher? – Warum ist denn der Unterschied zwischen Praxisbetrieb und den Messungen am Prüfstand gar so groß? Liegt das nicht auch daran, dass viele sogenannte Normalfahrer beim Betrieb ihres Fahrzeugs ein Mindestmaß an Vernunft vermissen lassen und sich eher wie verkappte Rennfahrer verhalten? Auf dem Weg zur Arbeit wieder 20 Sekunden gespart. Freie Fahrt für freie Bürger … und das heißt, immer so schnell, wie es nur eben geht. Mit Vollgas auf den Abgrund zu! Man kann einen Diesel oder Benziner auch heute schon so fahren, wie man in Zukunft ein elektrisch betriebenes Gefährt ohnehin fahren muss und wie hochautomatisiert oder autonom fahrende Fahrzeuge völlig selbstverständlich fahren werden – vorausschauend, mit mäßiger Beschleunigung, ohne abrupte Manöver, eher gemächlich und vor allem ohne emotionsgetriebene und unfallverursachende Überreaktionen. Hört sich langweilig an? Nein, es hört sich vernünftig an und es ist immer noch der Kern dessen, was Mobilität meint.

Es ist nach dem Vorstehenden daher gar zu billig, den Automobilherstellern die Schuld zu zuweisen, alle drei Akteure tragen ihren Anteil. Zuallererst die Politik, ihr ging es vor allem darum, die Wirtschaft am Laufen zu halten. Alles darüber hinausgehende hat sie von Anfang an ignoriert. Dann die Hersteller, die verlässlich nach der Devise handeln, erst das Geschäft, und nur das Geschäft. Ethische Grundsätze (Ressourceneffizienz, Nachhaltigkeit, Umweltschutz) sind etwas für Sonntagsreden, im Tagesgeschäft werden harte unternehmerische Entscheidungen getroffen. Zuletzt die Verbraucher, die gar nicht wissen wollen, dass sie selbst einen Einfluss haben, sie müssen keine „Schrankwände“ vom Typ „universell verwendbar“ kaufen – das Automobilmarketing hat für diese Fahrzeuge das Kürzel SUV erfunden – wenn sie mobil sein wollen.

In der Reihenfolge dieser Verantwortung müssen nun auch die Probleme angegangen werden. Am meisten kann die Politik tun, sie muss den Verbraucher von möglichen Einbußen weitgehend freistellen. Diesel-Fahrverbote wären ein Armutszeugnis und Ausdruck von eklatantem politischem Versagen. Man kann sich nur wundern über die Kaltschnäuzigkeit, mit der einzelne Politiker nun Fahrverbote ins Spiel bringen, als ginge sie die ganze Sache, die sie doch zu wesentlichen Teilen verursacht haben nichts an. Steuererleichterungen oder sonstige Anreize für die Umrüstung von älteren Dieselfahrzeugen wären eine Möglichkeit. Die Automobilhersteller müssen dafür technisch und wirtschaftlich passende Angebote machen. Das ist möglich, wenn man es nur will, und man will es, wenn man es tun muss. Software-Updates allein sind reine Augenwischerei. Auch das wissen alle, tun aber so, als sei dies ein konstruktiver Beitrag.

Und zuletzt ist es dem Verbraucher auch zuzumuten, selbst einen Beitrag zu leisten und zumindest Fahrzeuge mit einer absehbar noch längeren Nutzungsdauer umzurüsten.

Doch wie wahrscheinlich ist ein solches Szenario? Da muss man skeptisch sein. Die Medien haben sich bereits großflächig auf die „bösen“ Automobilhersteller eingeschossen und rühren aus betrügerischen Handlungen und regelkonformen Zulassungstests einen Einheitsbrei, der dann am Ende nach Betrug riecht, wenn nur ein Diesel in der Nähe steht. Die ökologisch orientierten Verbände sehen offenbar die Chance, der Automobilindustrie nun endlich an den Kragen zu gehen, reden von krimineller Energie und Versäumnissen der Hersteller in Bezug auf elektrisches Fahren und drohen mit weiteren Klagen vor Gericht – völlig ignorierend, dass Elektromobilität so lange noch keinen wirklichen Sinn macht, wie der Strom in Deutschland noch weit überwiegend mittels fossiler Energieträger erzeugt wird, darunter sogar dem Klimakiller Braunkohle.

Elektromobilität erfordert den Gleichschritt mit dem Vollzug der Energiewende, da ist noch sehr viel auf Seiten der Energieerzeugung und -verteilung zu tun, was von der Politik viel schneller als bisher vorangetrieben werden muss. Programme zu verkünden bringt nichts, wenn nicht auch die Umsetzungsschritte vollzogen werden. Auf absehbare Zeit wird man daher auf eine moderne Dieseltechnologie noch nicht verzichten können, wer dies glaubt, nährt sich von Illusionen. Die erforderliche Technologie ist vorhanden und wird beherrscht, sie wird aber nicht mehr so billig zu haben sein, wenn die neuen Prüfverfahren mit größerer Praxisnähe zum Maßstab genommen werden. Nötig ist daher maximale Offenheit und Realitätssinn bei allen Beteiligten: Gefordert ist aber zunächst einmal die Politik. Elektromobilität auf der Basis von Batterien unterschiedlicher Zellchemie, Brennstoffzelle, Wasserstoffkreislauf … auch diese Technologien gibt es bereits in einer gewissen Reife, das heißt aber nicht, dass man einfach den Hebel umlegen kann. Die Gestaltung des Übergangs zu einer nachhaltigen Mobilität mit einem geringeren Ressourcenverbrauch und ohne fossile Energieträger setzt Veränderungswillen bei allen Beteiligten voraus und braucht Zeit. Anfangen muss man spätestens jetzt!