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Es ist nicht egal, Frau Baerbock

Wenn es nicht egal ist, was ist es dann? Töricht? Fahrlässig? Unbedacht? Hat sich Baerbock hier eine schlimme Entgleisung geleistet? Oder ist alles nur Desinformation?

Wir werden sehen.

Jedenfalls kann man an diesem Beispiel sehr gut nachvollziehen, wie professionelle Tatsachenverdrehung und Desinformation gepaart mit Meinungsmanipulation ganz subtil funktionieren.

Was ist geschehen? – Baerbocks entscheidende Sätze

Da äußert die deutsche Außenministerin Baerbock auf einem Treffen in Prag vor internationalem Publikum folgende Sätze (Übersetzung aus dem Englischen von Telepolis):

Aber wenn ich den Menschen in der Ukraine zugleich das Versprechen gegeben habe: Wir stehen an eurer Seite, solange ihr uns braucht – dann möchte ich es einlösen, egal, was meine deutschen Wähler denken.

Wir werden an der Seite der Ukraine stehen, und das bedeutet, dass die Sanktionen auch im Winter bestehen bleiben, auch wenn es für die Politiker sehr hart wird.

Wir müssen in ganz Europa eine gute Lösung finden, um die sozialen Auswirkungen auszugleichen …

Wir müssen die Antworten geben: Wir sind mit jedem in unserem Land solidarisch, so wie wir mit jedem in der Ukraine solidarisch sind.

https://youtu.be/_cNV1reYfwI
Baerbock auf dem Forum 2000 in Prag (01.09.2022), YouTube.

Die Reaktion auf Baerbocks Aussagen

Hohe Wellen schlägt insbesondere der Halbsatz „egal, was meine deutschen Wähler denken„. Er lässt für viele nur die Interpretation zu, die Menschen in der Ukraine seien Baerbock wichtiger als die deutschen Bürger. Oder, sie pfeife auf die Meinung der Wähler.

Die erste Verfälschung und vermeintliche Desinformation

Über Twitter wurde die folgende Version verbreitet: I will put Ukraine first „no matter what my German voters think or how hard their life gets. Daneben wurde das Video vom Auftreten Bearbocks so geschnitten, dass die kompromittierenden Aussagen nacheinander zu hören waren.

Der wörtlich gefallene Halbsatz steht in Anführungszeichen. Der Vorspann dazu beschreibt den Kontext im Hinblick auf die Unterstützung der Ukraine. Dieses „Ukraine first“ hat Baerbock so zwar nicht wörtlich gesagt, es ist aber keinesfalls grob sinnentstellend wiedergegeben, wie man den obigen Zitaten entnehmen kann. Es ist eine rhetorische Zuspitzung.

Und was bedeutet das?

Durch die Wendung „egal, was meine deutschen Wähler denken“ wird zweierlei zum Ausdruck gebracht: Erstens wird damit betont, ich bleibe dabei (also bei der Unterstützungszusage für die Ukraine), auch wenn meine deutschen Wähler, und damit alle Wähler und somit letztlich die Menschen in Deutschland anderer Meinung sind. Die Unterstützungszusage ist offenbar dem Urteil des Wählers übergeordnet. Die Kaskade gilt deswegen, weil Baerbock als Amtsträgerin spricht, nicht als Parteipolitikerin. Das ist der gutartige Teil, weil er für die Festigkeit des politischen Urteils steht.

Zum Zweiten bedeutet dies aber auch, dass die Empfänger der Unterstützungsleistung in irgendeiner Weise einen höheren Stellenwert genießen. Wäre er gleich oder niedriger, so würde man die Wähler überhaupt nicht erwähnen oder z.B. formulieren: „bin mir sicher, meine deutschen Wähler sehen das auch so“ bzw. „vorausgesetzt, meine deutschen Wähler sehen das auch so„.

Die Priorität (Ukraine first) wird somit ganz klar zum Ausdruck gebracht. Da hilft es auch nicht, wenn Baerbock zum Schluss ihres Statements deutschen Mitbürgern die gleiche Solidarität wie Ukrainern zusichert. Auch diese Aussage verdreht in grotesker Weise die Prioritätenreihenfolge. Auf Basis ihres Ministereids hat sie von Amts wegen zuallererst für deutsche Bürger Sorge zu tragen. Da gibt es keinen Spielraum.

Worin liegt Baerbocks Fehler?

Selbstredend ist es Frau Baerbock unbenommen, der Ukraine Unterstützung zuzusichern. Das ist eine politische Entscheidung, die man zwar mit dem aus ihrer Aussage sprechenden Absolutheitsanspruch nicht teilen muss, aber darum geht es hier nicht. Der entscheidende Punkt ist die von Baerbock unnötigerweise hergestellte Beziehung zwischen dem Willen deutscher Wähler und den Interessen der Ukrainer in Verbindung mit dem von ihr ausgesprochenen Primat der Ukraine.

Wir haben eine repräsentative Demokratie und in einer solchen sind gewählte Politiker zwischen den Wahlen im strengen Sinne nur ihrem Gewissen verantwortlich. Jedenfalls sind Volksabstimmungen über derartige Fragestellungen nicht vorgesehen. Formal darf sich Baerbock daher sogar über das Befinden der Wähler hinwegsetzen, sofern sie das politisch für richtig hält. Das ist aber ersichtlich etwas anderes, als den Wählerwillen offen als irrelevant abzutun.

In dieser krassen Form ist das ist eine beispiellose Respektlosigkeit gegenüber dem demokratischen Souverän. Ein solches Denken ist im Kern undemokratisch. Sie schadet damit der Demokratie und im Übrigen auch der Akzeptanz der von ihr verfolgen Politik.

Die zweite Verfälschung

Der über soziale Medien verbreitete Zusatz „(no matter) how hard their life gets“ ist verfälscht und in dieser Form nicht gefallen. Wie oben zitiert, hat sie dabei darauf abgehoben, dass die Sanktionen bestehen bleiben, „auch wenn es für die Politiker sehr hart wird„. Das ist natürlich etwas anderes als die Aussage, „auch wenn es für die Menschen sehr hart wird„.

In diesem Fall kann man schon von einer Verfälschung sprechen. Man muss sich aber dennoch fragen: Wird dadurch die Kernbotschaft „egal, was meine deutschen Wähler denken“ signifikant verändert? Ich meine, nein. Sie wird unterstrichen und graduell schärfer, aber nicht in ihrer Grundaussage verändert.

Das ist also der Vorgang. Worin liegt nun die Desinformation?

Zunächst gibt der Tweet Baerbock im strengen Sinne fraglos verfälscht wieder, weil der Zusatz so nicht wörtlich gefallen ist. Das ist aber nicht der entscheidende Punkt, weil aus dem Kontext heraus die Rede eindeutig in diese Richtung geht. Das kulminiert in der unbestreitbar korrekt zitierten Kernaussage „(will die Ukraine unterstützen), egal, was meine deutschen Wähler denken“ und wird gestützt durch die weiteren Sätze:

1. Die „Sanktionen (bleiben) auch im Winter bestehen (…), auch wenn es für die Politiker sehr hart wird“ (was ja nichts anderes heißt als, auch wenn die Menschen dagegen aufbegehren).

2. Wir sind mit jedem in unserem Land solidarisch, so wie wir mit jedem in der Ukraine solidarisch sind.“ (wozu schon oben angemerkt wurde, dass dies die Verpflichtung Baerbocks als einer deutschen Amtsträgerin auf den Kopf stellt).

Mein Resümee: Im Wesentlichen handelt es sich um keine Desinformation, sondern um pointierte Zuspitzungen, die aber den Sinn des Gesagten nicht grob verfälschen.

Dennoch gibt es bei diesem Vorgang auch eine Desinformation. Sie kommt fatalerweise vom Außenministerium selbst.

Die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes

Vom Sprecher des Auswärtigen Amtes, Peter Ptassek, wurde folgende Stellungnahme verbreitet:

Der Klassiker: Sinnenstellend zusammengeschnittenes Video, geboostert von prorussischen Accounts und schon ist das Cyber-Instant-Gericht fertig, Desinformation von der Stange. Ob wir uns so billig spalten lassen? Glaube ich nicht.“

Ein Ablenkungsmanöver

Das Auswärtige Amt macht aus dem Vorgang also kurzerhand eine prorussische Desinformation und will die Sache damit ad acta legen. Nach dem Motto, bloß keine Wellen schlagen, die Sache einfach als Falschmeldung oder eben als gezielte Desinformation darstellen. Angesichts der unbestreitbaren Fakten entlarvt sich dieser Ansatz indessen von selbst als billiges Ablenkungsmanöver.

Das verbreitete Video ist verändert, aber nicht grob sinnentstellend verfälscht. Frau Baerbock hat die Ursache gesetzt, das kann man nicht wegdiskutieren. Auch nicht mit dem Hinweis auf eine eventuelle oder vielleicht erwiesene Beteiligung der russischen Propaganda.

