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Energiewende, Stromproduktion und CO2-Emission

Teil 1 der Reihe „Energiewende und Wärmepumpe“

Der deutsche Strommix

Die Belastung der Stromproduktion mit CO2-Emissionen ist in Deutschland relativ hoch, weil noch ein erheblicher Teil der Stromerzeugung mittels fossiler Energieträger erfolgt. Es wird erläutert, wie der durchschnittliche CO2-Ausstoß pro kWh im Strommix zustande kommt. Ferner werden die Chancen und Risiken bezüglich des Ausbaus der Erneuerbaren – insbesondere von Windkraft und Solarstrom – diskutiert. Im Hinblick auf die Sicherstellung der Stromversorgung fragen wir exemplarisch nach der nötigen Speicherkapazität in Zeiten geringer Wind- und Solarstromerträge. Dabei beleuchten wir auch die mögliche Rolle von Elektroautos.

Stromproduktion nach Energieträgern

Betrachten wir zunächst einmal den deutschen Strommix.

© Hieronymus Fischer

Abbildung 1-1: Stromverbrauch nach Energieträgern 2021

© Hieronymus Fischer

Abbildung 1-2: Stromverbrauch nach Energieträgern 2022

Man kann den vorstehenden Abbildungen unschwer entnehmen, dass Kohle, Erdgas und Kernenergie mit über 50 % Anteil das Rückgrat der deutschen Stromproduktion bilden. Zwar liefern PV-Anlagen und Windkraft zusammen auch mehr als ein Drittel (35 % entsprechend 177 TWh), doch ist dieser Anteil aus den bekannten Gründen nur schwer planbar. Immerhin steigt die effektive Solar- und Windstromproduktion von Jahr zu Jahr. Noch 2010 waren es zusammen nur 50 TWh. Heute sind es also dreieinhalb Mal soviel.

Trotz des in 2022 um mehr als 10 TWh höheren Windstromertrags und der zugleich um 9 TWh größeren Ausbeute beim Solarstrom, stieg im Vergleich zu 2021 dennoch die Kohleverstromung um 13 TWh. Dabei war der Gesamtverbrauch sogar um etwa 10 TWh gesunken. Der Grund für das Plus bei der Kohle liegt in der Abschaltung von 3 Kern­kraft­werken im Dezember 2021 und der daraus folgenden um 33 TWh geringeren Produktion von Atomstrom.

Aufgrund des hohen Anteil an Kohle ist zu erwarten, dass der CO2-Ausstoß nicht gerade klein ausfällt. Das beleuchten wir im folgenden Abschnitt.

CO2-Emissionen im deutschen Strommix

© Hieronymus Fischer

Abbildung 1-3: CO2-Emissionen des Stromverbrauchs nach Energieträgern 2021

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Abbildung 1-4: CO2-Emissionen des Stromverbrauchs nach Energieträgern 2022

Wie man sieht, kommen die CO2-Emissionen überwiegend (75 %) aus der Kohleverstromung. Erdgas trägt nur knapp 14 % dazu bei. Die anderen Anteile kann man auf den ersten Blick demgegenüber vernachlässigen. Es ist dennoch aufschlussreich, genauer zu beleuchten, wie die diversen Energieträger (wobei wir auch die Erneuerbaren der Einfachheit halber als solche bezeichnen wollen) zu den Emissionen beitragen.

Beim Vergleich der beiden Jahre fällt auf, dass die Emissionen aus der Kohle in 2022 gegenüber 2021 um 12,4 Mio. t höher ausgefallen sind. Dies ist auf die bereits oben erwähnte höhere Kohleverstromung aufgrund der gezielten AKW-Abschaltung Ende 2021 zurückzuführen.

Verlauf der CO2-Emissionen im Verlauf der letzten 30 Jahre

Abbildung 1-5: Verlauf der CO2-Emission im deutschen Strommix (1990 – 2021). Die CO2-Emissionen gehen seit 1990 mit gelegentlichen Seitwärtsbewegungen zurück. Die Delle in 2020 ist eine Folge der Corona-Pandemie. In 2022 sind die Emissionen aufgrund der Abschaltung von 3 Atomkraftwerken und der Ersatzverstromung von Kohle gegenüber 2021 abermals gestiegen. Quelle: Umweltbundesamt (März 2022).

Spezifische CO2-Emissionen der Energieträger

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Abbildung 1-6: Spezifische CO2-Emissionen verschiedener Energieträger bei der Stromproduktion und durchschnittliche Emissionen im Strommix (2022). Quelle: Umweltbundesamt (Strommix Deutschland); eigene Berechnung (Strommix Deutschland im Heizlastprofil).

Neben den spezifischen CO2-Emissionen pro kWh sind im Diagramm auch zwei Mittelwerte für die CO2-Belastung von 420 und 480 g pro kWh im Strommix angegeben. Der erste Wert ergibt sich, wenn man die Gesamtemissionen an CO2 (s. Abb. 1-3 und 1-4) durch den Wert für die Gesamtstromproduktion (s. Abb. 1-1 und 1-2) teilt. Beim zweiten Wert ist es etwas schwieriger. Hier wird auch der zeitliche Verlauf der Stromproduktion und der Anteil der Energieträger mit berücksichtigt und daraus das gewichtete Mittel nach Maßgabe eines vorgegebenen Lastprofils gebildet. Da Heizstrom vor allem in der kalten Jahreszeit benötigt wird, dabei aber kaum Solarstrom und oft auch nur wenig Windstrom produziert wird (und folglich der Anteil der konventionellen Energieträger, also vornehmlich Kohle, steigt), ergibt sich im Heizlastprofil ein etwas höherer Durchschnittswert für die CO2-Emissionen pro kWh.