Desinformation kommt mitunter von der „falschen“ Seite

Der oder die Verbreiter der Botschaft haben ohne Zweifel dafür gesorgt, dass Baerbocks Aussagen schnell und wirksam über die sozialen Medien gestreut wurden. Ansonsten wären die Äußerungen vielleicht sogar untergegangen. Der resultierende „Flächenbrand“ an öffentlicher Erregung wäre ohne den propagandistischen Brandbeschleuniger vielleicht gar nicht entstanden. Das ändert aber nach wie vor nichts an den Fakten. Es wäre fatal, wenn wir dazu übergingen, Tatsachen automatisch zu ignorieren, wenn wir über uns nicht genehme Quellen darüber erfahren.

Deswegen liegt die eigentliche und für die Demokratie gefährliche Desinformation in dieser Sache meiner Meinung nach auf Seiten des Außenministeriums. Richtig wäre es gewesen, dem Fehler mit einer Entschuldigung und Berichtigung betreffend die Wortwahl die Spitze zu nehmen.

Zusammenfassung

Man kann es drehen und wenden, wie man will, der Halbsatz: „egal, was meine deutschen Wähler denken“ ist genau so gefallen und lässt nur die Interpretation zu, die Menschen in der Ukraine seien ihr wichtiger als die deutschen Bürger. Da hilft es auch nicht, wenn sie zum Schluss ihres Statements deutschen Mitbürgern die gleiche Solidarität wie Ukrainern zusichert. Auch diese Aussage verdreht in grotesker Weise die Prioritätenreihenfolge. Auf Basis ihres Ministereids hat sie von Amts wegen zuallererst für deutsche Bürger Sorge zu tragen.

Nein, das alles kann man nun nicht mehr lapidar als Flapsigkeit oder als unkluge Äußerung beiseite wischen. Unklug ist es gewiss (wie leider nicht wenige ihrer Statements zuvor), es damit geschwind abzutun und einfach zur Tagesordnung überzugehen wäre aber verfehlt. Der Hinweis des Auswärtigen Amtes auf eine angebliche prorussische Desinformation entlarvt sich dabei von selbst als billiges Ablenkungsmanöver. Frau Baerbock hat die Ursache gesetzt, das kann man nicht wegdiskutieren.

Bewertung

Es ist keine Petitesse, sich derart respektlos über das Denken und Befinden der Menschen hinwegzusetzen. Als Repräsentantin des Staates schuldet Baerbock zuallererst dem demokratischen Souverän, also dem deutschen Volke, Verantwortung und Respekt. Beides lässt sie hier vermissen. Das macht fassungslos! Unabhängig von ihren politischen Überzeugungen über Richtig und Falsch im Hinblick auf die Ukraine schadet sie damit der Demokratie.

Entweder hat Frau Baerbock ihre Worte nicht im Griff und redet einfach nur gedankenlos dahin, dann wäre ihre Wortwahl nur töricht zu nennen. – Was überhaupt könnte für einen Diplomaten disqualifizierender sein?

Oder sie meint tatsächlich, was sie sagt, dann stellt sie damit die Interessen der Ukraine über die Interessen deutscher Bürger.

Gleich wie es sich verhält, beides ist inakzeptabel. Baerbock erweist sich einmal mehr als für ihr Ministeramt ungeeignet.

Dieses Resümee müsste man im Übrigen auch dann ziehen, wenn es sich um einen Herrn Baerbock aus der FDP oder der CDU handelte.


Quellen:

[1]: Video von Baerbocks Auftritt Baerbock: ,,no matter what my German voters think“ | Kein Ende der Sanktionen | Forum 2000

[2]: Artikel in der WELT https://www.welt.de/politik/ausland/article240801361/Baerbock-Regierung-steht-an-der-Seite-der-Ukraine-egal-was-meine-deutschen-Waehler-denken.html

[3]: Telepolis / BR Faktenfuchs https://www.heise.de/tp/features/Baerbock-und-die-Desinformationskampagne-Aber-sie-hat-es-doch-gesagt-7252010.html

[4]: Telepolis / Übersetzung der Rede https://www.heise.de/tp/features/egal-was-meine-deutschen-Waehler-denken-7251576.html

[5]: Bericht im Merkur https://www.merkur.de/politik/annalena-baerbock-ukraine-versprechen-egal-waehler-kritik-afd-linke-cdu-weidel-roettgen-news-zr-91761720.html

[6]: Kommentar im Merkur https://www.merkur.de/politik/baerbock-ukraine-zitat-deutsche-waehler-kritik-aussenministerin-kommentar-91764950.html

Skandal in Thüringen

Viele halten die Wahl des FDP-Abgeordneten Kemmerich als Ministerpräsidenten von Thüringen für einen Skandal. Aber worin genau liegt das Skandalöse? Ist es die Unterstützung durch die AfD? Sind es also die Stimmen der AfD, das taktische Kalkül von Höcke?

Nüchtern betrachtet lag alles im Rahmen der demokratischen Wahlordnung des Thüringer Landtags. Bei allem Respekt, CDU und FDP waren dumm genug, der AfD auf den Leim zu gehen (man kann es nicht anders ausdrücken). SPD, Linke und die Grünen waren allerdings genauso stupide, unprofessionell und am Ende verantwortungslos, indem sie sich mit einer Minderheitsregierung ohne Absprachen und damit auch inhaltlichen Zusagen zur Wahl stellten.

Sind hier Demokratiefeinde am Werk?

Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, offenbarten die „Sünder“ im Verein mit den Medien danach ein sehr befremdliches Demokratieverständnis. Laut Merkel war diese demokratische Wahl, namentlich die Rolle und maßgebliche Beteiligung der AfD am Zustandekommen des Wahlergebnisses, „ein unverzeihlicher Vorgang“ (SZ vom 6. Februar 2020). Wer sind nun die wirklichen Feinde der Demokratie? Ist es die AfD, der man das mit fadenscheinigen Gründen vorwirft? Oder sind es jene, die das Ergebnis einer demokratischen Wahl für undemokratisch halten? Dabei muss an dieser Stelle daran erinnert werden, dass der von Merkel vollzogene Linksruck der CDU die AfD erst möglich gemacht hat. Ohne die verfehlte Europa- und Migrationspolitik würde es die AfD nicht geben.

Das Wahlergebnis in Thüringen kann man aus vielerlei Gründen kritisieren. Deren wichtigster liegt darin, dass der Gewählte faktisch nicht den Hauch einer Chance hatte, eine handlungsfähige Regierung zu bilden und deswegen die Wahl – aus reinen Vernunftsgründen – hätte ablehnen müssen (Thüringen-FDP will Landtag auflösen). Hier reden wir indessen von einer staatspolitischen Kategorie. Mit der demokratischen Brille gesehen war es eine demokratische Wahl als Akt des Parlaments und damit folglich zunächst einmal zu akzeptieren. Völlig gleich, ob einem der Wahlausgang passt oder nicht. Jedenfalls kann sich die Kritik nicht am demokratischen Wahlverhalten einzelner Gruppen des Parlaments entzünden. Wer also nun mit Blick auf die AfD von Demokratiefeinden redet, „der nährt sich von Irrtum“, um Leonardo da Vinci zu zitieren.

Vergleiche mit dem Unvergleichlichen als Stilmittel

Gänzlich absurd ist der Vergleich mit der Machtergreifung Hitlers im Reichstag, wie er im SPIEGEL (Die heikle Parallele) konstruiert wurde. Das ist geradezu bizarr! Unhistorisch, verdreht und die Geschichte grob fahrlässig verharmlosend. Vielleicht geht’s auch eine Nummer kleiner und nüchterner. Wohl eher nicht!

Letztlich ist die Aufregung quer durch die Republik das Resultat einer parteipolitisch motivierten Dämonisierung der AfD als ernstzunehmende Konkurrenz im Kampf um Wählerstimmen, zumal im Osten.

Die Fraktionsvorsitzende der Partei Die Linke im Thüringer Landtag, Susanne Hennig-Wellsow, über Faschisten und Nazis (Markus Lanz , 2020-02-12)

Noch vor den sogenannten Altparteien sind allerdings die Medien – buchstäblich auf allen Kanälen – die maßgeblichen Treiber einer Diffamierung der AfD und ihrer Wähler (s. Medien und AfD).

Linke Demokraten

Wenn nun von der Partei Die Linke, der SPD und den Grünen gefordert wird, die CDU solle die Gleichsetzung der Linke mit der AfD aufheben und anerkennen, dass die Erstgenannte doch immerhin im Spektrum der demokratischen Parteien verankert sei, der offenbart ein ziemlich kurzes Gedächtnis. Schon vergessen? Die Linke ist die direkte Nachfolgepartei der SED. Jene Partei hat den DDR-Unrechtsstaat geführt und dabei kritische Bürger bespitzelt und bis ins Private hinein drangsaliert. Nicht wenige bei den Linken, darunter der jetzt nicht gewählte Ministerpräsidentenkandidat Bodo Ramelow, lehnen bis heute die Qualifizierung der DDR-Diktatur als Unrechtstaat ab. Trotz Schießbefehl, StasiTerror und zahllosen dokumentierten Willkür-Urteilen.