CO2-Emissionen im Jahresverlauf der Stromproduktion

Der Beitrag der Erneuerbaren zum Strommix ist bekanntermaßen variabel. Im Sommer ist der Anteil der Photovoltaik hoch, im Winter gibt es dagegen kaum Solarstrom. Beim Wind ist es ähnlich: Es gibt Zeiten mit einer sehr hohen Produktion von Windstrom, zu anderen Zeiten ist der Beitrag aber nur sehr gering. Das hat unmittelbar Einfluss auf die entsprechenden CO2-Emissionen. In den beiden folgenden Grafiken ist das exemplarisch für den Jahresverlauf 2021 und 2022 dargestellt.

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Abbildung 1-7: Stromproduktion und Stromverbrauch im Jahresverlauf 2021. Zur Farbcodierung: Solarstrom ist gelb, Windstrom ist blau, konventionelle Energieträger sind in dunkelgrauer Farbe dargestellt. Der violette Kurvenverlauf (ohne Füllung) zeigt die CO2-Emissionen in Gramm pro kWh. Einige Maxima (rot) und Minima (weiß) sind exemplarisch hervorgehoben und mit den entsprechenden Zahlenwerten versehen. Im Durchschnitt stellt sich ein Wert von 390 g pro kWh ein. Quelle und Rohdaten: Agora Energiewende, Stand 29.03.2023.

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Abbildung 1-8: Stromproduktion und Stromverbrauch im Jahresverlauf 2022. Zur Farbcodierung: Solarstrom ist gelb, Windstrom ist blau, konventionelle Energieträger sind in dunkelgrauer Farbe dargestellt. Der violette Kurvenverlauf (ohne Füllung) zeigt die CO2-Emissionen in Gramm pro kWh. Einige Maxima (rot) und Minima (weiß) sind exemplarisch hervorgehoben und mit den entsprechenden Zahlenwerten versehen. Im Durchschnitt stellt sich der bereits oben genannte Wert von 420 g pro kWh ein. Quelle und Rohdaten: Agora Energiewende, Stand 29.03.2023.

Können Wind- und Solarstrom die Energieversorgung sicherstellen?

Wie wir gesehen haben, werden über Wind und Sonne maximal etwa 30 – 40 Prozent der benötigten Strommenge abgedeckt. Auf den ersten Blick könnte man daher vermuten, dass ein Ausbau dieser beiden Erneuerbaren um den Faktor zwei bis drei alle unsere Energieprobleme lösen würden. Tatsächlich kann man solche Aussagen im Netz finden und auch nicht wenige Politiker sind dieser Auffassung.

So wurde im Koalitionsvertrag der Ampel festgelegt, dass die Erneuerbaren bis 2030 auf eine Produktionskapazität von 80 % des Jahresstrombedarfs ausgebaut werden sollen. Dabei wurde auch gesagt, man sei damit sehr nahe an der Vollversorgung mit Erneuerbaren. Das ist natürlich Unsinn. Auch ein Ausbau auf 150 % oder gar 200 % würde keineswegs ohne Weiteres zu einer echten Autarkie führen. Das liegt daran, weil die summarische Betrachtung – also die Energiebilanz übers ganze Jahr – keine Aussage darüber macht, ob zu allen Zeiten Stromproduktion und Stromverbrauch im Gleichgewicht waren. Genau das ist aber – abgesehen von Speichermöglichkeiten – jederzeit nötig.

Zeitweise Defizite in der Wind- und Solarstromproduktion

Wenn im Oktober aufgrund von viel Wind und Sonne 15 Milliarden Kilowattstunden (= 15 TWh) mehr Wind- und Solarstrom produziert werden als benötigt, dann hilft das eben im November, ohne Sonne und ohne Wind und einer daraus resultierenden Deckungslücke von 10 TWh, nicht weiter. Letztlich muss in diesem Fall die unabweisbare Stromlücke konventionell geschlossen werden. In der Bilanzierung für Oktober und November würde dennoch ein Plus von 5 Milliarden Kilowattstunden (= 5 TWh) ausgewiesen werden, was beim nicht sachkundigen Beobachter leicht den Eindruck erwecken könnte, Windkraft und Solarstrom seien ausreichend vorhanden gewesen. Das ist ein Trugschluss, dem nichtsdestotrotz immer noch viele aufsitzen. Tatsächlich fehlten eben 10 TWh, und das war auch die Strom-Versorgungslücke.

Grobanalyse zu Windflauten 2021

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Abbildung 1-9: Stromproduktion und Stromverbrauch im Jahresverlauf 2021 mit exemplarisch markierten Wind- und Solarstromdefiziten. Zur Farbcodierung: Solarstrom ist gelb, Windstrom ist blau, konventionelle Energieträger sind in dunkelgrauer Farbe dargestellt. Die größten Wind- und Solarstromlücken sind mit weißen Pfeilen gekennzeichnet. Dazu ist jeweils die Größe der Lücke angegeben. Vornehmlich im Spätherbst und Winter können die Defizite 40 bis 60 GW betragen. Zu diesen Zeiten werden teilweise nur 10 GW Leistung oder etwa 15 % des Bedarfs über Erneuerbare beigesteuert. Auch im Sommer treten mitunter große Produktionslücken mit bis zu 45 GW auf. Quelle und Rohdaten: Agora Energiewende, Stand 29.03.2023.