Rechte Demokraten

Von der AfD kann man Vergleichbares nicht sagen. Der Dämon, den man in ihr sehen will, ist das Resultat einer konsequenten Realitätsverweigerung. Tatsächlich hat die AfD keinerlei ideologische Berührungspunkte mit der NSDAP. Und auch die Position zu den Vernichtungslagern der Nazis ist denkbar klar. Es ist dabei ebenso perfide wie durchsichtig (aber offenbar wirkungsvoll), den 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz zum Anlass für die neuerliche Stigmatisierung der AfD zu nehmen. Gerade so, als trüge sie dafür die Verantwortung.

Der stete Vorwurf, hier seien Demokratiefeinde, Faschisten oder gar Nazis am Werk, die die Demokratie abschaffen wollen, ist Ausdruck der Unfähigkeit, sich mit den Sachargumenten auseinanderzusetzen. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, dass Höcke in persona und einige andere in der AfD Anlaß zu ernsten Fragen geben. Vor allem bezüglich ihrer Sprache und ihrer z. T. missverständlichen und überpointierten Äußerungen.

Diese extreme Zuspitzung ist mit Sicherheit keine gute Entwicklung, sie ist indessen eine grundsätzlich nachvollziehbare Reaktion auf die anhaltend schönfärberische Realitätsverweigerung durch die Parteienlandschaft und große Teile der Medien. Die stete Problemabwiegelung im Verein mit der Stigmatisierung der AfD ist der Nährboden, der radikale Sprache fast schon unvermeidlich hervorbringt. Mit dieser geradezu extremistischen Ausgrenzung hat die AfD schon seit Luckes Zeiten zu kämpfen. Wer permanent angefaucht und mit sachfremden Argumenten bombardiert wird, der poltert irgendwann zurück, auch übers Ziel hinaus. Nichtsdestotrotz sind diese Auswüchse in der AfD Einzelstimmen. Relevant ist die große Mehrheit. Und relevant ist das Programm! So hält man es auch bei anderen Parteien.

Thüringen bringt es an den Tag

Zurück zum Vorgang in Thüringen. Meiner Meinung nach liegt der wirkliche Skandal ganz woanders. Es sind zwei Dinge:

  1. Die Selbstverständlichkeit, mit der linke Populisten und Meinungsmacher ihre ausgrenzende Auffassung von Demokratie zum verbindlichen politischen Maßstab erklären und diesen durchdrücken. Sie definieren, was demokratisch noch zulässig ist, und was nicht. Die Wahlbeteiligung der AfD liegt in ihren Augen offenbar außerhalb des demokratisch Tolerierbaren. Anders kann man die ausgelöste Entrüstung nicht mehr interpretieren. Die deutsche Demokratie wird von Linkspopulisten vereinnahmt. Sie ist bereits okkupiert. Das geht so weit, dass nun auch CDU und FDP bezüglich ihres Demokratieverständnisses am Pranger stehen. Beide gehen nun bereits im Büßergewand und geloben Besserung.
  2. Es ist die offen zutage getretene Unfähigkeit, ja Naivität der handelnden Parlamentarier einschließlich der Parteizentralen in Berlin. Jeder verständige Laie konnte im Vorfeld genau das nun eingetretene Szenario als Möglichkeit ins Kalkül ziehen. Es wäre ein Leichtes gewesen, sich dagegen zu wappnen.

Was man angesichts der visions- und planlosen (aber angeblich alternativlosen!) Politik auf nahezu allen relevanten Handlungsfeldern (Innen, Außen, Verteidigung, Sozial, Finanzen, Energie und Wirtschaft, Bildung und Wissenschaft, EU), schon seit Jahren vermuten konnte, hat sich beispielhaft und eigentlich für jeden ersichtlich als Tatsache erwiesen: Offenbar werden wir von Politikern regiert, die es an Urteilskraft missen lassen. Politiker, die keine rationale Analyse zuwege bringen. Politiker, die unfähig sind, den nächsten Zug des Kontrahenten vorherzusehen und entsprechend zu handeln. Auf das Schachspiel übertragen war es ein Schäfermatt, ein fataler Anfängerfehler. Kann man solchen Dilettanten zutrauen, dass sie die Interessen des Landes und seiner Bürger in der EU und darüber hinaus angemessen vertreten? Im konkreten Fall hat sich die AfD jedenfalls intelligenter präsentiert.

Den tieferen Grund für dieses Versagen findet man anderweitig. Es ist die seit etlichen Jahren zu beobachtende Verschiebung der politischen Prämissen quer durch fast alle Parteien. Der Primat der Politik heißt heute nicht mehr Realitätssinn und Vernunft, sondern Haltung und Werte. Musste Bertolt Brecht noch dichten „Erst kommt das Fressen, dann die Moral“, gilt heute quasi die Umkehrung: „Erst kommt die Moral, dann das Fressen“. Freilich ist es nicht Moral, sondern Schein- und Doppelmoral als probates Mittel im Machtspiel.

Vernunft ist alternativlos

Eigentlich unnötig zu sagen: Es ist ein Irrweg! Die Rolle Deutschlands in der Welt und das Überleben der Menschheit insgesamt hängt ab vom Gebrauch des Verstandes der handelnden Personen. Stattdessen verzehrt man sich mit beinahe religiösem Eifer bis zum Exzess am Dogma der vermeintlichen politischen Korrektheit. Man empört sich über Formalien, anstatt die politische Energie auf die Inhalte und das konstruktive Gestalten zu legen.

Indes verzeihen die in der realen Welt wirkenden Kräfte das Ignorieren der Wirklichkeit auf Dauer nicht. Solche Ignoranz bringt ihre Vertreter eher früher als später in das himmlische Paradies der (scheinbaren) moralischen Überlegenheit. Die notwendige Folge dieser weltfremden Haltung ist die zunehmende Distanz zwischen Politikern und Wählern. Wir erleben das daraus resultierende praktische Versagen auf einigen zentralen Politikfeldern schon seit Jahren. Gegenüber den Staatsbürgern und Wählern ist dies verantwortungslos und damit letztlich auch gewissenlos.

Verantwortungsvolle Politik muss zuvorderst auf Realitätsnähe und rationaler Überlegung fußen. Dazu gibt es tatsächlich keine Alternative.

Die Medien, die AfD und die Wähler

Die Medien, die AfD und die Wähler

In Deutschland gibt es Menschen, die immer wieder auf die simple Rechnung 1 + 1 =2 hinweisen. Wie nennt man diese Leute? – Populisten, genauer, Rechtspopulisten. Na ja, so einfach ist es natürlich nicht, leider ist es aber auch nicht ganz falsch. Man fragt sich, wie konnte denn eine politische Situation entstehen, in der man sich regelmäßig dem Vorwurf des Populismus ausgesetzt sieht, wenn man Zustände vernünftig analysiert und relativ einfache Wahrheiten ausspricht. Es ist wohl so, dass sich die Maßstäbe verschoben haben: Die Bedeutung von Rationalität schwindet, dafür wächst die Neigung, die Realität gefiltert wahrzunehmen und an Erwartungen, Wünschen oder Befürchtungen zu spiegeln, statt sie nüchtern zu analysieren. Dieser Befund gilt insbesondere für die große Mehrheit der Politik und der Medien, die z.B. die Migration einseitig mit positiven und kaum begründeten Erwartungen überfrachtet haben, er gilt in abgeschwächter Form aber auch für die Kritiker der Migrationspolitik, die an der einen oder anderen Stelle allzu sehr das Negative in den Vordergrund rücken.

Beides ist fatal und führt letztlich dazu, dass die politische Auseinandersetzung weg von den Fakten und hin zu den gefühlten Wahrheiten transportiert wird. Am Ende geht die Objektivität flöten und es wird mit zweierlei Maß gemessen. Leider muss man konstatieren, beides ist bereits eingetreten. In der veröffentlichten Meinung steht es mindestens 90:10 gegen jedwede kritische Position zur Migrationspolitik. Das meiste davon ist dabei nicht das Ergebnis einer nüchternen Betrachtung der Fakten, sondern eher die auf vorgeblichen Werten fußende vorgefasste Meinung unter weitgehender Ausblendung der Realität. Hauptzielscheibe ist dabei die AfD – mittelbar sind es aber auch ihre Wähler und all diejenigen, die sich trauen, in dieser Sache kritische, vielleicht manchmal auch überpointiert-kritische Positionen zu vertreten. Einer der Hauptgründe dafür liegt meiner Meinung nach in der Berichterstattung, zumal in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien.