Grobanalyse zu Windflauten 2022

© Hieronymus Fischer

Abbildung 1-10: Stromproduktion und Stromverbrauch im Jahresverlauf 2022 mit exemplarisch markierten Wind- und Solarstromdefiziten. Zur Farbcodierung: Solarstrom ist gelb, Windstrom ist blau, konventionelle Energieträger sind in dunkelgrauer Farbe dargestellt. Die größten Wind- und Solarstromlücken sind mit weißen Pfeilen gekennzeichnet. Dazu ist jeweils die Größe der Lücke angegeben. Vornehmlich im Spätherbst und Winter können die Defizite 40 bis 60 GW betragen. Aber sogar im Sommer sind Leistungsfehlbeträge von 30 – 40 GW trotz hoher solarer Anteile keine Seltenheit (dabei war 2022 bezüglich der Solarstromerzeugung ein besonders gutes Jahr). Im Spätherbst und Winter werden teilweise nur 10 GW Leistung oder etwa 15 % des Bedarfs über Erneuerbare gedeckt. Quelle und Rohdaten: Agora Energiewende, Stand 29.03.2023.

Wie gravierend sind denn die potentiellen Stromlücken?

Zur richtigen Einordnung der angegebenen Stromlücken ist Folgendes zu sagen: Für eine Leistung von 10 GW benötigt man mindestens 2.000 Windräder der 5-Megawatt-Klasse (also Groß-Windkraftanlagen). Das gilt aber nur dann, wenn der Wind tatsächlich mit der Nennwindgeschwindigkeit bläst (meist 10 m/s). Bezogen auf die mittlere Leistungsabgabe benötigt man ein Vielfaches davon, nämlich etwa 9.000 solche Groß-Windräder (an Land), da der Effizienzfaktor (manchmal auch Leistungsausbeute oder Leistungsfaktor genannt) im Mittel nur bei etwa 22 % liegt. Im Falle der vorliegenden Lücken würde begreiflicherweise auch das wenig nützen, weil die geringen Erträge ja gerade aufgrund des sehr schwachen Windes entstehen.

Die Eingangsfrage, ob Wind- und Solarstrom die Energieversorgung sicherstellen können, kann man vorläufig so beantworten: Im Prinzip ja, aber nur dann, wenn das Wetter mitspielt.

Ein Extrembeispiel zum Windkraftdefizit

Um die Problematik an einem konkreten Beispiel festzumachen, betrachten wir den zweiten vertikalen Pfeil von rechts in Abb. 1-10. Die tatsächliche Windstromleistung (Onshore und Offshore) liegt in diesem Falle bei etwa 4 GW, der Leistungsbedarf ist aber 68 GW. Abzüglich anderer erneuerbarer Anteile entsteht so eine Lücke von 54 – 60 GW. Wollte man sie allein mit Windstrom schließen, so bräuchte man dafür offensichtlich mindestens die 13-fache Windstromkapazität (54/4 =13,5). Anstelle der heute (Ende 2022) installierten Windkraftleistung von ca. 65 GW müssten wir also über mehr als 800 GW verfügen.

Das wären 160.000 Windräder der 5-Megawatt-Klasse. Nur nebenbei bemerkt: Den Platzbedarf dafür können wir bei einem Abstand von 500 m (also 4 Windräder pro Quadratkilometer) auf 40.000 Quadratkilometer taxieren. Stellt man sie deutlich enger zusammen, sagen wir in einem Abstand von 333 m (also 9 Windräder pro Quadratkilometer; allerdings wird das die Leistungsabgabe substanziell beeinträchtigen), dann reichen 18.000 Quadratkilometer, was am Ende auf ca. 5 % der Landesfläche Deutschlands hinauslaufen würde: Das entspricht etwa der Größe von Sachsen oder den aufsummierten Flächen von Bremen, Hamburg, Berlin und Schleswig-Holstein zusammen. Im Mittel ist diese Vergleichsfläche in Deutschland von über 4 Millionen Menschen bewohnt.

Ist Solarstrom die Rettung?

Nach dem vorstehenden Rechenexempel sollte klar geworden sein, dass man fehlenden Windstrom nicht ohne Weiteres durch den beliebigen Ausbau der Windkraft kompensieren kann.

Die völlig analoge Aussage gilt selbstredend für Solarstrom. Diesbezüglich ist das natürlich unmittelbar einleuchtend, weil jeder weiß, dass nachts die Sonne nicht scheint und sich die Sonne im Herbst und Winter oft auch tagsüber rar macht. Hinsichtlich der Solarerträge können wir uns daher das Rechenbeispiel fast schenken. Nur so viel: In diesem Falle sind die Verhältnisse noch viel dramatischer und damit völlig aussichtslos. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die gesamte im Mittel auf Deutschland einstrahlende solare Leistung ein Vielfaches unseres Strombedarfs abdecken würde. Die Rechnung geht so: mittlere solare Globalstrahlung in Deutschland ≈ 134 W/qm, Fläche ≈ 357.000 km^2, gesamte mittlere Leistung ≈ 134 W/qm * 357 Mrd. qm ≈ 48.000 GW. Das ist etwa das Siebenhundert- bis Achthundertfache des mittleren Stromleistungsbedarfs von 60 – 70 GW.

Der spezifische Solarstromertrag mit den heute verfügbaren Solarzellen liegt in Deutschland bei etwa 200 kWh pro Quadratmeter und Jahr. Auf dem Papier könnten wir daher mit Photovoltaik auf 1 % der Landesfläche (≈ 3.570 Quadratkilometer = 3,57 Mrd. Quadratmeter) leicht den kompletten Jahresstrombedarf von ca. 500 Mrd. kWh decken – aber leider nur in der Jahresbilanz und eben in der Theorie.