Im Bundestagswahlkampf 2017 hat Alexander Gauland von der AfD die damalige Staatsministerin und Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz von der SPD als Reaktion auf deren Äußerung, es gebe, über die Sprache hinaus, keine spezifisch deutsche Kultur, mit den Worten „wir werden sie nach Anatolien entsorgen“ bedacht.

Ohne Zweifel war die Aussage Gaulands mindestens sehr unglücklich gewählt und kann ohne weiteres missverständlich interpretiert werden, z.B. als Androhung der „Deportation“. Indessen hat er die Aussage auf einer Wahlkampfveranstaltung getroffen, da wird immer mit groben Keilen gearbeitet. Es ist sicher ein Fehlgriff, eine solche Aussage zu treffen, auch wenn die Adressatin, Frau Özoguz, reichlich Anlass für eine harte Replik gegeben hat. Frau Özoguz ist eine extreme Fehlbesetzung und ihre Äußerungen zur deutschen Kultur sowie das von ihr vertretene Impulspapier über die Teilhabe von Migranten und zur Integration verdienen die schärfste Kritik. Als Integrationsbeauftragte war Frau Özoguz ein Totalausfall. Sie hat nicht nur ihren Job nicht gemacht, sie bewirkte eher das Gegenteil dessen, wofür sie eingesetzt war. Dass sie einen Migrationshintergrund hat, ist von der Sache her eigentlich belanglos, man kann aber Verständnis dafür aufbringen, dass die getroffenen Aussagen aus ihrem Munde nochmals provokanter wirken als gleichlautende Äußerungen eines „eingeborenen“ Deutschen. Und provozierend sind sie allemal. Davon abgesehen, muss man grundsätzlich die Kritik an der Sache von der Person trennen, daran hält sich im politischen Diskurs indessen kaum jemand. Zumal im Wahlkampf geht es vor allem um Aufmerksamkeit – auf allen Seiten.

Man muss sich die Frage stellen, ob in den Medien nicht mit unterschiedlichem Maß gemessen wird. Nur ein Beispiel: Auf dem Parteitag der Grünen im September 2017 sprach Cem Özdemir, an die Adresse der AfD gerichtet davon, dass „diese Brut“ nicht in den Bundestag einziehen dürfe.

Gruenen-Parteitag-Cem-Oezdemir-2017-09-17

Das ist Nazisprache (Die Nazis sprachen bekanntlich von der „Judenbrut“), die indessen niemand auch nur der Erwähnung für wert befand. Wer jemand als „Brut“ bezeichnet, nimmt ihm die Menschenwürde. Vögel und Reptilien brüten, Säugetiere nicht, weder Schweine noch Menschen. In meinen Augen ist das menschenverachtender Zynismus, eine Verächtlichmachung der untersten Schublade und im Ergebnis „Volksverhetzung“, weil einer Gruppe (Teile der AfD) dergestalt die Menschenwürde aberkannt wird. Ja, am Ende sind auch Neonazis und sogar richtige Nazis Menschen und keine „Brut“. Genau wie beim „Entsorgen“ kommt es nicht auf das Wort allein an, sondern auf den Kontext und die damit formulierte Aussage: „Ihr seid keine Menschen“. – Das hat Özdemir sicher auch nur als Zuspitzung im Zuge einer seine Anhänger motivierenden Wahlkampfrede gemeint. Dennoch hätten die Medien auch darauf mit einem strengen Verweis reagieren müssen. Bei Gauland wird die Aussage von den öffentlich-rechtlichen Medien, der Mehrheit der Presse und nahezu allen Politikern unisono als tiefsitzende Böswilligkeit und konkrete Drohung verstanden, etwa als hätte er in vollem Ernst angekündigt, nach der “Machtergreifung“ Migranten und Menschen mit diesem Hintergrund nach eigenem Ermessen deportieren zu wollen.

Richtig ist dabei, dass vor allem Herr Gauland kaum ein Fettnäpfchen auslässt. Das ist in meinen Augen aber vor allem eine Stilfrage. Stil hat unter zivilisierten Menschen einen hohen Stellenwert, dennoch darf Stil nicht mit Inhalt verwechselt werden. Das gilt insbesondere in Wahlkampfzeiten. Und wenn der eine oder andere der Meinung ist, es gebe aber viele „Gaulands“ in der AfD, … nicht ganz falsch, wahrscheinlich sind etwa ein Drittel von ihnen entweder ziemlich weit rechts verortet, verkappte Neonazis, Wirrköpfe, … oder von allem etwas. Das kann man weder verteidigen noch beschönigen, indessen sind extreme Auswüchse bei Neugründungen von Parteien nicht ungewöhnlich. Es sei an die Grünen in Ihrer Anfangszeit (1980er Jahre) erinnert: keine Nazis, aber linke Fundamentalisten, Steinewerfer, Hausbesetzer, radikale Atomkraftgegner, Sitzblockierer, Pädophile (zumindest dies u. U. für akzeptabel Haltende), ein Doppelselbstmord (Kelly, Bastian) an der Spitze inklusive. Ihr ganzes Auftreten war in Bezug auf die damalige gesellschaftliche Wirkung dem der heutigen AfD nicht unähnlich, provokant, unangepasst, gegen alle Regeln, laut, sendungsbewusst, wirr – nun ja, sie sind es immer noch.

Letzten Endes ist die Existenz der AfD eine unvermeidliche Konsequenz aus der politischen und medialen Linksverschiebung der letzten 30 – 40 Jahre. Eine nochmalige Beschleunigung resultiert insbesondere aus der verfehlten Merkel-Politik ab 2005 (Europa, Finanzpolitik, Atomkraft raus/rein/raus, Energiewende, Sozialpolitik, Rente, Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung, Bundeswehr) mit einem Raketentreibsatz ab 2015 (Flüchtlingspolitik, offene Grenzen, innere Sicherheit, kein Konzept für gar nichts, nur „dahinwurschteln“ und Aussitzen … und plötzlich ist Geld da, das für die Kita, die Bildung, die Rente, die Sicherheit … die ganze Zeit fehlte). Die politischen Inhalte spielen fast gar keine Rolle mehr, es geht nur noch um die Fassade, um die Form, um politische Korrektheit. Ich würde sogar sagen, die AfD ist – ungeachtet ihres teilweise fragwürdigen Personals – nötig, um den Weg in den linkspopulistischen Einheitsstaat zu verhindern. Der aktuelle Zustand der öffentlich-rechtlichen Medien ist ein Vorgeschmack darauf. – Damit wir uns richtig verstehen: Die Medien sind nicht gleichgeschaltet und wir haben auch keine Lügenpresse. Niemand sagt den Medien, was sie berichten sollen und wie. Indessen kann man aber kaum daran zweifeln, dass die Medien weitgehend durchsetzt sind von Journalisten aus der linken Denkschule der 68-er. Klar, dass dies am veröffentlichten Meinungsbild nicht spurlos vorübergeht. Jedenfalls muss man für einige Blätter und Medien teilweise eine fast schon tendenziöse Berichterstattung konstatieren: einseitig links-grün orientiert und gerade in Fragen der Migrationsthematik kritische journalistische Distanz vermissen lassend. Dass es auch anders geht, zeigt z.B. die Neue Zürcher Zeitung (NZZ).

Die Medien berichten mehr oder weniger dasselbe und lassen mehr oder weniger dasselbe aus. Bei kriminellen Übergriffen von Neumigranten verschweigt man deren Täterschaft, solange das möglich ist und spricht lieber von Stuttgartern, Nürnbergern oder einfach von „jungen Männern“. Das ist indes entlarvend, denn sind Deutsche die Täter, spricht man dies unumwunden direkt an, was den Umkehrschluss auf die Täterschaft in den anderen Fällen umstandslos nahelegt. Klar, das ist keine verordnete Gleichschaltung von oben wie in der Nazidiktatur oder im DDR-Unrechtsstaat, es ist etwas viel Besseres und Wirksameres: wie von einer unsichtbaren Hand gesteuert ergibt sich ein „Gleichgerichtetsein“ im Ergebnis, offenbar aufgrund gleicher Sozialisierung und gleichartigen linkspopulistischen Denkens. Das ist keine objektive und distanzierte Berichterstattung mehr, sondern in vielen Fällen eher eine Art Erziehungsjournalismus (vermutlich im besten Bemühen um das vermeintlich Gute). Die Grundregel für journalistische Unabhängigkeit: „Mache dich mit keiner Sache gemein, auch nicht mit einer Guten“ wurde und wird von der überwiegenden Mehrheit der Medien nicht mehr oder nur unzureichend beherzigt. Glücklicherweise gibt es auch Ausnahmen, sie sind aber rar und nicht wenige von ihnen sehen sich dem Vorwurf des Populismus oder, schlimmer noch, rechten Denkens ausgesetzt. In welchem Land gibt es das noch: Nahezu 100% der Presse steht wie ein Mann hinter der Regierung? Richtig, in Nordkorea.