Modellrechnung basierend auf realen Wetterdaten

Werfen wir noch einen genaueren Blick auf die vorstehend aufgezeigte Problemstellung.

Das oben skizzierte Beispiel bezog sich lediglich auf eine Momentaufnahme. Für eine genauere Analyse muss man Zeitabschnitte betrachten. Da die Wind- und Solarstromproduktion in der Regel nicht für längere Zeit extrem niedrig ist und zeitweise auch Überkapazitäten bestehen, könnte man die Überstromproduktion speichern, um damit das wetterbedingt auftretende Manko kompensieren. Im Folgenden wollen wir dafür eine exemplarische Modellrechnung durchführen.

In der Modellbetrachtung verlangen wir, dass die Energie ausschließlich aus erneuerbaren Quellen kommen soll (also keine fossilen Kraftwerke und auch keine Kernenergie). Ferner lassen wir den möglichen Import von Strom außer Acht.

Der Analyse legen wir die konkreten Wetterdaten sowie den Stromverbrauch für die Monate November und Dezember 2022 zugrunde und gehen von einem 3-fachen Ausbau der Wind- und Solarenergie gegenüber dem Stand von 2022 aus. Zusammen mit den sonstigen Erneuerbaren ergibt der dreifache Ausbau von Windkraft und Photovoltaik eine installierte Gesamtleistung mit Regenerativen von ca. 400 GW. Das sind immerhin 600 % des typischen deutschen Leistungsbedarfs von etwa 60 – 70 GW. Auf dem Papier sieht das alles sehr gut aus und sollte, so mag man auf den ersten Blick denken, ohne Weiteres den Strombedarf decken..

Realitätsnahe Analyse zum Speicherbedarf

Die sich nun aufdrängende Frage ist:

Reicht dieser dreifache Ausbau von Windkraft und Photovoltaik bereits aus? Und wenn nicht, welche Speicherkapazität wäre nötig gewesen, um im Beispielzeitraum jederzeit die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können?

In Abb. 1-11 sind die Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.

© Hieronymus Fischer

Abbildung 1-11: Modellrechnung zur Strombilanz mit Erneuerbaren basierend auf den realen Wetterdaten vom November und Dezember 2022. Unterhalb des Diagramms sind die resultierenden Werte für die Speicherkapazität sowie die minimale und die maximale Speicherladung angegeben. – Rohdaten zu Produktion und Verbrauch: Energy-Charts.info, Fraunhofer ISE. Stand 08.05.2023; Aufbereitung, Darstellung und Speicheranalyse vom Autor.

Die Antwort ist ernüchternd: Tatsächlich entsteht in der Simulation eine Versorgungslücke von über 16.000 Gigawattstunden. Und dies trotz einer formal bestehenden 6-fachen Überkapazität. Der errechnete Verlauf der hypothetisch erforderlichen Speicherladung (rechte Achse, Einheit Gigawattstunden) ist in Abb. 1-11 als rote Kurve dargestellt. Sie erreicht am 18.11.2022, 13:45 Uhr, mit einer Ladung von 16,05 TWh ihr Maximum und entlädt sich binnen eines Monats bis zum 18.12.2022, nachmittags um 15:15 Uhr. Danach befüllt sich der Speicher wieder in etwa auf das Ausgangsniveau. Die anderen Kurven beziehen sich sämtlich auf die linke Achse und geben die jeweiligen Leistungswerte in Gigawatt an.

Erläuterung zur Analyse und Modellierung

Die in Abb. 1-11 dargestellten Kurven zur Stromproduktion (grün), zum Verbrauch (violett) und den sonstigen Erneuerbaren, darunter Biogas, Wasserkraft, Müllverbrennung, Pumpspeicher, Wind Offshore, …, (dunkelgrün) geben die tatsächlich gemessenen bzw. geleisteten Werte an. Bezüglich Wind OnShore (blau) und Solar (gelb) wurden die produzierten Leistungen mit dem Faktor 3 multipliziert, um so einen hypothetisch verdreifachten Ausbau zu simulieren (s. Hinweis unterhalb des Diagrammtitels). Die graue Kurve zeigt zeitgenau den Überschuss bzw. das Defizit der Stromproduktion. Die zeitliche Auflösung für alle Kurven beträgt 15 Minuten, also 96 Datenpunkte pro Tag. Der Analyse liegen folglich 5.856 Datensätze mit jeweils 16 Einzelwerten zugrunde, in Summe also über 90.000 Zahlenwerte.

Wie im Diagramm vermerkt, wurde jeweils eine Verdreifachung der installierten Leistung von Windkraft (Onshore) und Photovoltaik im Vergleich zum tatsächlichen Ausbau Ende 2022 angenommen. Das sind demnach hypothetische Leistungswerte von 183 GW Windstrom (Onshore und Offshore) und 201 GW Solarstrom. Diese Verdreifachung entspricht in etwa den (hochgesteckten) Zielen der Bundesregierung für 2030 und danach.

In der hervorgehobenen Infobox im Diagramm sind einige interessierende Kennzahlen gelistet. Im Minimum werden nur 13 GW produziert – und dies trotz des genannten verdreifachten Ausbaus. Auf der anderen Seite sind es im Maximum 151 GW, etwa doppelt soviel wie heute im gleichen Zeitraum. Der Leistungsüberschuss (also die Überstromproduktion) beläuft sich im Extremfall auf 84 GW. Dem steht ein maximales Leistungsdefizit von 52 GW gegenüber. Alles Daten die zeigen, dass das Management der Energieversorgung auf dieser volatilen Grundlage sehr anspruchsvoll werden wird.