Nein, das ist keine „Verschwörungstheorie“, sondern nüchterne Beobachtung. Hier hat sich niemand verschworen – in den Medien wird aber dennoch nur der immer gleiche Eintopf serviert. Hier die Guten, dort die „Rechtspopulisten“, die „Nazis“. Mit denen muss man nicht reden, die muss man zurechtweisen oder beschimpfen. Und vor allem muss man sie hässlich machen und ausgrenzen. Kein seriöser Bericht darüber, dass die Bedenken gegen die unbegrenzte Aufnahme von Flüchtlingen vor allem aus der Mitte der Gesellschaft kommen, von Menschen, die morgens um 6:30 Uhr aufstehen, zur Arbeit gehen und die Steuern erarbeiten, mit denen nun vorrangig Flüchtlinge versorgt werden und deren Meinung zu dieser Sache offenbar nicht interessiert.

Wähler der AfD sind zahnlückige Asoziale, die keinen vernünftigen deutschen Satz formulieren können, sie sind voller Hass auf Migranten, obwohl sie noch nie einen getroffen haben. Beispielhaft dafür: In der ARD konnte man Anfang 2016 eine Dokumentation über das „Nazidorf“ Jamel sehen. Der Reporter war sinnigerweise ein sympathischer iranischer Migrantensohn, der, in perfektem Deutsch parlierend, Kontakt zu den „dumpfbackigen Eingeborenen“ zu knüpfen suchte. Mit wenig Erfolg, weil jene auf seine vernünftigen Fragen hin eigentlich zu kaum mehr als zusammenhanglosem Gestammel in der Lage waren. Sämtliche Dorfbewohner höchstens mit Hauptschulbildung und kaum in der Lage, einen halbwegs geraden deutschen Satz fehlerfrei zu formulieren, geschweige denn, sich intellektuell mit dem Reporter auf Augenhöhe zu streiten. Die Botschaft war klar: Schaut her, das sind die Verweigerer der Willkommenskultur, das sind die Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik. Stumpfsinnige Nazis. Denkunfähige, hässliche, ungebildete Kreaturen, völlig ohne Empathie. Ganz klar am Rande der Gesellschaft. Asoziale eben. Was werden die wohl wählen? Die NPD, die AfD? Na klar, das sind die Wähler der AfD. Und so sind sie eben alle. Spielen die überhaupt eine Rolle? – Nein, gewiss nicht. Auf der anderen Seite der Gegenentwurf: Ein perfekt integrierter Migrantensohn, intelligent, gutaussehend, sympathisch. Auch hier: So sind sie eben alle, diese neuen und offensichtlich besseren Menschen. Was für ein Glück, dass sie zu uns kommen wollen.

Dies wird dann noch gerne um das Narrativ ergänzt, die Geschichte der Menschheit sei die Geschichte von erfolgreichen Migrationen, sie allein bringen den Fortschritt. Um dies zu belegen, geht man dabei mitunter zurück bis in die Steinzeit. Wenn dann aber ein davon nicht spontan Überzeugter zaghaft das Wort Völkerwanderung in den Mund nimmt, dann sind wir alsbald wieder beim herzlosen Rassismus und Rechtspopulismus.

Es gibt fast keine Flüchtlinge im Osten, trotzdem diese unbegreiflichen Widerstände gegen unsere doch so wohlmeinende Politik. So ungefähr das erzeugte Bild. Meine persönliche Erfahrung – zugegeben, auch nur ein Ausschnitt aus der Wirklichkeit – ist eine ganz andere. Unter den Gegnern der naiven Flüchtlingspolitik gibt es eine große Anzahl von Leuten mit guter Ausbildung, viele davon Akademiker, alle in gesicherten und stabilen wirtschaftlichen Verhältnissen lebend. Viele davon machen sich eben Gedanken über das, was auf uns zukommt. Sie glauben den Politikern nicht jeden routinemäßig daher geschwafelten Satz, weil sie andere Erfahrungen mit derlei Gesülze gemacht haben. Sie erleben doch täglich, was alles nicht funktioniert: Rente – kein Konzept für die Zukunft, Pensionen – eine Ausgabenwelle rollt auf uns zu, Gesundheit – kein Konzept für die tragfähige Finanzierung, Bildung – das Geld fehlt an allen Ecken und Enden, Infrastruktur – das Schlagloch lässt grüßen, Digitalisierung – auf Augenhöhe mit Marokko, Verteidigung – die Ausrüstung der Bundeswehr brächte ein Schwellenland in Verlegenheit, … Und dann erzählen uns dieselben Politiker „Wir schaffen das!“. Wir schaffen die Integration von einer Million kulturfremden Zuwanderern, viele davon ungebildet und ohne jede realistische Integrationsperspektive, die Allermeisten von ihnen junge Männer. Noch nie in der Geschichte und rund um den Globus war dergleichen von Erfolg gekrönt. Aber wir schaffen das. Im Übrigen ist dafür Geld da, ja wir schwimmen geradezu darin. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt, nur eigenartig, dass es trotzdem so viele Arme gibt. – Nein, man muss nicht jede gegen die Vernunft gerichtete Zumutung stillschweigend akzeptieren.

Im Übrigen waren und sind die politischen Aussagen der im Bundestag vertretenden Altparteien zu dieser unabweisbar bestehenden Problematik nahezu deckungsgleich. Man könnte auch sagen: organisierte Realitätsverweigerung und systematisches Schönreden. Jedenfalls keine Opposition im Parlament und kaum kritische Stimmen in den Medien. Dann muss sich eben die Opposition außerhalb des Parlaments formieren. Das nennt man Demokratie – auch wenn die Medien sofort mit dem Vorwurf des Populismus zur Stelle waren. In den Köpfen der medial überaus aktiven Linkspopulisten, die so natürlich nicht genannt werden wollen, hat sich die Auffassung festgesetzt, Demokratie ist das, was Linke machen. Wenn Linke demonstrieren, dann ist das Ausdruck von Meinungsfreiheit. Die Andersdenkenden sind demokratiefeindliche Dumpfbacken. Selbst wenn sie demonstrieren, ist das nicht wirklich eine legitime Meinungsäußerung, sondern eben rechter Populismus: Wer die Migranten hier nicht einfach willkommen heißt, ist ausländerfeindlich, fremdenfeindlich, ein Nazi. Differenzierung ist da völlig fehl am Platze.

Natürlich gibt es die sogenannten Abgehängten, die nun mit Recht beklagen, dass der Staat über die letzten Jahrzehnte und nochmals beschleunigt in der Regierungszeit Merkels, die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert hat, der zugelassen hat, dass der Niedriglohnsektor massiv ausgebaut wurde, der es akzeptiert, dass immer mehr Kleinrentner am Rande des Existenzminimums leben … und, und, und … Zugleich bringt dieser Staat nun ohne viel Aufhebens 30 Mrd. € pro Jahr für die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen auf. Ein Menge Geld, das z.B. dafür reichen würde, 2 Mio. Kleinrentnern monatlich 200 € Rentenaufschlag zu zahlen und es bliebe noch genügend übrig, um das Einkommen von 5 Mio. Geringverdienern um 300 € pro Monat aufzubessern oder endlich die drängendsten Versäumnisse (s. o.) nachzuholen. Regierungsvertreter sagen dazu, niemand bekomme weniger, nur weil die Neumigranten da sind. Das ist natürlich völliger Quatsch. Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden! Die 30 Mrd. pro Jahr, die für die Finanzierung der Migration aufgewendet werden, fehlen an anderer Stelle oder müssen zusätzlich vom Steuerzahler aufgebracht werden. Punkt! Es geht dabei zunächst um die Kosten für die Unterbringung und Alimentierung sowie weitere Sozialkosten. Gar nicht zu reden von den mittelbaren Zusatzkosten für Sicherheit, Polizei und die von Teilen der Bevölkerung zu tragenden Kosten für steigende Mieten aufgrund erhöhter Nachfrage. Die langfristig entstehenden Integrationskosten, die von Wirtschaftswissenschaftlern auf mehr als 1000 Milliarden Euro geschätzt werden, sind da noch ganz außen vor. Nichts dazu von der Politik und von den öffentlich-rechtlichen Medien nur so viel: Alles Schwarzmalerei und Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit, wenn nicht gar Rassismus.