Ergebnis der Analyse

Unter den genannten Modellannahmen ergibt sich eine minimal erforderliche Speicherkapazität von 16,05 TWh. Dabei wurde eine anfängliche Speicherladung per 1.11.2022 von 8,425 TWh unterstellt. Die Erhöhung der Anfangsladung ändert nichts am Speicherbedarf, führt aber dazu, dass Überkapazitäten teilweise ungenutzt bleiben. Sofern man indes den Speicher initial nur mit z.B. 5 TWh befüllt, ergibt sich per 18.12. eine Versorgungslücke von 3,425 TWh. Ein anfänglich leerer Speicher vergrößert das Versorgungsmanko per 18.12. auf über 8 TWh.

Wenn man nur eine Speicherkapazität von 1 TWh zur Verfügung hat, so zeigt die Modellrechnung unter den ansonsten gleichen Annahmen, dass Windkraft und Photovoltaik im Vergleich zu 2022 um den Faktor 14 auf über 800 GW Windstrom und über 900 GW Solarstrom ausgebaut werden müssten. Das ist kaum vorstellbar.

Der errechnete Speicherbedarf von 16 TWh entspricht ungefähr 11 durchschnittlichen Tagesverbräuchen oder etwa 3 % des deutschen Jahresstromverbrauchs. Das ist enorm. Gleichfalls gewaltig sind die potentiellen Kosten. Für Batteriespeicher rechnet man typischerweise mit 1.000 € pro kWh. Auf dieser Basis kommt man für den erforderlichen Speicher auf die gigantische Summe von 16.000 Mrd. Euro (= 16 Mrd. kWh * 1000 € / kWh), das ist in etwa das Vierfache des deutschen Bruttoinlandsprodukts.

Nun darf man sicherlich annehmen, dass aufgrund des technischen Fortschritts Batteriespeicher nach und nach günstiger werden. Auch Skalierungseffekte spielen eine Rolle: Jedenfalls sind Lithium-Ionen-Speicher für Elektroautos mit 100 € bis 200 € bereits heute deutlich billiger. Nehmen wir den niedrigeren Wert, so könnten sich die Speicherkosten auf 1.600 Mrd. Euro reduzieren. Das ist angesichts der nur begrenzten Lebensdauer immer noch gewaltig. Unter der Annahme einer 20-jährigen Nutzungsdauer belastet das den Energiehaushalt um Zusatzkosten von 80 Mrd. Euro pro Jahr. Auf den Strompreis würde das mit zusätzlichen 16 ct pro kWh (≈ 80 Mrd. € / 510 Mrd. kWh) durchschlagen.

Wie belastbar ist die Speicheranalyse?

Ohne Frage sprengen die Kosten für einen solchen Speicher unterm Strich den Rahmen des Machbaren. Dabei haben wir den immensen Ressourcenbedarf und die technisch-wirtschaftlichen Fragen betreffend der Herstellung noch völlig ausgeklammert. Zudem muss man sehen, dass die errechnete Speichergröße noch nicht als final angesehen werden kann, da wir ja nur die Monate November und Dezember, und dies auch nur für das Jahr 2022 zugrunde gelegt hatten. Es gibt zwar Gründe für die Annahme, dass insbesondere die Wintermonate potentiell einen hohen Speicherbedarf erfordern und dass dabei gerade November und Dezember hervorstechen, dennoch erfordert die Analyse eine komplette Jahresbetrachtung und auch die Einbeziehung weiterer Vergleichsjahre. Eine daraus folgende eventuelle Erhöhung der erforderlichen Speichergröße kann man jedenfalls nicht definitiv ausschließen.

Anmerkung: Die Analyse über das komplette Jahr 2022 zeigt, dass die o.g. Speicherkapazität ausreichen würde. Für die Wetterbedingungen in 2021 könnte der Speicher mit 15 TWh sogar etwas kleiner ausfallen.

Welche ergänzenden Maßnahmen und Alternativen bieten sich an?

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es mit dem Ausbau von Wind- und Solarleistung alleine nicht getan ist. Natürlich kann – und muss –  man Windkraft und Photovoltaik weiter voranbringen. Es gibt aber Grenzen dafür, weil mit dem Ausbau natürlich auch die Phasen der Überstromproduktion immer stärker zunehmen, Zeiten also, in denen viel mehr Windstrom und Solarstrom produziert wird als wir benötigen und sinnvollerweise verwenden können. Wir hatten ja oben gesehen (s. Abb. 1-11), wie sogar im Winter ein Leistungsüberschuss von 84 GW entstehen kann. Im Sommer könnte der Überschuss leicht bei über 250 GW liegen. Ein kritisches Problem dabei ist die jederzeit sicherzustellende Netzstabilität. Vielfach würde man dann die Überstromproduktion vom Netz nehmen müssen. Auch unter dem Blickwinkel der Wirtschaftlichkeit wird man das so gut es geht vermeiden wollen.

Drei naheliegende Auswege drängen sich auf:

Backup-Kraftwerke

Aufbau von Kraftwerkskapazitäten (sogenannte Backup-Kraftwerke), die bei geringer Wind- und Solarstromerzeugung jederzeit die Lücke füllen können. Dazu bieten sich z.B. GuD-Kraftwerke an (Gas-und-Dampf-Turbine). Backup-Kraftwerke könnten Speicher in einem gewissen Umfang ersetzen. Allerdings benötigen sie einen fossilen Energieträger, nämlich Erdgas oder Flüssiggas, und sorgen damit für CO2-Emissionen. Später ist natürlich auch selbst hergestellter (s.u.) oder importierter grüner Wasserstoff als Energieträger denkbar.

Batterie-Stromspeicher

Als weitere Ergänzung werden wir kaum umhin kommen, zusätzlich nennenswerte Batterie-Speicherkapazitäten aufzubauen. Aus Kostengründen wird das kaum in Höhe des oben bestimmten Umfangs von über 10 TWh erfolgen können. Eine Speicherreserve von mindestens 1 – 2 Tagen (also etwa 1,5 – 3 TWh) wäre indessen technisch machbar und bliebe auch bezüglich der Kosten noch einigermaßen im Rahmen. Aber wie gesagt, diese Speichergröße würde nur einen kleinen Teil der potentiellen wetterbedingten Versorgungslücke abdecken.

Oft werden in diesem Zusammenhang die in Elektroautos verbauten Batterien als optionale Speicher genannt. Das ist tatsächlich ein erwähnenswerter Faktor, allerdings ist die so potentiell entstehende Speicherkapazität sowohl zum Aufnehmen einer größeren Überproduktion als auch hinsichtlich der Schließung der oben diskutieren Wind- und Solarstromlücken bei weitem nicht ausreichend. Diese Fragestellung wird im nachfolgenden Abschnitt über E-Autos näher beleuchtet.

Wasserstoff als Energiespeicher

Die zeitweise anfallende Überstromproduktion von bis zu weit über 200 GW kann man dazu nutzen, mittels Elektrolyse grünen Wasserstoff zu erzeugen und zu bevorraten. In Zeiten des Strommangels aufgrund schwachen Windes und wenig Sonne würde man den erzeugten Wasserstoff in einer Brennstoffzelle wieder in Strom zurück wandeln. Im Ergebnis ist auch dies ein Stromspeicher, der dabei hilft, Versorgungslücken zu schließen.

Bei der Elektrolyse erreicht man einen Wirkungsgrad von 60 – 80 %, in der Rückverstromung von Wasserstoff sind es ebenfalls etwa 60 – 80 %. In der Gesamtkette Strom-Wasserstoff-Strom erhält man daher Gesamtwirkungsgrade von ca. 40 – 50 %. I. d. R. gehen daher mehr als 50 Prozent der eingesetzten Energie verloren. Das ist indessen belanglos, wenn der eingesetzte Strom aus einer Überschussproduktion kommt.

Selbstverständlich ist die Frage nach dem Wirkungsgrad des technischen Prozesses isoliert betrachtet absolut legitim. Im größeren Kontext macht diese Betrachtung indessen überhaupt keinen Sinn mehr. Sie ist nachgerade absurd. Entscheidend ist die CO2-Effizienz, also das Potential zur CO2-Einsparung.

Das Sprichwort sagt: Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul.

Entscheidend ist, dass die ansonsten nicht verwendbare Überstromproduktion derart gespeichert werden kann. Das ist ein enorm wichtiger Aspekt im Hinblick auf die Sicherstellung der Energieversorgung in Zeiten geringer Stromproduktion mit Erneuerbaren. Dass dabei graduelle Verluste entstehen ist irrelevant, denn wenn man die Überstromproduktion nicht nutzt, liegen die Verluste bei 100 %.

Synthetische Kraftstoffe als Energiespeicher

Desgleichen bietet es sich an, die zeitweisen Überkapazitäten zur Herstellung von synthetischen Kraftstoffen (sogenannte E-Fuels) heranzuziehen. Die immer wieder dagegen vorgebrachten Argumente (wie z.B. die von Harald Lesch: Harald Lesch zerlegt E-Fuels!) sind nicht stichhaltig und gehen am sachlichen Kern der Thematik völlig vorbei.

Als Effizienz des Herstellungsverfahrens kann man auch in diesem Fall das Verhältnis zwischen dem resultierenden Energieertrag im synthetischen Kraftstoff und der aufgewendeten Energie (i. W. Strom für die Herstellung) heranziehen. Es sind ca. 50 %. Nimmt man nun noch die motorischen Verluste im Verbrenner dazu, so bleiben am Ende nur 15 % der aufgewendeten Energie für die eigentliche Mobilität (also Bewegungsenergie). Bei fossilen Kraftstoffen (die ja nicht mittels Strom erzeugt werden müssen) werden 30 % der eingesetzten Energie genutzt, bei Elektrofahrzeugen sind es über 70 % (bezogen auf die Stromnutzung).

Ist damit das Urteil über E-Fuels gesprochen? – Das wäre ein Kurzschluss. Denn man muss ja sehen, dass der für die Herstellung erforderliche Strom auch in diesem Falle sozusagen „Abfallenergie“ ist, die man sonst überhaupt nicht verwenden kann (es sei denn zur Herstellung von Wasserstoff). Diese Abfallenergie entsteht durch die Überstromproduktion in Zeiten starken Windes und hoher Solarerträge. Sie entsteht unvermeidlicherweise, weil die installierten Wind- und PV-Stromleistungen ein Vielfaches des eigentlichen Bedarfs betragen müssen, wie wir oben gesehen haben.

Die Herstellung von E-Fuels ist daher klimapolitisch von Vorteil, weil so CO2-freie Energie bereitgestellt werden kann. Niemand denkt dabei daran, die bestehende Mobilität mit Verbrennern komplett mit Hilfe von E-Fuels zu „retten“. Dies ausschließlich mit erneuerbaren (Überschuss-) Strom aus Deutschland zu machen wäre jedenfalls nicht möglich.