Und hier liegt natürlich auch generell ein Problem in der öffentlichen Auseinandersetzung mit der AfD. In den Medien gab und gibt es keine sachliche Diskussion zu diesen doch unabweisbaren Fragestellungen, weder ohne noch mit der AfD. Das einzige Sachthema, zu dem die AfD im Bundestagswahlkampf 2017 immer wieder befragt wurde, war die Rente: hier hatte sie nämlich nach eigenem Bekunden keinen abgestimmten Ansatz. Es wird kaum ein Zufall sein, dass sie wiederholt genau darauf angesprochen wurde. Die Wahrnehmung der ÖR-Medien hat sich weg von der Sache und hin auf die Form konzentriert und nur auf die Form: Das sind Populisten, Rechte, Nazis – und das kann man nicht oft genug sagen. Man darf sich mit Ihren Positionen gar nicht auseinandersetzen, das hieße ja, sie ernst zu nehmen. Faktisch war und ist es ein billiges Ablenkungsmanöver von den Inhalten. Das Menetekel der Bedrohung von rechts wird künstlich aufgeblasen, um von den tatsächlich bestehenden Problemen abzulenken, mit dem schönen Nebeneffekt, dass die AfD da immer mit drinhängt. Sie bietet ja auch reichlich Angriffsfläche bezüglich einzelner Gruppierungen und Personen.

Es scheint eine bewusste Strategie der etablierten Parteien und der Mehrheit der Medien zu sein, die Kritik an der Migrationspolitik als Fremdenfeindlichkeit, Ausländerfeindlichkeit oder gar als Rassismus missverstehen zu wollen. Mag sein, dass einige wirklich Rechte innerhalb und außerhalb der AfD da tatsächlich gar keinen Unterschied machen und alles in einen Topf werfen. Nach meiner Beobachtung ist das aber nur eine verschwindende Minderheit von Alt- und Neu-Nazis sowie anderen Ewiggestrigen. Jedenfalls ist das ist nicht die Mehrheitsposition unter den Kritikern der naiven Migrationspolitik. In Wahrheit geht es darum, genau diese Unterscheidung zu treffen: Politisch Verfolgte genießen Asyl – unabhängig von Hautfarbe, Religion und sexueller Orientierung. Punkt! Bei 99% der Migranten seit 2015 trifft diese Voraussetzung indes nicht zu, es sind eben keine politisch Verfolgten. Teilweise handelt es sich um Kriegsflüchtlinge, die überwiegende Mehrheit sind Wirtschaftsflüchtlinge, die in Europa und in Deutschland ein besseres Leben suchen. Daraus kann man ihnen selbstredend keinen Vorwurf machen. Sie versuchen nur, ein leichteres Leben auf möglich einfache Art und Weise zu erreichen. Es ist menschlich verständlich und unterm Strich legitim. Der Vorwurf richtet sich an unsere Politik und die zahllosen, ja man muss schon sagen weltfremden und die Realität ignorierenden Unterstützer von Nichtregierungsorganisationen (NGO), den Grünen, den Linken, der SPD, ja bis in große Teile der CDU und CSU hinein. Jene sind es, die ihre vermeintlich höherstehenden Moralvorstellungen quasi mit der Brechstange als Normalität und gegen die Interessen und den Willen und auf Kosten einer schweigenden Mehrheit durchdrücken wollen. Sie sind es, die jeden, der in dieser Sache anderer Meinung ist als Rassisten und Ausländerfeind abstempeln – und man muss unterstellen: wider besseres Wissen.

Ist jemand Rassist, der es lieber sähe, wenn 30 Milliarden Euro pro Jahr in die Bildung oder zur Unterstützung sozial bedürftiger Kleinrentner eingesetzt werden würde, statt die gleiche Summe in die Finanzierung kulturfremder Familienstrukturen zu stecken oder für gesunde junge Männer ohne jede Qualifikation und positive Perspektive für den Arbeitsmarkt auszugeben? Das hat absolut nichts mit Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit zu tun, es ist schlicht Notwendigkeit zur langfristigen Stabilisierung unseres immer noch funktionierenden Gemeinwesens. Die Verantwortung der Regierung erstreckt sich zuallererst auf die in Deutschland lebende Bevölkerung, genauer, insbesondere auf die Deutschen und Europäer. Auf dem Architrav über dem Westportal des Reichstags steht gar: „Dem Deutschen Volke“. Darauf hat sie einen Eid geleistet. So steht es auch im Grundgesetz. Es ist geradezu anmaßend, die Verantwortung Deutschlands auf Menschen anderer Nationen ausdehnen zu wollen, jedenfalls insofern, als dies nicht durch das Grundgesetz vorgegeben ist – und da gibt es im Wesentlichen nur den Asyl-Paragraphen 16. Die Aufnahme von Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen (Klimaflüchtlinge gibt es nicht, sie sind eine Erfindung der Grünen) geschieht im Rahmen völkerrechtlicher Verträge ohne Verfassungsrang. Grundsätzlich werden solche Menschen aus humanitären Gründen und nur befristet aufgenommen. Es ist widersinnig, daraus einen Integrationsanspruch oder gar eine Integrationsverpflichtung ableiten zu wollen. Wer umgekehrt die Einwanderung von qualifizierten, integrationswilligen und hier benötigten Fachkräften aus Gründen von Hautfarbe oder Religion ablehnt, den darf man mit Recht als Rassisten bezeichnen. Die Migrationsfrage in Deutschland ist indessen weit weg von dieser vernünftigen und pragmatischen Zielvorstellung zum Wohle der Gesellschaft.

Die übergroße Mehrheit der Migranten ist nicht ausreichend für eine Erwerbstätigkeit in Deutschland qualifiziert. Die Zuwanderer sind eben größtenteils keine Fachkräfte, wie Politiker und Medien der Öffentlichkeit lange weismachen wollten. Sie sind überwiegend eher schlecht gebildet und bringen das Denken eines rückständigen Kulturkreises mit. Die meisten dieser Menschen sind daher keine Bereicherung, es ist vielmehr zu erwarten, dass viele von ihnen dauerhaft dem Sozialstaat auf der Tasche liegen werden und keinen positiven Beitrag zur Entwicklung dieses Landen leisten werden. Vor vier Jahren noch hätte man diese Position als einseitig pessimistische Einschätzung beiseite wischen können. Heute muss man leider konstatieren: Es ist bittere Realität!

Nur ein Beispiel dazu: Mehr als 1 Million Flüchtlinge sind seit 2015 ins Land gekommen, da könnte man doch meinen, dass, ja sagen wir wenigstens 10% davon, den Mangelberuf des Altenpflegers mit den besten Integrationsaussichten ergreifen wollen. Sowohl physisch wie mental sollte das für eine solche Auswahl machbar sein. Dann hätten wir also 100.000 bestens ausgebildete zusätzliche Altenpfleger und die ärgste Not im Pflegebetrieb wäre gemildert. – Offenbar funktioniert das nicht. Stattdessen reist der Bundesgesundheitsminister nach Ungarn, Albanien, Mexiko und Vietnam, um potentielle Pflegekräfte zu akquirieren. Dort wird er nun fündig, während bei uns im Lande Hunderttausende Migranten weiter großzügige Sozialhilfe beziehen und Zehntausende davon – darunter solche, die man abschieben möchte, die sich aber nicht abschieben lassen und die am Ende auch nicht abgeschoben werden, höchstens die gut Integrierten – in die Illegalität gehen.

Besonders fatal: Durch die vorherrschenden archaischen Familienstrukturen löst sich dieses tiefsitzende Integrationsproblem eben nicht spätestens in der nächsten Generation in Wohlgefallen auf. Die Erfahrungen mit bereits länger hier lebenden Migranten und die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, dass die Integration in die freiheitliche, pluralistische Gesellschaft auch noch in der zweiten und dritten Generation an den rückwärtsgewandten, oftmals religiös fundierten Denkstrukturen scheitert. Natürlich gibt es auch die positiven Beispiele, die Blauäugige dazu verleiten, sich die Welt insgesamt schönzureden. Bekanntlich macht aber eine Schwalbe noch keinen Sommer.

Zurück zur AfD: Im Effekt werden die AfD und ihre potentiellen Wähler diskreditiert, diffamiert und in die rechte Ecke gestellt. Vielleicht – oder vielmehr wahrscheinlich – mit dem Ziel, die Menschen von der AfD fernzuhalten. Funktioniert hat das allerdings nicht und es konnte auch nicht funktionieren, weil die Leute das Spiel durchschaut haben. Insbesondere gilt dies für die Menschen im Osten, die Demokratie noch als das verstehen, was sie eigentlich ist: <Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus>, so der Wortlaut im Artikel 20 des Grundgesetzes. Hätte man ihnen vielleicht sagen sollen, so sei das nicht gemeint? – Damit verbunden ist die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG. Wer anderer Meinung ist, ist noch lange kein Feind der Demokratie, er sei denn, er will die Demokratie in der jetzigen Form abschaffen. Das kann man allenfalls von einigen wenigen Radikalen am Rande der AfD behaupten, es gilt in nahezu gleicher Weise aber auch für Teile der Linken und die klimaradikalen Strömungen innerhalb der Grünen. Niemand ist auch gleich fremdenfeindlich oder gar Rassist, nur weil er die Alimentierung von Hundertausenden kulturfremden und schwer integrierbaren perspektivlosen Migranten zu Lasten der Sozialkassen und auf dem Rücken des Steuer- und Beitragszahlers für nicht hinnehmbar hält. Vor allem angesichts der Tatsache, dass der steuerzahlende deutsche Staatsbürger mit einer geradezu absurden Steuer- und Abgabequote von mehr als 50% belastet wird, die er selbst hart erarbeiten muss.