Resümee zu Wasserstoff und E-Fuels

Auch wenn beide Verfahren (Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen) für sich genommen eine geringe energetische Effizienz aufweisen, machen diese Ansätze dennoch auch wirtschaftlich absolut Sinn, insofern man ausschließlich die ansonsten nutzlose und sogar netz-destabilisierende Überstromproduktion dafür verwendet. Letztlich verblasst die Frage nach der Effizienz vor diesem Hintergrund. Denn wie gesagt: Einem geschenkten Gaul, schaut man nicht ins Maul.

Der vielfach vorgebrachte Vergleich mit E-Fahrzeugen, die aufgrund des formal höheren Wirkungsgrads mit dem Strom doch eine viel längere Wegstrecke zurücklegen könnten (ADAC: E-Fuels: Sind synthetische Kraftstoffe die Zukunft? | ADAC), führt in die Irre. Mit dem gleichen Argument könnte man auch das Radfahren verteufeln. Ein Radfahrer hat nur einen Wirkungsgrad von 18 – 23 %. Man verschwendet also gewissermaßen Energie, wenn man mit dem Fahrrad statt mit dem Elektroauto unterwegs ist.

Noch pointierter: Der durchschnittliche Wirkungsgrad bei körperlicher Arbeit beträgt beim Menschen etwa 25 %. Roboter dagegen können ihre Leistung – ähnlich wie Elektroautos – ohne Weiteres mit einem Wirkungsgrad von über 70 % erbringen ? Müsste man demnach nicht Menschen schleunigst durch Roboter ersetzen? – Natürlich ist das absurd.

Und noch ein letzter Punkt: Aus einem Kilogramm Bioabfall kann man 0,2 bis 0,3 kWh Strom erzeugen. Erschreckend wenig, angesichts der Tatsache, dass aus 1 kg Braunkohle immerhin 1,6 kWh, aus 1 kg Steinkohle 3,5 kWh und aus 1 kg Flüssiggas sogar 6 kWh Strom werden können. Sollte man deswegen auf die Verstromung des Bioabfalls verzichten? – Keineswegs, selbstverständlich ist das dennoch sinnvoll.

Diese Beispiele sollten nur noch einmal zeigen, dass die Fokussierung auf den Wirkungsgrad ein Irrweg ist. Dasselbe gilt für die u. U. geringe nominelle Ausbeute. Es bleibt ein Rätsel, aus welchem Grunde gerade die eifrigsten Befürworter der Energiewende, Interessenverbände und teilweise auch Wissenschaftsjournalisten und Wissenschaftler diesem Irrtum aufsitzen.

E-Autos als Stromspeicher – was bringt das?

Nehmen wir an, es gebe 10 Mio. Elektroautos (derzeit sind nur etwa 1 Million E-Autos zugelassen) mit einer durchschnittlichen Speichergröße von 50 kWh und einer abrufbaren Leistung von 20 kW. Die Leistung wurde deswegen auf diesen niedrigen Wert gesetzt, weil der Hausanschluss typischerweise nur mit 11 bis 22 kW belastet werden kann. Für höhere Einspeisungsleistungen müssen zusätzliche technische Vorkehrungen getroffen werden (höhere Absicherung, Verlegung von Leitungen mit größerem Querschnitt).

Unterstellen wir, die Fahrzeuge stehen in der Garage oder auf einem Stellplatz mit Ladesäule und sind bidirektional ans Stromnetz angeschlossen. Die Batterien können also jederzeit geladen und entladen werden.

Welche Leistung kann abgerufen werden?

Die Speicherkapazität und die Batterieleistung dürfen nicht miteinander vermengt werden. Das erstere ist die Energiemenge, das zweite ist quasi die Geschwindigkeit, mit der die gespeicherte Ladung abgerufen werden kann.

Die Rechnung bezüglich der Leistung ist einfach: 10 Mio. x 20 kW ergibt eine Leistung von 200 Mio. kW, also 200 GW. Das ist bereits deutlich mehr als die typischerweise im Netz angeforderte Leistung von 60 – 80 GW. Auf Seiten der Leistung würden die Batterien von 10 Mio. E-Autos also bereits vollauf und mit reichlichen Reserven genügen für die Sicherstellung der Netzstromversorgung. Im Minimum könnten sogar schon 3 – 4 Mio. Autos dafür reichen. Das ist aber auch nötig, weil natürlich nur ein Bruchteil der Autos tatsächlich mit geladenen Batterien in der Garage stehen. Viele andere sind entweder unterwegs oder müssen ihrerseits geladen werden, haben also Strombedarf.

Der kritische Punkt ist nicht die Leistung der Batteriespeicher, sondern ihre Ladekapazität, wie wir gleich sehen werden. Diese reicht nur für einen relativ kurzen Zeitraum von einigen Stunden.

Welche Speicherkapazität steht zur Verfügung?

Bei einer Entladung bis hinunter auf eine Restkapazität von 20 kWh (was einer Restreichweite von ca. 100 -150 km entsprechen würde) stehen unter den obigen Annahmen pro Fahrzeug 30 kWh zur Verfügung, die im Bedarfsfall in das Netz eingespeist werden können. Das summiert sich auf eine potentielle Netzspeicherreserve von 300 GWh oder 300 Mio. kWh.

Was bringt das für das Stromnetz?