Natürlich kann man sich die Frage stellen, ob die AfD eine demokratische Partei ist? – Die Antwort darauf ist einfach, sie lautet ja, und zwar so lange, bis ein Gericht befindet, sie sei es nicht. So ist das in einem Rechtsstaat. Gleichfalls muss man konstatieren, auch die Linke ist eine demokratische Partei, und zwar aus denselben Gründen. Die Gegenposition steht in beiden Fällen auf tönernen Füßen, sie ist im Übrigen auch absolut unglaubwürdig, insofern sie von Leuten vorgetragen wird, die ansonsten und völlig berechtigt den Rechtsstaat hochhalten. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Diskussion über die „undemokratische“ AfD (bzw. die Linke) unredlich und tendenziös. Es ist letztlich Ausdruck einer ausgeprägten Unfähigkeit nahezu aller Parteien und der öffentlich-rechtlichen Medien, sich mit den politischen Positionen der AfD ernsthaft auseinanderzusetzen und tragfähige Gegenentwürfe zu erarbeiten. Man muss nur die Vernunft in den Vordergrund stellen, dann ist das ganz einfach und dann kann man auch miteinander reden. Extrem schwierig wird es allerdings, wenn man sich nicht vom Verstand, sondern von romantischen Moralvorstellungen leiten lässt. Damit betreibt man das Geschäft derer, die den Staat gerade nicht tragen, die ihn nicht finanzieren, die ihn vielmehr nicht selten auf anderen Feldern bekämpfen, wie z.B. einige durchaus fragwürdige NGOs und andere Exponenten der sogenannten Zivilgesellschaft (in Wahrheit nicht selten staatlich alimentierte linke Aktionsbündnisse, im besten Falle ohne gewaltbereite Ableger).

Vielleicht ist genau dies das Kardinalproblem der deutschen Politik und Gesellschaft: Die völlig falsche Gewichtung von Rationalität und Pragmatismus gegenüber einem weltfremden Wunschdenken im Spannungsfeld mit den real bestehenden Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten. Leider muss man konstatieren, es ist kein wirklich neues Problem. Deutsche Politik nach Bismarck hatte nahezu immer einen Hang zur Irrationalität, zur Romantik, zum Idealismus. Das führte erst zur romantischen Verklärung deutscher Geschichte, später zur moralischen Überhöhung („Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“) und in der Folge zur entsetzlichen Barbarei unter den Nazis. Ähnliches muss man konstatieren betreffend linken Denkens und linker Politik im DDR Unrechtsstaat.

Vorgeblich alternativlose deutsche Politik, wie wir sie unter Merkel seit fast 15 Jahren erleben, das ist zu viel an Romantik, zu wenig an Ratio. Es führt, wie wir spätestens seit 2011 (Atomausstieg) und verschärft seit 2015 (Flüchtlingskrise) sehen, zu deutschen Sonderwegen, zu Alleingängen und damit in die Irre. Zum Schaden für Europa, zum Schaden aber auch für Deutschland selbst. Nachzulesen unter der Rubrik „Geschichte des 20. Jahrhunderts“. An dieser Stelle sei der US-amerikanische Philosoph George Santayana (1863-1952) zitiert: „Wer aus der Geschichte nichts lernt, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen“. Genau dies tun wir heute: wir machen nicht dieselben Fehler, wir variieren sie immerhin. Keine Kriegsrhetorik, kein Überfall auf die Nachbarländer, aber derselbe romantische Impuls der eigenen Überhöhung: nun im Gewand eines moralischen Imperialismus. – Normal können wir offenbar nicht, es muss immer etwas Extremes sein. Die wohlverstandene und im Einzelfall gewiss nötige humanistische Verpflichtung pervertieren wir unter jeglicher Ausblendung der langfristigen Konsequenzen für unser Land zum kategorischen Imperativ für all unser Handeln und Beispiel für die ganze Welt. Das ist es, was Roger Klöppel von der Zürcher Weltwochemoralischen Imperialismus“ nennt.

Romantik ist vor allem ein deutsches Phänomen. Nirgendwo sonst hat sie einen derart prominenten Platz in der Geistesgeschichte. Deutschland ist die Heimat der Romantik, hat sie erfunden und im Geiste des Idealismus absolut gesetzt. Merkels Alternativlosigkeit spiegelt beides wider: romantische Verklärung und idealistische Weltsicht. Die reale Welt bietet immer Alternativen, die (vermeintlich) ideale kennt nur eine Lösung. In Frankreich und England, wo die Ratio schon immer eine größere Rolle spielte, weiß man zu trennen zwischen politischer Vernunft und romantischem Wunschdenken. In anderen Ländern Europas gilt dies in ähnlicher Weise. Deswegen mündet dort der romantische Helferimpuls nicht vorschnell in irrationale politische Entscheidungen. Die Orientierung an Haltung und Werten, am Humanismus, muss zweifellos eine beständige Grundkonstante europäischer und deutscher Politik bleiben, immer aber muss die Vernunft an die erste Stelle gesetzt werden. Genau das vermisst man in Deutschland.

Hände weg vom Bargeld!

Die Bundesregierung denkt über eine Begrenzung von Bargeldtransfers nach, die Rede ist von einer Höchstsumme von 5000 €. Sie steht damit nicht allein. In vielen Ländern Europas gelten schon heute Höchstgrenzen, z.T. sogar deutlich niedrigere, in Frankreich sind es z.B. 1000 €. Grundsätzlich könnte man da sagen, okay, es kommt ja eigentlich eher selten vor, dass man Beträge über 1000 € in bar bezahlt. Indessen muss man befürchten, dass mit einer solchen Obergrenze der Weg in ein Bargeldverbot vorbereitet werden soll. Jedenfalls denken namhafte Banker und auch der Präsident der EZB mehr oder weniger laut darüber nach.

Aus Sicht der Banken, der EZB und des Staates ist das auch verständlich. Bargeld ist eigentlich eher ineffizient: Tausende Geldautomaten müssen installiert, überwacht, gewartet und regelmäßig mit Scheinen beschickt werden. Die Herstellung der Banknoten mit ihren Sicherheitsmerkmalen ist ebenfalls extrem aufwendig. Neue Scheine müssen in den Verkehr gebracht und alte eingezogen werden. Die Einnahmen von Kaufhäusern und Supermärkten müssen mittels aufwendiger Sicherheitstransporte zur Bank gebracht werden. Trotz aller Sicherheitsmerkmale wird Falschgeld hergestellt und kursiert in Höhe von zig Millionen Euro.

Zu den Fakten: Gegenwärtig werden noch etwa 3 von 4 Zahlungsvorgängen in bar abgewickelt, der Anteil wird aber Zuge von eCommerce (Stichwort: Einkaufen im Internet) weiter sinken. Für 2020 wird ein Anteil von nur noch etwa 60% erwartet. Weil vorwiegend kleinere Beträge in bar beglichen werden, ist der wertmäßige Anteil am gesamten Geldtransfer nur bei ca. einem Drittel. Zwei Drittel der insgesamt bewegten Geldsumme wird also schon heute bargeldlos transferiert, das allermeiste davon mit einem Anteil von ungefähr 80% durch Überweisungen.

Demnach ist ein zukünftig drohendes Bargeldverbot, sagen wir in 2030, doch eigentlich gar kein Aufreger. Oder doch?

Die Abschaffung des Bargelds ist der sichere Weg in die totale Überwachung: Durch den Staat und durch Firmen. Jede Transaktion geht übers Netz und kann prinzipiell abgefischt werden. Konsumgewohnheiten werden ausgespäht, detaillierte Bewegungsprofile werden erstellt. Am Ende des Monats kommt dann der Brief, pardon, die Mail vom Finanzamt mit dem Link auf die Tankrechnung, die belegt, dass man diesen Monat gar nicht 2000 berufliche Kilometer gefahren sein kann und deswegen anteilig x Euro vom Steuerabzugsbetrag sofort zurück überwiesen werden müssen, was rede ich, sie werden eingezogen. Von A***** erfahren wir, dass wir in den letzten 4 Wochen nicht unser gesamtes Einkommen ausgegeben haben und folglich noch y Euro für das Superschnäppchen verfügbar sind, was vorsorglich gleich für uns reserviert wurde und eigentlich schon auf dem Wege ist – es stand ja auch auf dem Wunschzettel. Im Übrigen, wer sein monatliches Einkommen nicht in den Konsum steckt, darf schon mal Strafzinsen zahlen, wegen wirtschaftsschädlichen Verhaltens. Wenn man so will, eine Steuer für Konsumverweigerer.