Der durchschnittliche Tagesverbrauch an Strom beläuft sich auf etwa 1,4 TWh (≈ 510 TWh / 365), also 1.400 GWh, bzw. 1.400 Mio. kWh. Wenn wir nun noch die Stromproduktion aus anderen Quellen (Biogas, Wasserkraft, sonstige Quellen) mit etwa 200 GWh pro Tag (entsprechend einer Leistung von etwa 8 GW) berücksichtigen, so kommen wir auf eine potentielle Stromlücke von 1.200 GWh pro Tag. Folglich entspricht die in den 10 Mio. Elektroautos gespeicherte und für das Netz verfügbare Energie in etwa 25 % des durchschnittlichen Tagesbedarfs. Damit können also ca. 6 Stunden Dunkelflaute kompensiert werden. Tatsächlich sind derweil mehrere Tage währende Phasen mit einer extrem geringen Leistung von Solar- und Windkraftanlagen (z.B. weniger als 10 – 20 Prozent der durchschnittlichen Leistung) keine Seltenheit (s. z.B. Abb. 1-9 und 1-10).

Um eine Dunkelflaute von 1 Woche zu überbrücken, benötigt man nach dem Vorstehenden eine Speicherkapazität von bis zu 10 TWh = 10.000 Gigawattstunden. Das ist das 33-fache der hypothetisch vorrätigen Speicherladung von 10 Millionen Elektroautos. Dabei hatten wir in der Modellrechnung oben (s. Abb. 1-11) gesehen, dass die Versorgungslücke durchaus auch höher liegen kann.

Natürlich wird es keine 330 Millionen Elektroautos in Deutschland geben und auch die disponible Batteriespeicherkapazität der grundsätzlich verfügbaren Fahrzeuge wird kaum 50 kWh pro Auto übersteigen, daher ist die Erwartung, auf diesem Wege größere Stromlücken tatsächlich schließen zu können absolut unrealistisch. Allenfalls kann man derart kleinere Engpässe – vorzugsweise innerhalb eines Tages – überbrücken oder andere Mittel (stationäre Speicher, Pumpspeicher, Backup-Kraftwerke) sinnvoll ergänzen. Das ist fraglos ein sehr wertvoller Beitrag, er reicht aber eben zur Lösung der grundsätzlichen Problematik bei Weitem nicht aus.

Nach diesem Ausflug kommen wir zurück auf das Kernthema Energiewende und Wärmepumpe.

Spezifische CO2-Emissionen bezogen auf den Heizwert

Für den Betrieb einer Wärmepumpe braucht man bekanntlich Strom. Der Strombedarf ist abhängig von der benötigten Heizenergie, daher braucht man Im Winter viel Strom, im Sommer eher wenig (ggf. nur für die Warmwasseraufbereitung). Wie man den obigen Grafiken (s. Abb. 1-7 und 1-8) entnimmt, ist nun aber insbesondere im Winter der CO2-Ausstoß pro kWh relativ hoch (geringe Solarstromerträge, zeitweise kein Wind). Deshalb ergibt sich im gewichteten Mittel nach dem Heizenergie- bzw. dem Strombedarf einer Wärmepumpe ein höherer Durchschnittswert als der oben angegebene Strommix-Wert von 420 g/kWh. Im Heizlastprofil beläuft sich der Durchschnittswert der CO2-Emissionen auf ca. 480 g/kWh (s. Abb. 1-6).

Im Folgenden (s. Teil 3, CO2-Emissionen von Gasheizung und Wärmepumpe – Vergleich für ein Bestandsgebäude) wollen wir die Emissionen beim Heizen mit Wärmepumpe vergleichen mit der klassischen Gas-Brennwertheizung, also Heizen  mit Gas. Deshalb müssen wir auch die spezifischen Emissionen bezogen auf den Heizwert kennen (s. Abb. 1-12).

© Hieronymus Fischer

Abbildung 1-12: Spezifische CO2-Emissionen verschiedener Energieträger bezogen auf den Heizwert (Verbrennung)

Von den vorstehend genannten Emissionswerten werden wir in der Vergleichsbetrachtung Gas-Brennwerttherme vs. Wärmepumpe (s. Teil 3, CO2-Emissionen von Gasheizung und Wärmepumpe – Vergleich für ein Bestandsgebäude) vor allem zwei brauchen: Den spezifischen Emissionswert von 480 g/kWh im Heizlastprofil aus dem deutschen Strommix und den entsprechenden Emissionswert von 182 g/kWh beim Heizen mit Gas (genauer, Erdgas).

Ausblick auf Teil 2

Die grundsätzliche Wirkungsweise von Wärmepumpen wird erläutert. Dazu wird der COP-Wert als der wichtigste Effizienzfaktor von Wärmepumpen eingeführt und es werden die theoretisch möglichen und die in der Praxis erreichbaren Effizienzwerte abgeleitet und mit aktuellen Studien verglichen.

Link: Wärmepumpe. Prinzip, Funktionsweise und Grenzen


Querverweise

Windräder statt Atomstrom

Alle Beiträge der Reihe:

Energiewende und Wärmepumpe

1. Energiewende, Stromproduktion und CO2-Emission

2. Wärmepumpe. Prinzip, Funktionsweise und Grenzen

3. CO2-Emissionen von Gasheizung und Wärmepumpe – Vergleich für ein Bestandsgebäude

4. Gasheizung oder Wärmepumpe? Exemplarische Wirtschaftlichkeitsrechnung

5. Grundsätzliche Analyse zur Wirtschaftlichkeit von Wärmepumpen

6. Wärmepumpen für Deutschland – Klimapolitisch sinnvoll oder Fehlinvestition?