Im Gegenzug bekommen wir Bürger scheinbar Bequemlichkeit, tatsächlich aber mehr Unsicherheit, denn absolut sichere Transfers gibt es nicht und kann es nicht geben. Terroristen tangiert das nicht, uns Bürgern sollte es aber nicht egal sein.

Diese Bevormundung dürfen wir nicht akzeptieren! Und an dieser Stelle gilt: Wehret den Anfängen! Die Bargeldhöchstgrenze ist bereits ein solcher Anfang.

Natürlich sind bargeldlose Zahlungen oftmals von Vorteil. Und technisch möglich wäre der Verzicht auf Bargeld zweifellos. Im Prinzip könnte der Personalausweis einen Chip mit einer entsprechenden Bezahlfunktion à la Geldkarte enthalten. Aber: Fortschritt ist nicht, jeden Quatsch zu machen oder nachzuahmen, der technisch möglich ist, vor allem dann nicht, wenn die resultierenden Nachteile bei näherer Betrachtung schwerer wiegen, als die scheinbaren Vorteile. Die Technik ist Diener des Menschen, nicht umgekehrt. Wenn wir aber so weiter machen, wie bisher, dann wird es bald andersherum sein. Technokraten ohne Vision reden dann gerne von Sachzwängen und Notwendigkeiten.

Konkretes Beispiel: Die Einführung des SEPA-Verfahrens mit einer mehr als 20-stelligen IBAN anstelle von Kontonummer und BLZ – ein technokratischer Unsinn par excellence. Der Nonsens liegt nicht darin, länderübergreifend ein einheitliches Verfahren einzuführen. 100% d’accord, dagegen ist nichts zu sagen! Es ist aber albern und widervernünftig, diese eigentlich nur rein technisch relevante Fragestellung innerhalb der Datenverarbeitung, nämlich die Übersetzung von BLZ und Kontonummer in ein international einheitliches Datenformat, dem Kunden aufzubürden.

Das IBAN-Format ist optimal getrimmt auf Maschinenlesbarkeit. Es ist schon aufgrund der Länge nicht für menschliche Augen gemacht, ein absolut ungeeignetes „Nutzerinterface“ für den Kunden, durch den Checksummencode nur unzureichend kaschiert.

Die sinnvolle Lösung im Dienste der Menschen, statt der Banken, wäre folgende gewesen: Wir haben einen Ländercode, einen Bankencode (BLZ), eine Kontonummer. Diese drei Daten kennt der Kunde und es gibt dafür im schlimmsten Falle länderspezifische „Benutzerschnittstellen“. Im Bankcomputer werden diese Daten in das einheitliche SEPA/IBAN-Format übersetzt und auf dieser Basis transferiert. Beim Empfänger läuft das umgekehrt – und die ganze Umstellung auf SEPA ist für den Kunden mehr oder weniger transparent (also irrelevant) und bleibt das, was es im Kern ist: Ein technisches Problem der Datenformatierung und -übertragung.

Es ist paradox: Computer werden immer leistungsfähiger – und wir werden gezwungen, uns mit dem Verweis auf internationale Einheitlichkeit an technische Datenverarbeitungsabläufe anzupassen, statt umgekehrt.

Und nun sollen wir bei jedem Einkauf die Karte zücken, damit wir besser überwacht werden können, damit jederzeit kontrolliert werden kann, wer wo über wieviel Mittel verfügt, im Inland, im Ausland, auf dem Mond. Geld auf dem Konto? Strafzinsen und kein Ausweg. Vordergründig geht es nicht um Überwachung, sondern um hehre Ziele wie Bekämpfung der Schwarzarbeit, der Mafia und des Terrorismus. Dabei wird man wohl die Naturalwirtschaft gleich mit verbieten müssen. Glaubt denn ernstlich jemand, so ließen sich Gesetzesbecher und Terroristen bekämpfen? Nein, natürlich nicht, das wissen auch die Verfechter des Bargeldverbots. Deswegen reden sie auch gerne von der viel höheren Effizienz des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.

Dabei ist das Effizienzargument ebenso absurd. Es ist eine Mär, zu glauben, dass in der Wirtschaft nur die Verfahrensweisen Erfolg haben und durchgeführt werden, die unterm Strich effizient sind. Völliger Unsinn: Es wird das gemacht, womit man Geld verdienen kann! Alles andere ist irrelevant, es sein denn, es wird von außen (Politik, Gesellschaft) vorgegeben.

Mit dem gleichen Argument könnte man die Abschaffung des Flugverkehrs verlangen: ineffizient, teuer, klimaschädlich – und im Übrigen kann man die meisten Besprechungen via Web viel effektiver und vor allem kostengünstiger gestalten.

Ja gewiss, Außerirdische können sich beim Besuch auf der Erde bestimmt gar nicht genug wundern über unsere Rückständigkeit: Für den Kauf eines Smartphones, das es uns ermöglicht mit der ganzen Welt zu kommunizieren, müssen wir dem Verkäufer bunt bedruckte Scheine überreichen. Und diese Scheine sehen in jedem dieser rückständigen Erdenländer anders aus und werden noch nicht einmal überall akzeptiert. Eigentlich gar nicht weit weg von billigen Glasperlen, mit denen frühere Eroberer Eingeborene geködert haben. Keine Frage, diesen Anschein kann man bei oberflächlicher Betrachtung gewinnen.

Schauen wir uns doch einmal auf dem Heimatplaneten der genannten, total auf Effizienz getrimmten Außerirdischen um und machen uns ein Bild, welche „bizarren“ Verhaltensweisen und Regelungen sich dort etabliert haben: Da gibt es z.B. keinen Individualverkehr, ganz einfach, weil der ineffizient ist. Es werden ausschließlich erneuerbare Energien genutzt, weil das nachhaltig ist. Und auch so was: Jeder Mann hat nur zwei Paar Schuhe, zwei Anzüge und 5 Hemden. Etwas großzügiger bei den Frauen: Drei Paar Schuhe, zwei Kostüme, zwei Röcke, 4 Blusen, aber alles einheitlich in nur zwei Farben, grau-weiß und grau-schwarz. Das Effizienzministerium hat nämlich herausgefunden, dass das vollkommen ausreicht und so etwas wie Mode rational gesehen einfach keinen Sinn macht und sowieso nur von den inneren Werten ablenkt.

Das Beste zuletzt: Banken gibt es auch keine – konsequenterweise – vermutlich aus Effizienzgründen – hat man nicht nur das Bargeld abgeschafft, sondern überhaupt alle Zahlungsmittel. Fortschrittlicherweise nennt man das aber nicht Naturalwirtschaft, sondern „zahlungsmittelfreier Zahlungsverkehr“ oder kurz CFPT (von currency free payment transactions). Wenn einer etwas braucht, stellt er einfach einen Antrag beim „Der-Staat-weiß-es-besser-Ministerium“. Dort arbeiten jetzt die ehemaligen Banker – für jeden Antrag, den sie ablehnen, bekommen sie einen Bonuspunkt gutgeschrieben. Da fragt man sich, was für einen Bonus, wo es doch gar kein Geld mehr gibt? – Ach ja, sie dürfen auf die Erde reisen und dort mit kleinen bunten Scheinen bezahlen. Wie man hört, sind nicht wenige von ihnen ohne familiäre Bindungen nach solchen Ausflügen gleich auf der Erde geblieben. Die linientreuen CFPT-Ex-Banker dagegen verrichten weiterhin brav ihren tristen Dienst als depressive Regierungsbeamte im DSWEB-Ministerium und freuen sich auf ihren nächsten Erdentrip.

Zurück zur Erde: Bürgerrechte und Freiheit sind nicht zum Nulltarif zu haben! Bei der Abwägung zwischen vermeintlich ineffizienten aber frei gestaltbaren Bargeldtransfers auf der einen Seite und totaler Überwachung und Gängelung auf der anderen, kann ein an seiner Freiheit interessierter Bürger kaum für das Letztere plädieren.

Die Abschaffung des Bargelds wäre der erste Schritt in Richtung einer rein digitalen Währung mit allen daraus resultierenden Konsequenzen, komplexitätsbedingte Crashs des gesamten Finanzsystems nicht ausgeschlossen. Die Finanzkrise aus dem Jahre 2007 ist da nur ein harmloser Abklatsch und lässt die Dimension eines solchen möglichen Zusammenbruchs kaum erahnen. Wahrscheinlich wird man dafür ein neues Wort prägen müssen: Digitale Finanzkatastrophe. An die Zeiten ineffizienter Bargeldtransfers wird man dann sehnsüchtig zurückdenken.